Von der Macht der Feder (Mitmachthread: Forschungsgruppe "geborstenes Schwert")
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Die Atmosphäre des Ortes hätte sie eigentlich beruhigen sollen - der reichhaltige Schein zahlreicher Kerzen, der Geruch von Pergament und Leder, und überall wo man hinsah Bücher und noch viel wichtiger, kaum Menschen, da ja den Göttern sei Dank jegliches im entferntesten auch nur spannende Treiben so gut wie nie in Bibliotheken geschah. Stattdessen saß Violetta nun da mit dem von falschen Hoffnungen, verquerem Enthusiasmus und pflichttreuem Eifer genährten Auftrag einen Anhaltspunkt über ein Schwert zu finden. Wäre es nach ihr gegangen hätte man es eingeschmolzen und daraus einen Teekessel gemacht.

Sie kannte den Lauf solcher Geschichten. Sie kannte zu viele Geschichten, und sie wusste beinahe, dass sie nichts Gutes ausgraben würde, so sie einmal damit begonnen hatte. Es war ein Segen für Sie, dass ausgerechnet Ehrwürden Stein ihr zur Seite stand - von allen Streitern der Kirche trotz allem Glauben an das Licht nicht vergaß ... oder je vergessen konnte, wie tückisch die Dunkelheit war.

Sie wusste welche Tücke in solchen Gegenständen lag, auch wenn sie ursprünglich nie verflucht waren. In ihren Augen begannen die meisten namhaften Gegenstände - als einfache Gegenstände. Die Geschichten derer sie Teil wurden machten mehr aus ihnen und damit einher gingen mit der Zeit Hoffnung und Verzweiflung. Sie hasste solche Dinge. Sie hasste Geschichten um solche Dinge. Man konnte es bereits kommen sehen wie dies eine Ding, das sich als großer Segen herausstellte, spätestens in jenem Moment als es abhanden kommt zum Fluch, da der Zustand den es aufrecht erhielt plötzlich nicht mehr haltbar war. Wie ein Helm der in der einen Geschichte, niedergeschrieben zu Lebzeiten seines Trägers, vor allem Übel schützte, in der Geschichte der Hinterbliebenen eines anderen Vorbesitzers einen ganzen anderen Namen und viel düstereren Beigeschmack erhält.

Der Fluch von Wehr und Rüstung die oft den Besitzer wechselte war eben, dass sie dies selten in Frieden tat.
Sie würde viele Bücher über Geschichten, Liedgut und Sagen aus den Regalen ziehen müssen und kaum vor älteren Werken halt machen, denn die wirklich gefährlichen Dinge waren bekanntermaßen nicht erst seit vorgestern auf der Welt, und wer konnte schon sagen welche zwei mystischen Schilde zwischen deren Geschichten Jahrhunderte lagen, irgendwo unter dem Staub von Zeit und Vergessenheit, eigentlich immer der selbe Gegenstand waren? Das war keine präzise Wissenschaft und bei weitem keine Genealogie ... weswegen ohnehin (außer in den Ohren von Ehrwürden Stein - sie machte sich mehr als nur eine mentale Notiz, dass sie froh war von allen Legionären ihn zur Seite zu haben) die meisten Beteiligten ihre Schlussfolgerungen ignorieren würden.
Sie würde eine Menge schlechter Geschichten lesen müssen - und wahrscheinlich gänzlich umsonst.
Entsprechend war ihr von Anfang an klar, dass sie für diesen Auftrag Kartoffelbrand brauchen würde, und dass sie jenen nicht trinken würde weil er so geschmackvoll war.

Das war ihr Fluch. Nein, nicht der Alkohol:
Sie wollte nie große Geheimnisse zur Gänze ergründen, wollte nie die tiefsten Mysterien von Thaumaturgie oder Nekromantie enthüllen. Alles was sie wollte - was sie wirklich wollte - war ein gutes Buch; eine gute Geschichte zu lesen (und manches Geheimnis Geheimnis bleiben lassen wenn es nur gut erzählt war). Vampiren zu trotzen, Arterienblutungen zu überleben und sich in institutionelle und klerikale Konflikte ziehen zu lassen, oder etwas niederzubrennen, erachtete sie als vergleichsweise unwichtige Teile des Aufgabenfelds einer Bibliothekarin.

"Ich hasse das." murmelte sie mehr als einmal in den Nächten die sie sich in der Bibliothek um die Ohren schlug.
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Von der Macht der Feder (Mitmachthread: Forschungsgruppe "geborstenes Schwert") - von Marie Philippa Strastenberg - 24.06.2017, 23:15
RE: Von der Macht der Feder (Mitmachthread: Forschungsgruppe "geborstenes Schwert") - von Violetta Winter - 02.07.2017, 22:57



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