Questbeschreibung Ravinsthal
#1
Der Thronsaal war in mattes Zwielicht gehüllt, wie es sich jeden Sommer auf Burg Rabenstein ausbreitete, wenn der Fürst den Befehl gab alle Feuer innerhalb der innersten Mauern zu löschen, und selbst der Küche zumeist nur kalte Gerichte abverlangte, die im Freien vorbereitet werden konnten. Fürst Valkes Abneigung gegen Hitze, und die Bereitschaft, alles dazu zu tun diese aus seinem Wohnbereich fern zu halten, waren weithin bekannt, sorgten allerdings jedes Jahr aufs Neue dafür, dass sich eine ominöse und unruhige Stimmung in der Burg ausbreitete.
Die Schreiber fürchteten den Sommer, und nur Lupine, die vierzigjährige, rundliche Ministerialin des Fürsten, hatte diese Furcht überwunden und den Baron um einen Sonnenplatz für ihre Schreibarbeiten gebeten. Der Rest war von ihrer Ehrfurcht vor dem Fürsten zu sehr verschüchtert worden, um Sonderwünsche zu äußern. Der Sommer war keine gute Jahreszeit für die Lesbarkeit der Ravinsthaler Archive.
Dem edlen Baron Jonas Versin von Thalweide schien es ähnlich zu ergehen wie den Schreibern; beunruhigt und nervös stand er im Dämmerlicht des unzweifelhaft angenehm temperierten Thronsaales und versuchte nicht allzu offensichtlich den Blicken des Fürsten auszuweichen. Sein Erfolg hierin konnte als bestenfalls mäßig bezeichnet werden.
Fürst Lazarus Valke von Ravinsthal war ein hagerer, hochgewachsener Greis, der den Thron seines verblichenen Vaters mit zunehmendem Alter kaum noch auszufüllen vermochte. Wäre da nicht die Aura von Macht, Ausstrahlung und Wille gewesen, keiner hätte den bald siebzigjährigen Mann noch für einen geeigneten Fürsten gehalten. Die Altersblässe vertiefte die Schatten um die Falten nur noch, Altersflecken zogen sich über seine Hände, den Hals und gar das Kinn, aber die hellgrauen Augen vermochten sich immer noch bis zur Blase eines vorgeführten Schandtäters zu bohren und diese zur Inkontinenz anzuregen.
Nicht dass Jonas etwas falsch gemacht hätte. Jonas war überzeugt davon, dass er keinen Fehler gemacht hatte, denn für Fehler musste man überhaupt erst einmal Initiative zeigen, etwas das der Baron von Thalweide mied wie der Pastor die Keuche.
Warum also war es so schwer, dem Fürsten gerade in die Augen zu blicken?

"Erzählt mir erneut, von der Thalweide, was genau der Passwächter getan hat," forderte der Fürst nun mit seiner scharfen Stimme, und zwischen den üblichen Falten auf der Stirn bildete sich eine weitere, steilere Falte, ein sicheres Anzeichen für seinen Unwillen ob der Notwendigkeit, des Barons eigenes Anliegen aus seiner Nase zu ziehen.
"Nun, Exzellenz, ich kann mir natürlich nicht vollkommen sicher sein, und beileibe bin ich nicht hier um euch meine Angelegenheiten regeln zu lassen," log Jonas mit der üblichen anbiedernden Weise vor sich hin. Natürlich wollte er, dass der Fürst seine Probleme für ihn löste, immerhin konnte er diese ja nur schwer selbst lösen, und gleichzeitig neue Wege finden sich selbst in dem Licht glänzen zu lassen, das er verdient hatte.
"Aber ich habe meine eigenen Spione, und diese berichten mir, dass der Passwächter einen Krieg mit Servano anzustiften versucht, ganz bewusst gegen eure Weisung. Und um seine Absichten zu vertuschen, hat er Thalweider Bürger als Sündenböcke heran gezogen. Die Götter allein mögen wissen, was Servano über meine Baronie und euch inzwischen denkt!" Nun gut, der besagte "Bürger" war keinesfalls Bürger gewesen, sondern eher einer der Kriminellen die eigentlich auf der Liste der Vogelfreien notiert gewesen waren, aber Tores Gulden hatten Jonas rasch davon überzeugt, ihm gnädig zu vergeben. Und nun hing ein Leichnam mit Tores Kleidung an einem Baum, und alles deutete darauf hin, dass der neu errungene Strom von Gulden mit ihm erdrosselt worden war.
Des Fürsten schlechte Laune war für jeden im Thronsaal sichtbar, denn er bewegte sich keinen Fingerbreit aus der erhabenen, aufrechten und reglosen Sitzhaltung. Die Stille war stets das schlechteste Zeichen für den Bittsteller, vor allem im Sommer, wo die stetige Dunkelheit die fürstliche Miene sowieso schon um soviel finsterer wirken ließ.
Die Stille streckte sich bis zu dem Punkt, an dem Jonas den Fürsten am liebsten angeschrien hätte er möge doch endlich etwas sagen, und darüber hinaus, bis das leise Rascheln von Kleidung und das Knirschen von nervösen Fußsohlen auf dem Steinboden den Raum wie Geflüster eines Waldes im Wind erfüllte.
"Der Passwächter war sehr eilig damit, mir zu versichern dass er selbst von den Taten an der Grenze genauso empört ist, wie er es mir andichten wollte," sprach der Fürst schließlich, und seine Stimme klang schneidend. "Nun seid ihr, von Thalweide, ähnlich bemüht darum, mir zu versichern dass ihr empört seid. Zwei Baronien, die einander die Schuld geben, aber nichts dazu tun die Lage zu beruhigen. Und von Servano her dringt keine einzige Meldung zu mir vor, es ist gar völlig still in dem Königslehen, das mit seinem Briefverkehr den halben Thalwald schleifen könnte."
Langsam, ganz langsam spannten die Finger sich um die antiken, rabenbeschnitzten Lehnen des Thrones, als der Greis sich stückweise vorlehnte, weit genug um sein hageres, farbloses Gesicht in einen verirrten, fröhlichen Strahl Sonnenscheins zu bringen, sodass die stechenden, grauen Augen wie tote Knöpfe aufglommen. "Wie kommt es, von der Thalweide, dass ihr und der Passwächter euch so überschlagt darin, mir zu versichern wer nicht schuld daran ist, was gerade passiert, aus einer Aneinanderkettung von Unglücken aber auch keinen Schuldigen zu finden vermögt?"
Die Frage schlug wie ein Donnerschlag in den Raum ein, und wo es zuvor noch Anzeichen von Leben durch die Wachen und die bereitstehenden Schreiber gegeben hatte, da verstummte nun selbst das Rascheln der Kleidung, sodass Jonas' angestrengtes Atmen für sich alleine durch den Saal hallte.
Für einen kurzen Moment überlegte der Baron, die Schuld auf seine Silendirer Gäste zu schieben, aber angesichts der Tatsache dass diese sich bisher vorbildlich verhalten hatten und sogar auf die Anwesenheit eines Priesters des Mithras verzichteten, um keinen Unmut zu erregen, - und natürlich Angesichts der Tatsache dass sie schwer bewaffnete Truppen vor seiner Burg stehen hatten, die ihren Missmut mit Klingen verdeutlichen konnten - verdrängte er den Gedanken schnell wieder.
Alles wäre soviel einfacher, wenn der alte Fürst einfach endlich zurück zu den Göttern gehen würde, aber diese Hoffnung hatte Jonas für die nahe Zukunft bereits wieder aufgeben müssen.
"So gesehen, hochedler Fürst, Exzellenz, habt ihr natürlich recht," haspelte er stattdessen dahin. Es galt Zeit zu gewinnen, und sich aus der Misere zu retten bevor er tiefer in etwas gezogen wurde, das nach fehlgeschlagenem Komplott schmeckte. "Statt euch weiter zu behelligen, werde ich mich darum sputen, der Sache auf den Grund zu gehen."
"... und mir Bericht erstatten," schnitt des Fürsten Stimme durch die gestammelte Versicherung, scharf genug dass Jonas für einen Moment unwillkürlich die Knie zusammenkneifen musste.
"Und euch Bericht erstatten, natürlich, Exzellenz. Verlasst euch ganz auf mich," versicherte Jonas und rundete die Worte nur zur Sicherheit mit einer Verbeugung ab, bereit sich abzuwenden.
"Von Thalweide, wenn ihr in einer Woche keinen Schuldigen gefunden habt, komme ich suchen. Ihr wollt nicht, dass ich eure Baronie mit diesem Ziel betrete, hört ihr?" schnarrte die Stimme des Fürsten über sein geneigtes Haupt hinweg, und ließ ihn die Verbeugung noch vertiefen.
"Natürlich, mein Fürst. Eine Woche, mein Fürst," wiederholte er, trat verbeugt drei Schritte zurück und wandte sich eilig ab um den Saal zu flüchten.
Die einzige Frage die Jonas Versin von Thalweide sich beim fluchtartigen Gang aus der Burg Rabenstein noch stellte, war jene, ob eine Warnung an den Passwächter ihm ein paar Gulden einbringen konnte, oder aber ihn eines Schuldigen berauben würde.
[Bild: _rainbowsheep.gif~c100]
Klick mich!
(jetzt wirklich)
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Ravinsthal - von Arakiel - 02.08.2015, 22:31
RE: Ravinsthal - von Arakiel - 13.08.2015, 12:04
RE: Ravinsthal - von Arakiel - 13.08.2015, 17:07



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