FSK-18 Das Beste In Uns
#1
Prolog

Das gedämpfte Johlen der Menge, einem Haufen an zweifelhaften Gestalten, deren seelenloser Zweck das Begaffen umso unzweckmässiger Kämpfe war, drang durch die schweren Holztore des namenlosen Gewölbes, an den sich mein Begleiter verkauft hatte. Der schmale Lichtstrahl, welcher durch die schweren Holzpforten drang, die den Kämpfer von seinem Schicksal in der Grube trennten, zeichnete eine dünne auf das bereits Schweiß-benetzte Gesicht des vergleichsweise entspannten Mannes. Hier kämpften vor allem Taugenichtse gegen Tagediebe, die allesamt darauf hofften, einem anderen wertlosen Schatten von Mann überlegen genug zu sein, um sich vom Lohn die nächste Mahlzeit kaufen zu können.

Mein Begleiter hatte den sogenannten Champion der Grube gesehen, der von den wenigen Zuschauern mit nennenswertem Einkommen umso stärker gefeiert wurde, je brutaler er seine Opfer besiegte. Ein blinder König unter den Einäugigen. Man hatte mich wohl für verrückt gehalten, als ich für meinen Begleiter nicht weniger als ein paar gute Handschuhe und etwas rostige Kette zur Verteidigung einforderte - ein Umstand auf den ich gehofft hatte. Also saß er nun dort unten und erwartete das Ende seiner Ankündigung. Der Barde, ein Laie unter den Amateuren, versuchte sich in pompösen Superlativen als er den Unbekannten als Kind der Straße, in Schande gezeugt und im Wald unter Tieren aufgewachsen ankündigte. Sein Schicksal soll von derart düsterer Obskurität gewesen sein, dass er beinahe selbst mit einem Baum verwachsen wäre und dabei seine Seele an die blasphemischen Götzen der Mondwächter verlor und sich nun zum ersten Male wieder der Zivilisation - und damit natürlich dem geleckten Champion der Grube - stellte. Natürlich voll Zorn und Neid auf das, was ihm seine Blutschande verwehrte.
Die Wahrheit über meinen Begleiter war natürlich freilich eine andere. Aber die gestelzt ausgeholten Übertreibungen des Barden brachten die Menge in Stimmung und die Rufe danach, dass der grobschlächtige Liebling der Taugenichtse ihm den Gnadenstoß geben sollte, wurden lauter, tatsächlich sogar ekstatisch.

Die Tore öffneten sich langsam, Dreck rieselte zwischen den riesigen Pforten hindurch, als sie von Helfern aufgezogen wurden. Das fahle Licht des spärlich beleuchteten Untergrundes fiel auf meinen Begleiter, der widerum auf den König der Einfachen und Stolzen blicken konnte. Es war die letzte Nacht in dieser seltsamen Siedlung, die mehr als sonst dafür einstand, dass jedem vordergründig unschuldigen, gottesfürchtigen Mann auch die gleiche Menge an Verderbtheit zustand. Ein Grund mehr für meinen Begleiter, die Inszenierung dieser Feierlichkeit an sich zu reißen und breitbeinig wie breitschultrig die Grube zu betreten, die Arme erhoben um allen zu zeigen, dass er sich dem Gerüsteten nicht unbeugsam stellte.

Die Menge hingegen verstummte und begann ... zu lachen. Sie sah den zwar ansehnlich trainierten Körper des Mannes, der nur in einem Lederschurz bekleidet, die Arena betrat und einzig zur Verteidigung und zum Angriff zwei ebenso lederne Handschuhe trug, um die er das bisschen rostige Kette gewickelt hatte, die man ihm voller Güte gestellt hatte. Mein Begleiter ging bis auf zwei Schritt auf den bisherigen Sieger des Turniers zu, der offenbar selbst glaubte, dass es ein einfaches Unterfangen werden würde.

"Soll das ein Scherz sein?!" rief er in die Menge und blieb mit seinem Blck auf dem Barden hängen. "Du versprichst mir ein Biest, wie es nur der Düsternebel hervorbringen könnte, aber es tritt nur ein kleiner, nackter Mann vor mich?! Eines Siegers unwürdig!" rief der Geleckte, als er sein Schwert erhob und auf meinen Begleiter in dem Bestreben zulief, diesen Kampf vergleichsweise schnell zu beenden. Ob er insgeheim wusste, dass sein Todesbote vor ihm stand und er ihn zu überrumpeln suchte, oder ob er den Kampf in der Tat für so einfach hielt, vermag ich bis heute nicht zu sagen. Doch kann ich wohl bezeugen, dass mein Begleiter die Vorlage gerne annahm und in einer ausweichenden Bewegung am Schwertstoß vorbei seine kettenbewehrten Hände um das Handgelenk des Siegers schloss. Die Bewegung des Siegessicheren erstarb abrupt und bevor sich der Schwertkämpfer eine Alternative überlegen konnte, löste sich eine der Hände, ballte eine Faust und schlug mit den um die Faust gewickelten Kettengliedern in das gestreckte Ellenbogengelenk. Diese kurze Retoure eines Selbstsicherungen Angriffs ließ schließlich die Instrumente meines Begleiters aufspielen, angetrieben durch den Schmerzhaften Schrei des Champions, dessen nun schlaffer Arm nicht nur das Schwert wie ein Spielzeug fallen ließ, sondern sich auch vor Schmerzen zu krümmen begann.
Die Belohnung für so viel Unachtsamkeit wurde indes von meinem Begleiter genutzt, um ihm mit der gleichen Faust, die soeben noch sein Armgelenk durchbrach, frontal und ohne viel Aufhebens in das Gesicht zu schlagen, womit er das aus Blut und unterdrückten, dumpfen Lauten bestehende Crescendo seines kleinen Orchesters freizugeben begann. Der vielleicht nur wenige Sekunden andauernde Kampf hatte der Menge indes den Atem zum Stocken gebracht. Vielleicht, weil nun eine Menge Wettgelder vom Buchmacher eingestrichen werden würden, vielleicht aber auch weil niemand ernsthaft damit gerechnet hatte, dass der Kampf so schnell vorbei sein würde, wie er begonnen hatte.
Der einstige Sieger sackte zu Boden, während die noch immer am Armgelenk haltende Hand den zum Opfer werdenden Körper beinahe väterlich im Sand rücklings bettete. Mein Begleiter setzte sich in einer endlos langsamen und gedehnten Bewegung in Reiterposition auf den Einfachen und Totgeweihten, begleitet vom stetigen, rauschhaften, schweren Ausatmen eines bis zum Anschlag gespannten Körpers.
Die Grube indes, war still geworden. Jeder wusste, was nun kommen würde und doch keiner wahr haben wollte. Als wollte er der Menge sagen "Seht, mit welch einfachen Werkzeugen ich in Eurer Mitte unbehelligt töten kann", reckte mein Begleiter seine kettenbewehrten Handschuhe in die Höhe, bevor die erste Faust in das Gesicht des einstigen Siegers einschlug und eine Explosion aus Fleisch und Zähnen freigab, nur um sich kurz darauf unter dem kraftvollen Grunzen des Begleiters mit der anderen Faust abzuwechseln.
Schlag um Schlag schenkte er dem einstigen Sieger eine Verwandlung von Mensch zu Klumpen, von Seele zu Fleisch und erhob sich schließlich vom verflissenen König der Grube, nachdem das Leben seinen Leib vollständig verlassen hatte.
Der Oberkörper hob und senkte sich stetig unter der zweifelsohne anstrengenden Arbeit, die darin bestanden hatte, zu Tode zu bringen, was schon längst überfällig gewesen war. Rinnsale aus Blut und Schweiß zeichneten die Konturen des Monsters der Straße nach, als der neue Sieger der Grube einen gellenden, brüllenden Schrei von sich gab - das letzte Testament der Verblichenen dieses nun ungeweihten Sandlochs.

Erst als dieses groteske Schauspiel endete, begann langsam wieder Leben in die Menge einzukehren. Während die einen den Buchmacher zu überzeugen suchten, dass sie eigentlich auf den Unbekannten wetten wollten und es sich wohl um einen Fehler handeln musste, strich mein Begleiter seine Münze ein und bezahlte von einem guten Teil eine der Huren des Hauses, welche er triebhaft und ohne Liebe nahm, ohne einen Tropfen Wasser vorher an seinen Körper gelassen zu haben. Wenngleich er dem käuflichen Frauenkörper zweifelsohne lustvolle Momente standfester Männlichkeit schenkte, die freilich auch außerhalb des dreckigen Zimmers zu hören war, in dem der Getriebene seinem Laster nachging, so würde sie später berichten, dass sie diese lustvollen Momente niemals wiedererleben wollte, waren sie doch von der Angst begleitet, er würde auch töten, nachdem er sich ergossen hatte.
Es war nicht schwer herauszufinden, dass diejenigen, die von dem Treiben unter der Erde der Siedlung wussten und es noch in dieser Nacht galt, abzureisen.

"Keine Hexen und auch sonst keine Absurditäten." sagte ich, als wir unseren Weg durch die Lehen fortsetzten. Mein Begleiter schnaubte. "Manch' einer hätte die ganze Nacht als absurd bezeichnet."
"Absurd. Ja. Aber es waren nur Menschen. Wir haben noch immer keine Sagenkreatur und auch keine finsteren Götzendiener gefunden." erwiederte ich. "Geduld." drang die tiefe Männerstimme meines Begleiters an mein Ohr. "Wir finden sie."

[Bild: 3264_5.jpg]
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Das Beste In Uns - von Gast - 08.12.2015, 18:40
Das Beste In Uns Pt. 2 - von Gast - 10.12.2015, 12:09
Das Beste In Uns Pt.3 - von Gast - 14.12.2015, 17:40



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