Questbeschreibung Krieg und Frieden
#1
Fünf Männer saßen an einem langen, honigwabenförmigen Tisch. Papiere, Federkiele und leere Weingläser lagen auf der Arbeitsfläche verteilt wie die Opfer einer Schlacht, aber seit fast einer Stunde schon war niemand mehr in das Besprechungszimmer gekommen um frischen Wein zu bringen - seit das Geschrei zwischen den zwei Parteien eskaliert war, hatten die Burgmägde wohlweislich einen Bogen um den Raum gemacht.
“Nein! Damit würde sich nicht einmal ein Bettler zufrieden geben!” Die scharfe Stimme des Diplomaten von Silendir hallte von den Wänden des Sitzungsraumes wider wie der ferne Donner eines Sommergewitters. Er war ein großer Mann und imposant in seinem Auftreten, aber selbst wenn er ein Gnom gewesen wäre hätte sein cholerisches Geschrei den königlichen Rat trotzdem verunsichert.
Auf der linken Seite des massiven Tisches saßen der Truchsess des Reiches, der zweite Erzpriester der Mithraskirche und schliesslich der neueste Berater des Königs. Alle drei Männer des Rates versuchten bereits seit Stunden nicht auf ihren Plätzen herum zu rutschen, während sie den Anliegen der zwei Diplomaten auf der anderen Seite des Tisches zum wiederholten Male lauschen mussten.
Radek Curtzenwerter, Ritter von Silendir, hatte seine Zeit in der Sitzung bisher damit verbracht, lautstark Protest zu verkünden wann immer ein Ratsmitglied Argumente gegen seine Forderungen vorgebracht hatte. Er war dabei zuvor auch tapfer von seinem Begleiter Lazarus Valke, dem Fürsten des Ravinsthaler Lehens, unterstützt worden. Inzwischen wirkte aber selbst der gesetzte, berechnende Lazarus von dem uneinsichtigen Verhalten Radeks ermüdet und schwieg sich aus.
“Aber edler Sir, wie ich Euch schon seit Stunden zu erklären versuche-”, begann Herga, Erzpriester der Mithraskirche, mit verzweifelter Miene einmal mehr das diplomatische Zerrspiel mit zwei der sechs Lehen des Reiches, das die Konklave 1402 zu Amhran bereits seit den frühen Mittagsstunden beschäftigte. Nicht nur das lodernde Kaminfeuer hatte die Luft im Besprechungssaal an diesem Tag zum Schneiden dick werden lassen.
Radek ließ den Sprecher allerdings nicht einmal den Satz beenden bevor er ihm einmal mehr und mit zunehmender Lautstärke ins Wort fiel. “Nein, sage ich! Es sei erneut verdeutlicht, dass die Reise von Silendir, oder gar Nortgard, den einfachen Gläubigen einfach nicht mehr länger zuzumuten ist! Und warum das Ganze? Weil nicht nur die hoch geschätzten Vertreter Mithras’ auf Erden-”, und damit warf der blonde Hüne dem verstörten Erzpriester einen finsteren Blick zu, “-sich weigern, die weite Reise nach Silendir anzutreten, sondern auch noch verbieten, eigene Kapellen anderswo zu errichten!”
“Edler Sir, ihr müsst verstehen-”, begann die Seligkeit tapfer ein weiteres Mal seinen Versuch, gegen die cholerische Präsenz des Lehensritters anzukommen. Es war ein verlorener Kampf.
Die zwei anderen Ratsmitglieder hatten schon vor einiger Zeit ihre Versuche eingestellt, das Wortduell der beiden Streithähne in eine andere Richtung zu lenken, aber zumindest Hieronymus Lichtenwald, seines Zeichens Truchsess des Reiches und damit höchster Vertreter des Königs, versuchte den Argumenten weiterhin zu folgen. Nicht dass ihm dadurch das Finden eines Entscheids leichter gefallen wäre, aber letztlich fiel es ihm zu, die Sitzung mit einem Entschluss zu beenden, wie auch immer dieser ausfallen mochte.
Die einzige weitere Person, die Hieronymus in seiner Aufgabe unterstützen hätte können, blickte mit abwesendem Ausdruck auf der Miene auf einen Stapel Papiere hinab und schien völlig in seine Lektüre vertieft. Viktor Zornbrecht, Reichsritter und Berater des Königs - und während der Abwesenheit des Königs auch des Truchsess -, verhielt sich schon seit geraumer Zeit so, als sei die gerade so heiß umfochtene Angelegenheit längst erledigt und andere Angelegenheiten auf der Tagesordnung.
“Silendir wird diese Entscheidung nicht dulden!” Der Aufschrei Radeks ließ den Truchsess ruckartig aus seinen gedankenverlorenen Überlegungen hochschrecken. Der Siedepunkt der Sitzung war offensichtlich endgültig erreicht, und ein Einschreiten durch Hieronymus unumgänglich. Wie sich das Gespräch von dem Bau einer Kapelle im fernen Silendir zu der Andeutung eines Aufstands gegen das Königreich entwickelt hatte, entzog sich seinem Verständnis völlig.
“Nun aber langsam, Radek. Es gibt keinen Grund dem Reich zu drohen, und wahrhaft keinen Anlass, von der Abwesenheit des Königs derart aufgeschreckt zu werden.” Die Worte kamen allerdings nicht vom Truchsess, sondern vom anderen Ende des Tischs, und waren untermalt von einer etwas abgelenkten, gelangweilten Note.
Für einen kurzen Moment wurde es völlig still im Raum. Vier schockierte Augenpaare fixierten sich auf Viktor, der immer noch mit aller Seelenruhe durch die Papiere vor sich blätterte.
Diesmal dauerte es etwas bis Radek sich wieder gesammelt hatte und empört knurrte: “Was für eine infame Unterstellung, die Ihr Euch da erlaubt!” Zumindest stellte der Lehensritter aber sein Geschrei ein und ließ sich wieder auf seinen Sitz sinken, als hätte der trockene Einwurf ihm den Wind aus den Segeln genommen. “Das Ansuchen Silendirs hat nichts mit dem Kriegszug des Königs zu tun, oder der Dauer seiner Abwesenheit. Wir bestehen lediglich auf das Recht unserer Gläubigen ihre Riten zeitnah praktizieren zu können, und die Reise nach Löwenstein-”
“… ist schwierig und lange, wir haben Eure Worte schon mehrmals vernommen, edler Sir. Allerdings werdet Ihr als Mann der Politik sicherlich Verständnis dafür aufbringen können, dass der königliche Rat einige Tage Bedenkzeit benötigt, um euer Ansinnen angemessen und mit der Aufmerksamkeit besprechen zu können, die es verdient.” Bedächtig hob der gesetzte Reichsritter den Blick von seinen Dokumenten und richtete die blauen Augen auf den blonden Hünen, als frage er sich warum der Mann immer noch dort saß.
Die zwei übrigen Ratsmitglieder verzogen leidvoll die Miene als Radek einmal mehr tief Luft holte, fraglos um nun auch den dritten Ratsmann mit seinem Gebrüll zurecht zu stutzen, aber diesmal war es dessen Begleiter Lazarus, der einen Eklat verhinderte. “Das klingt mir nach einem vernünftigen Beschluss. Sind drei Tage eine ausreichende Bedenkzeit, Edler Curtzenwerter?” unterbrach der Ravinsthaler frostig den drohenden Ausbruch seines Kollegen. Dem Fürsten stand der Schweiss der Anstrengung und der Hitze auf der greisenhaften Stirn, und auch das gerötete Gesicht ließ Anlass zum Glauben, dass der Ravinsthaler einfach zu einem raschen Ende der Sitzung kommen wollte.
Anstatt den Angesprochenen antworten zu lassen, nutzte Hieronymus allerdings die glückliche Fügung um sich selbst einzuschalten. “Drei Tage sind ein angemessener Zeitraum, hochedler Fürst von Ravinsthal. Bis zu unserer nächsten Sitzung stehen Euch selbstverständlich die Quartiere in der Burg zur Verfügung.”
Im Stillen atmete Hieronymus erleichtert auf. Der Rat hatte durch Viktor Zornbrechts Intervention zwar nur drei Tage gewonnen, aber diese drei Tage konnten Gold wert sein, wenn sie richtig eingesetzt wurden. Insgeheim hatte Hieronymus schon das Schlimmste befürchtet, als er zur Mittagsstunde erfahren hatte, dass diplomatische Vertreter Silendirs und Ravinsthals einmal mehr für eine Audienz erschienen waren, aber mit dieser Bedenkzeit war nun zumindest verhindert, dass überhastete Entscheidungen getroffen werden mussten.
“Damit ist die Sitzung beendet.”
Inmitten der deutlich erleichterten Ächzlaute der Anwesenden blieben nur Viktor und Hieronymus sitzen, während die Anderen sich sogleich erhoben und dem Ausgang zustrebten. Weder Blicke noch Worte wurden getauscht, bis die schwere Eichentüre hinter dem letzten Mann zu fiel, und selbst dann schien Viktor seine Dokumente erst noch für interessanter zu befinden, als seinen direkten Vorgesetzten.
Einige Momente später schloss er die lederne Mappe, wandte sich herum um seinen langjährigen Freund in Augenschein zu nehmen und sprach sachlich: “Ihr seht erschöpft aus, hochedler Truchsess. Vielleicht wollt Ihr das angemahnte Gespräch unter vier Augen ebenso vertagen?”
Kurzzeitig spielte Hieronymus mit dem Gedanken, diesen leichten Ausweg einfach anzunehmen, und sich in der friedlichen Stille seiner Gemächer zu betrinken bis alles vergessen war. Dann aber schüttelte er den Kopf. “Nein. Es gibt einen Grund warum ich dich darum gebeten habe es heute noch zu führen.” Der Wechsel in die vertrautere Anrede fiel ihm zunehmend leichter, nun wo die Streithähne von dannen gezogen waren.
Die darauf folgenden Worte kamen ihm allerdings nur schwer über die Lippen. “Silendir plant etwas, und ich weiß dass du das Selbe befürchtest. Es wäre also nur vernünftig, wenn wir unsere Beobachtungen teilen, und nach Überschneidungen suchen.”
Viktors Reaktion entsprach nicht dem was Hieronymus sich ausgemalt hatte; der Reichsritter schmunzelte nur dünn als würde er nichts Neues hören, nickte sacht und ließ die Hände dann auf seine Mappe sinken. “Ich bin zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Warum sonst sollte Silendir mit jeder Konklave eine neue Beschwerde oder Unpässlichkeit finden, seit der König seine Flotte aus dem Hafen gesteuert hat?” Begleitet von Hieronymus' bedächtigem Nicken erhob Viktor sich und begann auf und ab zu gehen, eine Tätigkeit die den Truchsess durchaus zu beruhigen wusste. Offenbar hatte die Angelegenheit Viktor doch nicht völlig kalt gelassen, und das bedeutete, dass irgendwo hinter der sonnengegerbten, gleichmütigen Miene doch noch der aufbrausende Mann lauerte, mit dem er in seiner Kindheit so viele Tage verbracht hatte.
Indes zählte Viktor stirnrunzelnd auf: “Zuerst die Ausbesserungsarbeiten an der Kupferstraße, dann die Zollabgabensenkung wegen irgendeiner ominösen Kornseuche. Dann noch diese Sache mit der einjährigen Befreiung vom Kriegsdienst wegen einer Epidemie, und nun diese kleinliche Streiterei wegen des Baus einer Kapelle, als hätten die Silendirer nicht seit Jahrzehnten ihre eigene Form der Mithraskirche errichtet.” Er hielt in seinen Schritten inne, wandte sich dem Truchsess zu, und breitete beide Arme aus. “Nenne mich argwöhnisch, alter Freund, aber ich glaube, dass hinter Silendirs offen zur Schau getragenem Ungemach etwas weit Größeres brodelt.”
Hieronymus schwieg jedoch noch einige Momente, während er die Gefahren von Ehrlichkeit gegen die Möglichkeiten abwog. Als Truchsess standen ihm in der Abwesenheit seines Königs dessen verschiedene Gefolgsleute zur Verfügung, und schon seit der letzten Audienz mit Silendirs Vertretern hatte er begonnen, seine eigenen Nachforschungen anzustellen. Die dadurch erhaltenen Informationen waren jedoch heikel und das Risiko eines Verrats bei Weitergabe hoch.
Sein Blick fand erneut zu Viktor, der immer noch wie eine blaublütige Statue im Raum stand und mit aller Geduld auf seine Reaktion wartete. Ein Neffe dritten Grades des Königs, erinnerte der Truchsess sich nun, wo er den Körperbau des Mannes betrachten konnte. Seine Züge waren dem Großvater so ähnlich, stünde er neben der Statue des Königs, man hätte sie glatt verwechseln können.
Mir bleibt keine Wahl, beschloss Hieronymus und wandte den Blick ab.
Seine Stimme gab den Zweifeln jedoch Gestalt, so sehr Hieronymus es zu vermeiden versuchte. “Wie du sicher weißt, benimmt sich Silendir schon seit geraumer Zeit unpässlich”, begann er bedächtig und zögerlich, räusperte sich dann jedoch. Die nächsten Worte kamen zumindest selbstsicherer, wenn auch nicht weniger abwägend. “Gewisse… Stimmen munkeln, dass Silendir den Traum vom eigenen Königreich zu verfolgen plant, nun wo der König schon seit Jahren in einen unsicheren Krieg verwickelt ist. Unter dem Volk in Silendir werden Gerüchte laut, dass der König sich mit seinen Kriegsplänen gegen Indharim vielleicht verzettelt haben könnte.” Wie um die eigenen Worte zu entkräften griff Hieronymus nach seinem Weinkelch, nur um festzustellen dass dieser immer noch leer war. Ein Jammer.
“Von den sechs Lehen Amhrans ist Silendir am ungefährdetsten, sollte Indharim die Flotte des Königs über See schlagen und einen Gegenschlag ausführen; aber Laskandor und die Wildlande hinter den Grenzen des Reichs tragen nicht gerade zu Silendirs Sicherheit bei.” Mit einem tiefen Seufzen stellte er den Kelch wieder zwischen die Dokumente und widerstand tapfer dem Drang sich das Gesicht zu reiben. Stattdessen richtete er sein Augenmerk wieder auf Viktor, der sich inzwischen keinen Deut gerührt hatte und ihn nur erwartungsvoll beobachtete.
“Meine Spione glauben, dass Silendir plant, ein Heer aufzustellen und sich notfalls mit Gewalt vom Königreich zu lösen. Sie wiegeln die Bevölkerung mit Behauptungen auf, die infam sind, und die Audienzgesuche dienen nur dazu sie zu untermauern. Amhran würde ihnen nicht helfen wollen heißt es, wann immer wir eine irrwitzige Bitte ablehnen.”
“Das ist doch verrückt”, warf Viktor nach einigen Momenten der verblüfften Stille ein und brach damit sein eigenes Schweigen. “Wie stellt sich der Fürst von Silendir das vor? Amhrans Lehen beziehen einen Großteil unseres Korns aus seinem Land, und zum Schutz der Grenzen wären mehr Soldaten erforderlich als Silendir jemals aufbringen könnte, selbst wenn sie beginnen, die Wildlande zu besiedeln. In einem Krieg würden seine Geldkoffer schneller geleert werden, als ein Humpen Nortgarder Dunkles.” Obwohl Viktors Miene immer noch voller Gelassenheit war, zeigten seine Augen dessen Verwirrung über die Idee an sich.
“Nicht zu vergessen, dass der Fürst von Silendir ein größeres stehendes Heer gar nicht finanzieren könnte”, ergänzte Hieronymus finster die Aufzählung des Reichsritters, und gab dem Drang seiner Hand endlich nach. Angestrengt rieb er sich die Augen, dann stützte er die Ellenbogen auf den Tisch und die Stirn auf die verschränkten Hände. “Aber darin liegt das Problem. Berichten zufolge hat der hochedle Fürst Falkenstein von Silendir beim letzten Turnier gegenüber den Nortgardern angedeutet, dass er schon bald in Besitz großer Summen von Gold gelangen würde. Offenbar hat er nicht nur vor, sich selbst vom Reich zu trennen, sondern will Nortgards Treue gleich mit kaufen.”
“Nein, solche Summen hat der Fürst nicht. Woher auch? Silendir ist zum größten Teil immer noch Bauernland”, ereiferte sich Viktor sogleich und schüttelte den Kopf, während er abgelenkt den Boden vor seinen Füßen musterte.
Hieronymus konnte sehen wie die Gedanken durch den Verstand des erfahrenen Beraters flogen. All die Fragen, die der Königsneffe sich gerade im Stillen stellte, hatte er selbst bereits dutzende Male selbst durchdacht. Die fehlenden Antworten waren schließlich der Grund gewesen, warum er Viktor überhaupt eingeweiht hatte; der Mann war wesentlich weniger aufsehenerregend als ein reichsweit bekannter Truchsess, und seine Mittelsmänner würden vermutlich auf weniger Widerstand in ihren Forschungen stoßen, als Hieronymus.
“Du hast die Situation recht gut erfasst. Hier kommt nun auch der Moment an dem ich deine Hilfe brauche, Viktor. Wie steht es um deine Loyalität zum Reich?”, sprach Hieronymus nun und fixierte Viktor mit einem durchbohrenden Blick.
Viktor sah zuerst verwirrt auf, dann erschien ein grimmiges Lächeln auf seinen Lippen. “Ich bin nicht nur durch Blut, sondern auch durch Ehre gebunden. Verfüge über mich.”
“Ausgezeichnet”, knurrte Hieronymus erleichtert. “Dann lass uns die Planungen beginnen.”
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Krieg und Frieden - von Erzähler - 07.02.2016, 14:37
RE: Krieg und Frieden - von Erzähler - 09.04.2016, 19:04
RE: Krieg und Frieden - von Erzähler - 12.04.2016, 16:45
RE: Krieg und Frieden - von Einar Ulfson - 10.05.2016, 01:32
RE: Krieg und Frieden - von Arakiel - 21.08.2016, 16:27



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