[MMT] Fluchbrecher
#7
Am Abend zuvor war ihr der Weg vom Anwesen bis zum Hof nicht so lang vorgekommen. Aber da hatte sie auch keinen nervenaufreibenden Abend mit rachedurstigen Geistern verbracht oder war durch morsches Gebälk einen Stockwerk tiefer höchst unsanft auf ihre Kehrseite gekracht. Wahrscheinlich waren es nur ein paar größere blaue Flecken oder kleinere Verstauchungen, die sie von diesem Sturz davon getragen hatte. Immerhin hatte die Rüstung einen Großteil des Aufpralls abgefangen und so tief war der Fall nicht gewesen, eher überraschend ... Und für diese Unachtsamkeit, ein länger unbewohntes Gebäude ohne die notwendige Vorsicht zu durchstöbern, hätte sie sich selber schelten mögen.

Aber die Aufregung der Unternehmung hatte die Schmerzen gedämpft und sie fühlte sich nun, als sie da im Dunkeln nach Hause humpelte, doch recht ramponiert und zerschunden. Und irgendwie wollte sich ein Triumphgefühl, dass sie den Fluch besiegt hatten, noch nicht einstellen. Wahrscheinlich war es auch noch zu früh, um diese frohe Prognose zu stellen. Der Freiherr blieb diese Nacht im Anwesen, um zu sehen, ob der Nachtalp wieder auftauchen würde und Cahira zollte dem Mann leisen innerlichen Respekt. Ulfson schien von härteren Zahnrädern angetrieben zu werden als sie selber, jedenfalls was diesen Abend anging.

Zu Hause wurde sie bereits erwartet. Als sie die Tür leise zugezogen hatte, in Gedanken noch bei den jüngsten Geschehnissen, erkannte sie einen Schehmen auf der Leiter. Als der kurze Schock überwunden und ein paar Talglichter angezündet worden waren, erklärte Lionel, der da im Dunkeln auf die Rückkehr der Mutter gelauert hatte, reumütig, dass er nicht hatte Schlafen können. Cahira zögerte, ihren Sohn gleich wieder mit mahnenden Worten ins Bett zu schicken, denn sie erkannte sehr wohl, dass seine Schlaflosigkeit von der Sorge um ihr Wohlergehen sowie von Neugier, was diesen Abend auf dem Rabenfeld geschehen war, genährt worden war. "Wenn Du mir mit den Riemen meiner Rüstung hilfst, mache ich uns noch eine heiße Milch mit Honig, hm?", schlug sie also vor und das Aufleuchten in den Augen des Jungen zeigte ihr, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Keinen halben Stundenlauf später saßen Mutter - ihrer Schutzkleidung entledigt, angetan in ein weiches Wams und Hose - und Sohn andächtig vor den heißen, großzügig mit Honig gesüssten Getränken am Tisch in der Wohnküche. Der Junge hatte viele Fragen und Cahira erzählte ihm die Geschichte der Fluchbrechung möglichsts ohne die blutigen Details. Aber ganz ohne den unrühmlichen Kern kam sie doch nicht aus: Betrug war der Urheber der traurigen Geschehnisse und sie wusste noch immer nicht sicher, welche Gebeine sie dort begraben gefunden und welches Herz sie verbrannt hatten.

Am Ende schwieg der Siebenjährige und stierte eine ganze Weile ohne ein Wort in seine Milch. Cahira fürchtete, ihrem Sohn doch zu viel zugemutet zu haben, doch dann fragte jener recht leise: "Hätte ich helfen können? Ich meine ...", und seine Stimme erstarb, während er sich auf die Lippen biss um sich die nachfolgenden Worte zu verbieten. Sie wusste genau, auf was er anspielte und die Fußspuren im Staub des Anwesens, so klein wie Kinderfüsse, kamen ihr in den Sinn. "Nein, ich denke ... wir haben den Geist vertrieben. Und Du ... hast noch so viel zu lernen.", erwiderte Cahira schleppend und hoffte, dass sich ihre Worte bewahrheiten würden.
[Bild: Cahira-Sig.jpg]
Herzlichen Dank an Morrigan!
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[MMT] Fluchbrecher - von Cahira Mendoza - 08.10.2018, 01:05
RE: [MMT] Fluchbrecher - von Smaragdnatter - 10.10.2018, 18:11
RE: [MMT] Fluchbrecher - von Cahira Mendoza - 12.10.2018, 17:04
RE: [MMT] Fluchbrecher - von Einar Ulfson - 16.10.2018, 18:52
RE: [MMT] Fluchbrecher - von Cahira Mendoza - 17.10.2018, 21:55
RE: [MMT] Fluchbrecher - von Einar Ulfson - 18.10.2018, 23:05
RE: [MMT] Fluchbrecher - von Cahira Mendoza - 21.10.2018, 18:14
RE: [MMT] Fluchbrecher - von Cahira Mendoza - 07.11.2018, 17:17



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