FSK-18 Familiengeheimnisse
#6
[Bild: jr2o-3v-c0fd.jpg]

„Reich mir das Gewand dort!“ Der Zeigefinger deutete auf den Herrendiener, der sich rechts außen befand. Die Kleine zupfte kurz den Saum des eigenen Kleides zurecht und eilte hinüber zu dem Ständer. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und zog es bedächtig von dem glatten Holz herab, wobei sie mit den Fingerspitzen bewundernd den feinen, hauchdünnen Stoff befühlte. Sie liebte diesen Stoff, denn er war nicht einfach nur etwas Besonderes, sondern auch etwas ganz besonders teures. Ihr Vater stellte ihn selbst her und auch nur er. Kein anderer durfte dieses extrem aufwändige und schwierige Verfahren durchführen. Nicht die Gesellen und schon gar nicht die Lehrlinge. Erst recht nicht sie. Zumindest noch nicht, auch wenn sie ihm dabei schon oft zusehen durfte. Die Wolle wurde doppelt so lange wie ursprünglich gewässert, bis sie ganz weich und hell wurden. Dann wurden sie mit einem bestimmten Kantholz über Stunden, manchmal sogar Tage geschlagen, bis sie sich in ganz feine, dünne Fäden auftrennen ließen und der Zartheit von Spinnenseide glichen, mit der die Achtbeiner ihre filigranen Netze webten. Daher konnte der Stoff dann auch nicht auf dem großen, schweren Webstuhl gewoben werden, sondern sie wurden an einem speziell dafür angefertigten, Tischgroßen Webrahmen vorsichtig durchgezogen und ebenso behutsam festgeklopft. So entstand der regelrecht durchsichtige Stoff, den sie Fynia gerade heranreichte. Diese streifte den schmeichelnden Stoff über und betrachtete sich im Spiegel. Die Augen des Mädchens wurden noch ein Stück größer.

Das Gewand verbarg nichts. Wirklich absolut gar nichts. Sie sah durch den Stoff die dunklen Brustwarzen schimmern und auch das Dreieck ihrer dunklen Scham zeichnete sich deutlich sichtbar ab. Dabei war der Ausschnitt so spitz und vor allem tief geschnitten, dass er nur knapp in der Mitte zwischen den wohlgeformten Brüsten der Frau herabführte, ohne sie wieder gänzlich zu entblößen. Als Fynia den Blick des Kindes gewahr wurde, begann sie zu lachen.
„Siehst du! Das meinte ich.“ Sie deutete auf den Schemel. „Setz dich Mädchen!“ Die Stimme hatte trotz ihres Lachanfalls und der dabei entstandenen Tränen, die sie mit dem Handrücken nun fortwischte, nichts an der vorhergehenden Schärfe verloren und der Kleinen war klar, dass es auf ganz Amhran wohl niemanden gab, der sich dem widersetzen wollte oder konnte. So nahm sie folgsam den Hocker und setzte sich zu ihr, wo sie immer wieder verstohlen einen Blick auf das Spiegelbild der Edlen wagte.

Diese saugte kurz an ihrer Unterlippe und hob leise an zu sprechen:
„Man kann sie sich so leicht gefällig machen. Das senken der Lider im rechten Moment, ein verlegenes Lächeln und erröten. Im Nu‘ sind sie dir verfallen. Die Armen wie die reichen unterscheiden sich in einem nicht – Sie sind Männer. Mein Mann zum Beispiel. Er denkt bis heute, dass jede unserer Begegnungen zufällig waren. Er glaubt tatsächlich immernoch, er würde alles lenken. Seine Macht ist meine Macht und er merkt es nicht einmal. Jede Idee die er äußert, habe ich ihm wie Medizin unbemerkt eingeflößt. Die Kunst der Verführung liegt darin ihm langsam aber sicher die Kontrolle zu nehmen, ohne dass es ihm jemals bewusst sein wird. Eine Marionette in meinen schönen Fingern. “ Fynia lächelte dem Kind über ihre Spiegelbild hinweg zu und betrachtet bei den Worten ihre eigene Hand.

„Irgendwann sind sie unfähig ohne dich zu leben. Sie brauchen dich wie die Luft zum atmen und dann ist es Zeit für das Spiel. Seine Schwächen sind Ansatzpunkte für den Hebel der anderen. Seine Entscheidungen helfen jenen und vernichten die anderen…und was denkst du wohl wer denen das auch wieder einflüstert? Intrige mein Mädchen…Intrige und Schönheit sind der ebenste Boden der Macht und der einfachste Weg.“

Die Kleine wand sich innerlich. Das klang furchtbar. Das klang falsch. Diese schöne Frau war eine giftige Schlange in ihrem Inneren und dennoch faszinierten ihre Worte sie. Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten, doch das durfte sie nicht. In diesem Moment empfand sie das erste Mal in ihrem Leben Ekel vor sich selbst. Sie hörte sich selbst die Worte formulieren, doch klangen sie fremd, wie aus weiter Ferne, als würde die Stimme nicht zu ihr gehören:

„Es ist ein Spiel? So...wie mit Puppen?“

Fynia wirkte einen Moment unschlüssig ob sie lachen oder sie schelten sollte, doch dann wurde ihr Blick nachdenklich. „Ja…ja…du liegst gar nicht so falsch meine Kleine! Es ist ein Spiel mit Puppen, nur ist ein viel größeres Puppenhaus und natürlich viel größere Puppen. Du allein, kannst die wichtigste Puppe sein, indem du vernichtest, indem du jemanden ruinierst, oder betrügst und dir mit nur ausreichend Geduld das nimmst, was du allein möchtest, bis du die einzige Puppe bist, die mit nichts und niemanden auch nur irgendetwas teilen musst. Das Einzige was dich zwischen ganz unten und ganz oben trennen vermag, ist dein überflüssiges, schlechtes Gewissen. Ja, es ist so unglaublich überflüssig und ich frage mich, wann Menschen das endlich begreifen. Es hilft niemanden - nicht denen bei den der Schaden angerichtet wurde und noch weniger dir selbst.“ Sie ließ das durchscheinende Gewand wieder von der Haut gleiten und griff nach einem bestickten, leichten Leinenkleid.

Dem Kind wurde schlecht. Sie wollte niemals so sein, wie diese unsagbar schöne Frau vor ihr, mit dem Herzen voller Gift. Wieder zerbrach etwas in ihr und sie wusste, dass es niemals heilen würde. Doch sie stellte die Frage, diese eine, die wohl die wichtigste war in der bisherigen Unterhaltung:

„Bist du diese einzige Puppe Fynia?“
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Familiengeheimnisse - von Carmelina Tartsonis - 09.07.2015, 18:43
RE: Familiengeheimnisse - von Carmelina Tartsonis - 05.10.2015, 17:53



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