FSK-18 Der erste Schritt
#3
In der vergangenen Nacht…

Endlich war der Neumond gekommen - die Nacht des Neubeginns, ideal für seine Zwecke. Mit Axts Hilfe hatte er einen geeigneten Ort gefunden, an dem er das Ritual ungestört vollziehen konnte: Ein Talkessel, nur über verschlungene Pfade erreichbar, und sicherlich kein Ort, der nächtliche Besucher anlocken würde. Kyrthon, nur in eine leichte Robe gehüllt, war gerade dabei den letzten Abschnitt der Vorbereitungen abzuschließen und das ganze nochmals im Schein des fast heruntergebrannten Lagerfeuers in der Nähe eingehend zu betrachten.

In der Wiese hatte er einen großen, drei Schritt durchmessenden Kreis aus Salz gezogen – es sollte dabei jeglichen verunreinigenden Einfluss auf die Sendung abhalten. Innerhalb hatte er drei Finger breit ein Hexagramm aus weißem Kreidestaub gezogen, dessen Ecken die Innenseite des Salzkreises berührten. Das Hexagramm sollte die Sendung ermöglichen, stand es doch für das Prinzip der Verbundenheit von „oben“ und „unten“: Alles was sinnbildlich im Ritualkreis geschah, würde mit der Sendung auch ans Ziel außerhalb gelangen. Die weiße Kreide war dabei Sinnbild für den unbefleckten, reinen Ausgangspunkt des Rituals, welcher später mit der Emotion befüllt werden würde. Das Hexagramm war nach Westen hin angelegt - der Richtung der Emotionen - und ausgehend von dort befanden sich abwechselnd eine Räucherschale mit Schlafmohn - dessen Wirkung den Effekt der Sinneswandlung fördern würde – und eine dicke schwarze Kerze als Symbol der geplanten Verstärkung der Emotionen. Im exakten Mittelpunkt des Hexagramms schließlich befand sich die blutbefleckte Kerze auf ihrem schwarzen Tuch stehend, welche sowohl Anker für die Sendung, als auch Symbolisierung des Rituals war. Flankiert wurde sie von zwei Kugeln aus Katzengold, welche den Täuschungseffekt verstärken sollten und zwei Stück Papier, auf denen – als bloße Vorsichtsmaßnahme - jeweils der Name Cahiras und Kyrons geschrieben waren. Nach einem kurzen Blick gen dunklem Nachthimmel legte er seinen Überwurf ab, sodass er bis auf den abschirmenden bleiumwickelten Krähenfuß völlig nackt war – ein weiteres Sinnbild der Reinheit.

Langsam hob er einen glimmenden Holzspan aus den Resten des Lagerfeuers und trat damit ins Innere des Kreises, wo er ausgehend von Westen zunächst die Räucherschalen entzündete. Worte waren zunächst unnötig, ja wären sie sogar störend dabei, seinen Geist frei von jeglichen Emotionen zu halten. Als er die erste Runde beendet hatte, verneigte er sich gen Westen, den mit Schlafmohn versetzten Rauch tief inhalierend, während er sich daran machte die schwarzen Kerzen zu entzünden, stets darauf bedacht in den Ecken des Hexagramms zu bleiben. Erst als alles brannte trat er, den Geist erweitert und rein, in das Innerste des Hexagramms, wo er sich vor der entscheidenden Kerze im Schneidersitz niederließ, um einige Herzschläge lang die Augen zu schließen. Als er sie wieder öffnete, hob er die Kugeln aus Katzengold auf, je eine in jeder Hand und sprach mit leiser, doch fester Stimme: „Seelen Yaq’Charybs, erhört mein Rufen, bleicher Lord Yaq’Charybs, gewähre mir Kraft.“ Der Flammenschein der Kerzen tanzten über seinen nackten Oberköper, während der Rauch ihn milde umstrich: „Seelen Yaq’Charybs, erhört mein Rufen, bleicher Lord Yaq’Charybs, gewähre mir Kraft.“ Langsam schien sich der Rauch zu verdichten – beinahe so, als würden sich vage Gestalten darin verbergen. „Seelen Yaq’Charybs, erhört mein Rufen, bleicher Lord Yaq’Charybs, gewähre mir Kraft! Seele soll Seele verbunden sein, ich beschwöre euch! Nehmt meine Gaben an und schafft die Brücke zu Cahira Mendoza. Nehmt meine Gaben an und schafft die Brücke zu Kyron Mendoza.“ Mit diesen Worten entzündete er die blutbefleckte Kerze vor sich, um zunächst die beiden Papier mit den Namen darin zu verbrennen. „Seele soll Seele verbunden sein, ich beschwöre euch! Nehmt meine Gaben an und schafft die Brücke zu Cahira Mendoza. Nehmt meine Gaben an und schafft die Brücke zu Kyron Mendoza.“ Der Rauch schien den Salzkreis inzwischen gänzlich zu umgeben, so als wäre er just in diesem Moment an einem gänzlich anderen Ort, umgeben von den kreuchenden Schatten, leise raunende Stimmen drangen an sein Ohr. Ruhig hielt er die brennenden Papierstücke, bis sie sich in Asche verwandelt hatten, wobei er Hitze und Schmerz aus seinem Geist verbannte. „Seele soll Seele verbunden sein, ich beschwöre euch! Nehmt meine Gaben an und schafft die Brücke zu Cahira Mendoza. Nehmt meine Gaben an und schafft die Brücke zu Kyron Mendoza.“ Das Blut allein war zwar schon mehr als ausreichend als Anker, doch mit Hilfe der Namen konnte er die Stabilität der Verbindung noch stärken. Schweigend, doch hochkonzentriert verharrte er wieder, den Blick in die Flamme der weiß-roten Kerze vor sich gerichtet, wobei er die tanzenden Schatten am Rand des Kreises schlicht ignorierte, wie sie ihm lockend zuriefen.

Als die Kerze bis zur entsprechenden Stelle heruntergebrannt war, hob er erneut beschwörend die Hände mit den Kugeln aus Katzengold. Innerlich machte er sich bereit, das umfassende Gefühl der Verbundenheit und Zuneigung hervorzurufen, das er über die Brücken senden wollte. „Seelen Yaq’Charybs, tragt ihnen zu, was in meinem Geist steht. Seelen Yaq’Charybs, pflanzt die Saat in ihren Herzen.“ In diesem Moment loderten die Flammen aller Kerzen zischend höher, zuckten mal hier mal dorthin, während sich das träge Wabern der Schatten in einen hektischen Tanz verwandelte. „Seelen Yaq’Charybs, tragt ihnen zu, was in meinem Geist steht. Seelen Yaq’Charybs, pflanzt die Saat in ihren Herzen.“ Das leise Raunen und Flüstern steigerte sich zu einem Heulen an, gleich einem tosenden Sturm. „Seelen Yaq’Charybs, tragt ihnen zu, was in meinem Geist steht! Seelen Yaq’Charybs, pflanzt die Saat in ihren Herzen!“ Gerade als er die letzte Wiederholung intonierte, etwas lauter als die ersten beiden Anrufungen, berührte die Flamme das schwarze Tuch und erlosch mit einem Zischen – gemeinsam mit den anderen drei Kerzen und den Räucherschalen. Zurück blieb einzig allein die Stille und die Erschöpfung… Nachdem er mehrmals tief durchgeatmet hatte erhob er sich, wobei er die zu Asche zerfallenen Kugeln aus Katzengold zu Boden rieseln ließ, und verneigte sich tief gen Westen. „Gepriesen sei der Lord Yaq’Charybs, der Meister auf beinernem Thron. Mein Leben und mein Tod gehören Dir - Ich existiere, um als Dank für Deine Gnade Deinen Willen zu vollbringen.“
Schließlich hob er den Blick wieder, um sich umzusehen… Es mussten wohl beinahe zwei Stunden vergangen sein, die er auf dem Boden sitzend verbracht hatte. Bald würde sich zeigen, ob seine Bemühungen von Erfolg geprägt sein würden. Aus bernsteinfarbenen Augen blickte er sich nach seinen Kleidern um…
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Der erste Schritt - von Kyrthon Dureth - 06.06.2015, 09:05
RE: Der erste Schritt - von Kyrthon Dureth - 13.06.2015, 04:39
RE: Der erste Schritt - von Kyrthon Dureth - 17.06.2015, 19:57



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