FSK-18 Familiengeheimnisse
#2
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Herron hatte seine Hand von der ihren gelöst, während die Kleine immer noch mit ihren großen, runden Augen fasziniert auf die exorbitante Kutsche blickte. Natürlich hatte sie schon andere Kutschen gesehen, doch die wenigstens waren so vollständig geschlossen wie jene und schon gar nicht so hübsch. Das dunkle, gewachste und polierte Holz glänzte in der hellen Sonne und zarte, stilvoll gemalte Ornamente zierten den Rahmen und die Fenster. Unbewusst wischte sie die feuchten Fingerchen an ihrem Kleide ab, als sie auch schon die Hand ihres Vaters im Rücken spürte, wo sie sanften Druck ausübte und ihr somit andeutete sich in Bewegung zu setzen. Sie machte zwei unsichere Schritte nach Vorne und reckte die Hand mit dem Strauß in die Höhe. Sie spürte wie das Sonnenlicht auf ihrem Ärmchen brannte, dennoch senkte sie jenen nicht, sondern begab sich einen weiteren Schritt nach vorn, auf die Kutsche zu. Knechte eilten mit großen, hölzernen Eimern voll frischem, klarem Wassers aus dem Brunnen heran und hoben sie pflichtbewusst vor die Nüstern der Pferde. Der Kutscher rutschte von seinem Bock und mit einem dumpfen Laut landete er mit seinen schweren, ledernen Stiefeln auf dem Weg, was mit einer aufwirbelnden Staubwolke belohnt wurde. Mit teilnahmsloser Mimik klopfte er sich das Wams ab, klappte die Treppe unter der Türe aus und öffnete sodenn pflichteifrig die leise, knarrende Kutschentür. Flüchtig flatterte durch den Luftzug der kurze, beige Vorhang am Fenster auf und sank lautlos wieder herab. Stille legte sich über das Geschehen, durchbrochen von dem gierigen Schlürfen der durstigen Pferde. Es war, als würde selbst die Welt um sie herum erwartungsvoll die Luft anhalten.

Unermüdlich hielt sie den Blumenstrauß der offenen Türe entgegen und spähte neugierig in das dunkle Innere. Doch nichts war zu sehen. Nach einer scheinbar endlosen Weile, ging ein Schaukeln durch die Kutsche und das erste was sie erspähen konnte, war ein heller, fein verzierter Damenpantoffel, der Halt auf der obersten Stufe der Kutsche suchte. Es folgte auch sogleich der Zweite und sie erblickte den gewellten Saum eines langen, schweren Rüschenrocks in einem dunklen Tone. Ihr Blick wanderte an der Dame höher, deren Silhouette nun den Türrahmen ausfüllte. Für das junge Mädchen wirkte sie riesig, auch wenn sie vielleicht gerade einmal 170 Finger maß und einfach nur wunderschön. Ihre Haut war blass, nahezu weiß wie unberührter Schnee im Winter. Den Körper eingehüllt in einem weinroten, auf den Leib geschneiderten Leinenkleid mit derart komplexen Stickereien und Borten bestückt, wie sie es selbst in der Schneiderei ihres Vaters noch nie erblickt hatte. Um die schlanke Taille, war ein Leinenmieder geschnürt, im gleichen hellen Farbton wie der ihrer Schuhe. Ihren Hals zierte eine breite, silberne Halskette mit einem etwa drei Fingerbreit großen, saphirbesetztem Medaillon, welches zwischen den beiden ausgeprägten Schlüsselbeinen ruhte. Die Augen über den markanten Wangenknochen glänzten in demselben intensiven Blau wie Edelsteine ihres Kolliers, welche ebenfalls an ihrem Ohrschmuck zu finden waren. Ihre Ausstrahlung war von einer derart kühlen Eleganz, dass sie das Mädchen beinahe vollständig einschüchterte, die nur noch durch den strengen Blick des Vaters, den sie in ihrem Rücken spürte, aufrecht gehalten wurde.

Diese Frau wusste sehr wohl ob ihrer Wirkung auf andere, was ihre selbstbewusste und stolze Haltung bewies.

Als sie endlich Schritt für Schritt das Ende der kurzen Treppe erreichte, senkte sich allmählich das Augenpaar auf das Mädchen. Endlich kam Regung in die Miene der Dame. Der Blick unter ihren unglaublich langen Wimpern wurde weicher und auch die rosé farbenen Lippen formten nun ein dezentes, würdevolles Lächeln. Mit der rechten Hand raffte sie den Saum etwas auf und sank ein wenig in die Hocke um dem Mädchen den Straß aus der müde werdenden Hand zu nehmen. Als Krönung jedoch, beugte sie sich noch ein Stück herab, um ihr einen warmen, weichen Kuss auf den Scheitel zu setzen.
„Danke mein Kind“ Raunte sie ihr mit einer, tiefen wohlklingenden Stimme zu, die völlig im Kontrast zu ihrem kühlem Äußeren stand. Dann richtete sie sich wieder auf, ergriff das feuchte Händchen der Achtjährigen und wand sich mit jener an ihrer Seite Herron zu, der unauffällig näher getreten war um sie mit einer höflichen Verbeugung zu begrüßen. „Herzlich Willkommen in meinem bescheidenen Heime, Edle Finja Burgwald!“ Seine Stimme klang sicher, kein Zaudern oder nervöses Schwanken im Tone. Er klang tatsächlich wie immer, wenn er seine Kunden begrüßte. Beschwichtigend winkte die edle Dame in einer grazilen Bewegung ab. „Richtet euch auf guter Mann, ich erwarte heute keinerlei Gebaren, ist mein Aufenthalt doch vertraulich und ich möchte keinerlei Aufsehen erregen.“ Verdutzt sah die Kleine sie an. Selbst in ihrem Alter begriff sie die Farce jener Worte. Abgesehen von der prunkvollen Kutsche, würde allein die Präsenz der Edlen sie mehr verraten, als ihr vielleicht lieb war. Aber vielleicht neigte der Adel ja nicht zu solcher pragmatischer Denkweise? Sie sah zu ihrem Vater auf, doch sein mahnender Blick zwang den Ihren wieder zu Boden. Die Hand der Frau drückte sanft die des Mädchens. „Ist dieses zauberhafte Kind eure Tochter?“ Das Kind wagte nicht aufzusehen, doch erahnte sie das Nicken des Vaters. „In der Tat meine edle Dame, dies ist meine Tochter und mein Lehrling.“ Das leise, melodische Lachen, welches dann ertönte, wirkte ehrlich erheitert. „Soso euer Lehrling und das in diesem zarten Alter? Doch werdet ihr mir hoffentlich vergeben, dass sie diesen Wert für mich nicht darstellt. Stattdessen will ich euch jedoch bitten, sie mir für die kurze Zeit meines Aufenthalts als Zofe zur Verfügung zu stellen.“

Diesmal schwankte die Stimme des Vaters einen Deut, jedoch so schwach, dass nur ein nahestehender es wohl erkennen mochte. Allerdings wohnte ihr keinerlei Nervosität inne, sondern gar Erleichterung. „Wie ihr wünscht edle Dame, sie wird euch nicht von der Seite weichen.“ Das kleine Herz des Mädchens pochte schnell, dennoch fühlte auch sie, wie es ihr leichter darum wurde.

Die erste Hürde, ward genommen.
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Familiengeheimnisse - von Carmelina Tartsonis - 09.07.2015, 18:43
RE: Familiengeheimnisse - von Carmelina Tartsonis - 27.07.2015, 21:57



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