Auge um Auge...
#3






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Tag des Dienstes, 7. Hornung 1404


Sie schlich an der Wand entlang und, das am helllichten Tage. Die kleinen Finger tasteten dabei gespreizt über das poröse Mauerwerk ungeachtet dessen, was es mit der Sauberkeit ihrer Hände anrichtete oder auch den Fingernägeln. Das allein eine vorbeihuschende Ratte sie erschreckte sprach Bände. Der vorhergehende Abend hatte definitiv seine Spuren hinterlassen.

Eben noch war die Straße leer gewesen. Die Abenddämmerung hatte eingesetzt, labte sich am letzten grauen Licht des Tages und zog es allmählich in das dunkle Blau der Nacht. Die beiden städtischen Laternenanzünder stiefelten gemächlich an ihr vorbei in ihren schweren, grauen Kutscherumhängen und unterhielten sich über Löwensteins momentanes Lieblingsthema: Die freien Männer. Die Stange zum Öffnen und entzünden der Laternen, war locker geschultert und sie pafften beide ihre Pfeife. Ja, wer hier für die Verwaltung arbeitete, hatte es wohl ziemlich gut. Nicht zu vergleichen mit den Inseln, wo eigentlich alles in irgendeiner Art und Weise zum Überlebenskampf ausartete. Sie sah den beiden noch eine Weile nach und neidete ihnen ihre Gelassenheit. Mit geschürzten Lippen wand sie sich um und setzte an weiterzugehen als sie dem Grauen gewahr wurde:

Die schreiend rote Robe, selbstgefällig und sich stets der Überlegenheit bewusst. Eine Priesterin. Gefolgt von einem beladenen Packpferd, an den Zügeln geführt von einem jener schwer gerüsteten, üblen Fanatikern, die sich selbst „Legionäre“ nannten. Sie füllten den Weg und das Sichtfeld der kleinen Frau, blendeten Rest aus wie ein einzelner, drohender Farbklecks im grauen Farbenmeer. Ihr stockte der Atem.

Geh‘ einen Schritt zur Seite, lass sie passieren…grüße höflich und verhalte dich unauffällig.

Den Mithrasgruß überhörte sie dann beinahe doch und machte so ihren ersten fehler. Sie zögerte mit dem Gegengruß, haderte mit dem Würgereiz und spie dann endlich die Grußworte aus. Natürlich ohne die Erwähnung eines angeblichen Sonnengottes.

Verdammt…

Der Rotkutte schien es zu genügen Sie setzte sich in Bewegung und sie erlaubte es sich durchzuatmen. Doch der Zug hielt abermals inne und vor ihr stand der Gerüstete, sprach...nein brüllte und es hallte in ihren Erinnerungen wieder...

…dumpf dröhnend die Stimme, erfüllt von Eis und Stein. Geboren in blinder Wut und bewahrt in Hass…

Sie spürte in ihnen das Echo der Schläge, mit den Kettenschutzbewehrten Händen, des Trittes gegen ihren Körper und den Geruch des Blutes im Raum.

Es war der Peiniger, „das Mithras-Monster“ wie sie ihn heimlich für sich getauft hatte und ES hatte ihren Namen nicht vergessen.

Was auch immer er sagte, es drang nicht zu ihr hindurch. Nur diese erbarmungslose Stimme, die für sie den Untergang symbolisierte. Sie gingen weiter und er hielt den grausamen Blick fortwährend auf sie gerichtet, wie eine weitere Drohung…oder ein Versprechen. Einem unausgesprochenen Fluch gegen die Götter. Bis zuletzt...bis zu jenem Moment, wo sie aus dem Blickfeld entschwanden.

Sie sackte in sich zusammen, wankte und stolperte weiter und bemerkte das Zittern nicht einmal.

Am heutigen Morgen, rückblickend auf jenen Moment, folgte die Verbissenheit. Der bittersüße Gedanke nach Vergeltung, der durch die Adern rann wie Eis. Sie verharrte an der Mauerecke, den Blick über den Marktplatz schweifend… und lauerte…und suchte...

Denn auch ein Monster muss verwundbar sein.


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Auge um Auge... - von Niamh Cavanaugh - 06.02.2017, 18:20
RE: Auge um Auge... - von Marit Stein - 08.02.2017, 09:57
Angst... - von Niamh Cavanaugh - 08.02.2017, 14:57
RE: Auge um Auge... - von Dynaeh - 08.02.2017, 17:16
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RE: Auge um Auge... - von Dynaeh - 22.02.2017, 19:21



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