FSK-18 Gezeitenwende
#6
Eirene warf sich von einer Seite auf die andere. Sie konnte in dieser Nacht nicht in den Schlaf finden, viel zu heftig stiegen die Bilder des Blutkonklave wieder auf und raubten ihr Schlaf und Gemütsruhe.

Wochenlang hatte sie nun gehofft, das Grauen hinter sich gelassen zu haben. Weder Lisbeth, Gotmar noch Darius hatten von weiteren Erscheinungen berichtet und so nährte sich ihre Hoffnung, dass das Kapitel der Bleichen endlich abgeschlossen war. Sicherheitshalber hatte sie sogar noch einmal die Durchkämmung der Kanalisation angeordnet, höchst zuversichtlich, hier keinerlei Ungereimtheiten mehr zu entdecken.

Und so traf sie die Nachricht wie ein Hammer. Wie hatte die Hermetikerin sich ausgedrückt? Die Energie erinnert an den Schleim, in diesem Raum ist etwas Grauenhaftes geschehen. Vor nicht allzu langer Zeit.
Einzig der widerwärtige Kirschgeist Maries hielt sie davon ab, einfach besinnungslos zusammen zu sinken und ruhige samttiefe Schwärze einzuatmen.

Nadya's spurloses Verschwinden, Gord Areng's Bemühungen zu vertuschen...wie hing das alles zusammen? Konnte es wirklich sein, dass die Bleichen zurück waren?

Vielleicht aber, waren sie auch niemals ganz fort gewesen und hatten die kurze ruhigen Wochen nur genutzt, ihre Kräfte zu sammeln? Und planten jetzt in einem verheerenden Angriff Löwenstein in eine Knochenwüste zu verwandeln?
Mit einem Satz war die Vogtin auf den Beinen, barfuß lief sie in ihrem schlichten weißen, am Kragen mit zarter Spitze abgesetztem Nachtgewand flatternd über die eisigen Steinböden des Palais. Auf und ab. Auf und ab. Sollte Violetta in dieser Nacht vor ihre Zimmertüre treten, würde sie vermutlich den Schreck ihres Lebens bekommen, sähe sie die geisterhaft anmutende Vogtin durch Räume und Etagen wandeln.

Wenn doch wenigstens Axis endlich zurückkehren würde. Er würde das Palais in eine Sicherheitsburg verwandeln, was ihr zwar jede Luft zum Atmen nehmen würde, aber immerhin wäre sie dann sicher. Er würde jeden der es auch nur wagte schief zu gucken, anschnauzen und grob zurück stoßen. Er wäre immun gegen ihre Versuche ihn milder zu stimmen. Letztlich würde sie eine seiner Predigten über sich ergehen lassen müssen, dann ließ er kein gutes Haar an ihr, hielt ihr frank und frei vor, sich unmöglich zu benehmen und absichtlich sein Sicherheitskonzept zu unterwandern, in dem sie einfach nur lebte. Sie musste Lächeln bei der Erinnerung an seine zornigen Reden und wenn sie ganz ehrlich war, hatte sie den einen oder anderen Ausbruch dieser Art provoziert. Irgendwie gefiel es ihr, gefiel er ihr, wenn er so hitzig lamentierte und sich nichts sagen lies. Das war sein Metier. Hier war er sicher, hier wußte er jederzeit was er tat.
Eines war absolut sicher: er würde es gewiss kein zweites Mal zulassen, dass sie in Gefahr geriet.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Gezeitenwende - von Eirene Kerlow - 28.12.2016, 10:54
RE: Gezeitenwende - von Eirene Kerlow - 11.01.2017, 19:36
RE: Gezeitenwende - von Eirene Kerlow - 13.01.2017, 12:14
RE: Gezeitenwende - von Eirene Kerlow - 23.01.2017, 11:57
RE: Gezeitenwende - von Eirene Kerlow - 07.02.2017, 20:35
RE: Gezeitenwende - von Eirene Kerlow - 08.04.2017, 14:09



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste