Auf die Nortgarder Art
#1
Sie war kein Mädchen aus Stein. Natürlich war er hübsch anzusehen, mit seinem langen, blonden Haar, dem ausdrucksstarken Gesicht und dem ersten Ansatz eines später vermutlich beeindruckenden Bartes. Er würde ein Mädchen einmal sehr glücklich machen. Aber dieses Mädchen wäre nicht Helga. Es kam ihr vor als hätten ihre Eltern Björn Holmgaard vor ihr präsentiert kaum das Halvar aus dem Haus war. Sein Bett war noch warm gewesen, die Türe gerade hinter ihm zugefallen, da verkündeten sie den Besuch des jungen Erben. Und nun saßen die beiden voreinander. Beobachteten sich, loteten die Situation aus und liesen die Erwachsenen reden. Sie sollten im Sommer verheiratet werden und beiden Familien Enkel und Ehre bringen. Warum jetzt? Sie war nicht bereit für so etwas. Das Mädchen war gerade 17 Winter alt und sie hatte Pläne. Anders als ihre Schwestern und Freundinnen wollte sie mehr als Heim und Herd. Doch sie ließ die Prozedur über sich ergehen. Und als Björn anfing zu sprechen, bekam sie es mit der Angst zutun. Nicht seine Grobheit war es die sie fürchten lies. Sie kannte die Gerüchte über ihn. Eine Vorliebe für kleine Bauernmädchen hatte er und er war wohl keinesfalls zimperlich mit ihnen. Von blauen Flecken war die Rede gewesen. Doch das war es nicht was ihr Sorgen bereitete. Es war das was aus seinem Mund kam. Er war so stumpf wie ein servanoer Schwert. Dieser hübsche Bursche da vor ihr, der reihenweise Mädchen zum schwärmen brachte war der vermutlich dümmste Mensch Nortgards. Und sie sollte ihr Leben mit ihm verbringen! Hilfesuchend sah sie zu ihrer Frau Mutter doch diese schien völlig begeistert. War ja klar.
Die restlichen Worte dieses Abends hörte sie nicht mehr. In ihrem Kopf ratterte es unermüdlich. Wie konnte sie ihn loswerden? Sich aus dieser Geschichte winden? Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken ihn umbringen zu lassen, bis ihr selbst auffiel wie lächerlich diese Idee war. Ab und an plätscherten die Worte die er sprach zu ihr durch. Es bereitete ihr fast körperliche Schmerzen diesen Müll mit anzuhören. Seine Kinder würden stumpf und dämlich wie Höhlentrolle sein.
"Wollen wir vielleicht einmal gemeinsam ausreiten?", hörte sie sich selbst fragen. "Nur wir zwei. Um uns etwas besser kennen zu lernen. Ich denke Björn wird gut auf mich acht geben können. Was meinst du Mutter?" Sprach sie da mit honigsüsser Stimme. Oh, das konnte sie gut. Ganz das brave Bürgertöchterchen.

Der Ausritt selbst war traumhaft gewesen. Die tiefen,satten Tannenwälder der Umgebung - der Forst den ihre Familie verwaltete - Helgas Jagdrevier. Sie kannte es besser als ihre Kammer daheim. Im Hintergrund erhob sich das Gebirgsmassiv Nortgards. Tauchte immer wieder am Horizont auf, so eine Lichtung im Wald es zulies. Es wäre ein wundervoller Tag gewesen wäre Björn nicht dabei gewesen. Er protzte permanent von seinen Jagdfalken - natürlich nicht selbst abgerichtet - und wie er Diesen und Jenen Zweitkampf bestritten und natürlich gewonnen hatte. Es ließ sie innerlich erschaudern wie niedrig sein Horizont war. Ein anständiges Gespräch war nicht zu führen. Sie kamen letztendlich dort an wo sie ihn haben wollte. Die ersten Ausläufer des Hochgebirges schufen diese Anhöhe, die sich, neben der Hütte die dort stand, klippenartig in ein Tal ergoss. Ein schöner Ort. Man hatte von gier aus einen wundervollen Ausblick auf die Zwillinge und das ließ sie für einen Moment an ihren Zwilling denken. Sie hatte das richtige Pferd, den richtigen Ort und die richtige Zeit ausgewählt. Mit ihren langen Beinen schwang sie sich gekonnt aus dem Sattel. Björn folgte ihrem Beispiel. Ein einziger Fehler und es war vorbei. Der arme Tor dachte er kenne die Absicht dieses Ausflugs. Er dachte sie würde auf ihn fliegen, wie die anderen Weiber. Als wolle sie genauer wissen, mit wem sie sich da verbinden würde.
Er ging schneller zur Sache als sie dachte. Er trag zu ihr, griff ihre Oberarme. Ein wenig zu fest. Es schmerzte doch sie schluckte es runter. Seine wohlgeformten Lippen drängten auf ihre zu. Ihr erster Kuss. Es war verwirrend, aufregend und widerlich zugleich. Sie ließ es einige Momente über sich ergehen, wärend seine Finger ihre Spuren an ihren Armen hinterließ. Irgendwann wurde es ihr zu viel. Wie er sich näher an sie schob, seine Zunge in ihren Mund fahren ließ und dann eine seiner groben Hände an ihren kleinen Busen legte und zudrückte. Sie hätte kotzen können.
Ihre rechte Hand tastete nach dem Hengst in ihrem Rücken, der gerade noch friedlich graste. Sie riss sich von Björn los. Erregte Röte und eine wilde Mischung an Emotionen im Gesicht sah sie ihm für einen Moment in die Augen. Er sah hungrig aus. Mit dem kleinen Messerchen stach sie ihrem Pferd in die Flanke. Ein erschrockenes Wiehern war zu hören. "Vorsicht!" Rief sie ihm viel zu spät zu. Wärend sie sich geschickt zur Seite drehte, trat ihr Hengst aus. Und er traf wo er treffen sollte.

Es gab eine riesen Aufregung als der Erbe des Pelzhändlers zurück nach Hammerhall gebracht wurde. Seine Männlichkeit war dahin verschiedenste Heiler sahen sich den jungen Burschen an, doch niemand konnte ihm helfen.
Helga musste ihn nun nicht heiraten. Er würde keine hübschen, blonden Enkel mehr zeugen können.

Er war der Erste. Aber nicht der Letzte. In regelmäßigen Abständen wurden ihr neue potenzielle Ehegatten vorgestellt und sie hatte es von da an immer wieder geschafft sich aus diesen Arrangements zu schummeln. Und es ging ihr gut dabei. Sie ignorierte die Worte der Anderen. Das eiserne Fräulein. Die trockene Helga. Branwens Schande. Es prallte an ihr ab.
Sie war, was sie war. Sie hatte ihre Ziele und Wünsche. Und sie hatte ihren Bruder. Mehr brauchte sie nicht.
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Auf die Nortgarder Art - von Helga Bjarnifjord - 08.07.2015, 12:03



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