Die Ketten der Freiheit
#2
Pech und Glück nacheinander ist meist ein gutes Omen. Auch das Schlechte vergeht mit der Zeit, oder wird schlicht durch noch schlechterem ersetzt. Meist jedoch bricht rechtzeitig das Licht hervor, verdrängt das Schlechte, und sorgt für alte oder zumindest ähnliche Verhältnisse.

Der Dicke nahm ihm jede falsche Hoffnung, für sein Problem gäbe es einfache Lösung. Am besten eine, die sein Verstand sofort verstünde. So ganz ohne langes Überlegen, Grübeln und Verwerfen von verwirrten Gedankensträngen. Heraus stolpern, bloß weg vom Dicken, und frische Luft einatmen. Schlendern hinüber zum Bankhaus von Löwenstein. Davor: Sein Glück in Form von zwei Meistern ihrer jeweiligen Fachrichtung - Fräulein Larjia und Herr Felsenschlag. Nun, angeblich soll Fräulein Larjia keine Meisterin sein - noch nicht. Doch an ihrer Arbeit konnte er noch nie einen Makel finden. Eigenes Unwissen behütet den Makel des Anderen manchmal zuverlässig. Er platzte uncharmant in das Gespräch hinein. Den beiden schien es offensichtlich nicht zu stören, vielleicht kennen sie noch mehr solcher ungeduldiger Störenfriede. Ganz bestimmt. Wer kennt sie nicht, die gefürchteten Besteller: zu gestern, und beste Qualität zum Wegwerfpreis.

Eine Woche später holte er den bei Meister Felsenschlag den Gegenstand seines Wunsches ab. Die Kettenglieder gleichmäßig, nicht zu schmal, nicht zu auffällig und alles einnehmend. So kam das eigentliche Prunkstück des Werkes, die einpresste Axt mit der Blattschneide in einem Kettenglied, angenehm zur Geltung. Ungeduldig, angetrieben vor Neugier betatschte er das kalte Stück. Fingerglieder zogen ertastend über die Oberfläche. Ein beinahe glattes und gleichmäßiges Gefühl offenbarend. Wie auch immer Goran dies vollbrachte. Es war aus seiner Sicht genau richtig. Fast, als hätte er ihm eine detailgetreue Zeichnung gegeben. Hatte er natürlich nicht. Doch Goran wusste wahrscheinlich schon beim Erzählen des Wunsches, was der Schwarzkopf da will. Kein Grund zu klagen, nur der blanke Dank.

Jetzt müsste er nur noch Fräulein Larjia abpassen. Am besten auflauern, trotz der Gefahr böse Worte oder gar Schlimmeres an den Kopf zu bekommen. Doch er fand die Zeit nicht. Das beschissene Indharimer Pack sorgt für unschöne Ablenkung, oder genau die richtige Ablenkung. Vergessend, was ihm noch bevorstehen wird. Eine gewiss langwierige Suche, die sich dumpf am Horizont ankündet. Doch ehe diese Suche beginnt, will er noch das Gebet und die Schenkung zum Allsehenden vollbringen. Schadet gewiss nicht. Seine Zuversicht war angebrochen, er musste sich immer häufiger zwingen die Maske aufrechtzuerhalten. Sie hing ihm jedoch öfters als nötig schief im Gesicht. Und wo es an Zeit mangelte, da erschien ihm der Wunsch, den Larjia umsetzte, umso passender. Drei formhübsche Holzfiguren für außen, damit sie nicht gleich davon modern, will sie eine Art Beschichtung auftragen. Für diese Technik hatte sie sogar einen Begriff. Den Schwarzkopf längst verdrängte. Klang hochtrabend. Drei Figuren auf einer hölzernen Plattform befestigt. Die Figuren nicht größer als eine Handlänge. Larjias Handlänge. Eine Figur im Gebet vertieft, die daneben sich an der ersten Figur an einer Schulter festhaltend und die dritte Figur, die hingeflogen ist, wird von der zweiten Figur aufgeholfen. Figur 2 und Figur 3 mit panischen Gesichtszügen. Ganz so, als wäre der Schrecken nicht mehr fern. Das Ausarbeiten der Gesichtszüge wird gewiss die Fingerfertigkeit fordern. Er wäre dazu jedenfalls nicht in der Lage. Es würden Gesichter ohne Gesichter werden, oder Gesichter, die nach platt gedrückten Visagen monströsen Ausmaßes aussehen.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: Die Ketten der Freiheit - von Leevin Waldwind - 16.10.2017, 19:18



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste