Das Leben nach dem Tod auf Svesur
#2
Sie hatte eigentlich gedacht, dass ihr Vater sich mehr freuen würde, als sie ihm eröffnete, das sie und Aidan heiraten würden. Das war doch schließlich sein Wunsch gewesen, oder? Einzig und allein die Zügigkeit, mit dem das Ereignis stattfinden sollte, hätte Anstoß zu Missfallen bieten können: Das Ende des Winters und damit Ceílil, das traditionelle Frühlingsfest auf Galatia, standen vor der Tür. Von je her wurden bei diesem Fest auch Trauungen vollzogen und Aidan, nun ihr Verlobter wohl, und auch sie selber, sahen, nachdem sie ihren schlichten Pakt geschlossen hatte, eigentlich keinen Grund noch länger zu warten.

„Sicher, ich freue mich für Dich, Kätzchen. Aidan ist ein guter Mann, wird gut für dich sorgen!“ Zwar sagte ihr Vater diese Worte stets, aber irgendwie schien es Cahira, als meinte er sie nicht wirklich. Er runzelte dann immer seine Stirn, als ob er noch etwas wichtiges hinzufügen wolle, es aber prompt in diesem Augenblick zu vergessen haben schien. Dann wandte er sich stets kopfschüttelnd und mit noch immer verwirrten Gesichtsausdruck ab.

„Du musst wohl einsehen, dass dein Vater nicht mehr der Jüngste ist.“ hatte Aidan ihr behutsam zu erklären versucht, als Cahira ihn nach einem gemeinsamen Essen darauf ansprach. „Aber er benimmt sich doch erst so merkwürdig, seitdem ich ihn in unsere Hochzeitspläne eingeweiht haben“ „Schau‘ her, seine Tochter heiratet und wird mit seinem geliebten Enkel in das Haus ihres Mannes - das bin dann wohl ich - ziehen, um eine eigene Familie zu gründen. Dazu kommt nun noch die ganze Vorbereitung für das Fest. Und alles so kurzfristig. Das ist vielleicht zusammen genommen alles etwas zu viel für deinen alten Herren.“

Auch Cahira schauerte es schon davor. Die ganze übrige Sippe würde anreisen - entfernte Onkel, Tanten, Cousinen, Neffen, alle mit ihren unzähligen Kindern - und das Haus zu einem wild gewordenen Bienenstock verwandeln. Dann würde es tatsächlich keinen ruhigen Moment mehr geben; alle Zimmer außer der großen Wohnküchen wären dann drei, vierfach belegt und sogar in den Ställen würden einige der Jüngeren schlafen, die das ganze wie ein tolles Abendteuer zu ihrem sonstigem Alltagstrott empfinden würden. Dazu würde die Vorratskammer bersten, denn alle Gäste brachten selbstverständlich Fleisch, Brot, Käse, Fisch in allen möglichen Variationen und vor allem Wein und Bier zur täglichen Verköstigung und für den anstehenden Festschmaus mit.

Aidan hatte ihr ein Säckchen mit duftenden Kräutern in die Hand gedrückt. „Brüh‘ ihm drei mal täglich eine Tasse davon auf und du wirst sehen, es wird ihm spätestens zu Ceílil wieder besser gehen.“ Zu dem bereits fertig gemischten Tee hatte Aidan in seiner großzügigen Handschrift noch die Zusammensetzung der Kräuter auf ein kleines Stück Pergament geschrieben, falls der kleine Vorrat nicht ausreichen sollte. Es war eine einfache Mischung aus küchenüblichen Gewürzen und Kräutern.

Cahira war des Schreibens und Lesens mächtig, sie hatte es von ihrer Mutter in Silendir gelernt, und empfand es höchst erfrischend, dass ihr zukünftiger zweiter Ehemann die Abneigung der eingeborenen Galatier gegenüber der Schrift nicht teilte. „Ich bin schließlich kein Druide. Denkst du tatsächlich, ich würde das eine gelbe Pulver gegen ein anderes unterscheiden können, wenn ich mir keine Niederschriften machen würde?“

Der Tee linderte Seáns Zerstreutheit etwas, aber gerade gegen Abend, wenn Cahira ihm die letzte Tasse vor dem zu Bett gehen reichte, und ihr Vater langsam in den Schlaf hinab dämmerte, schien auch das dampfende Getränk nicht den lästigen Gedanken Herr werden zu können, die in seinem Geiste spukten. „Es tut mir so leid. Aber ich wollte nicht, dass du zurück gehst. Du warst so zart und zerbrechlich. ER hat dich in den Tot geführt ... Blut, überall Blut ... Er hat gesagt, er könne mir helfen. Und du bist geblieben. Bei mir. Nein ... NEIN! Pass auf. Pass auf dich auf ...!“ Jeden Abend die selben Worte, immer und immer wieder. Wie eine quälende Litanei, mal laut, mal leise, wimmernd, drängend, zuweilen zornig, voller Angst.

Alle Versuchen, ihm mehr als nur diese Worte zu entlocken, schlugen fehl. Am Morgen danach erinnerte sich Seán an nichts mehr und das zerknitterte, müde Gesicht ihres Vaters verboten ihr, ihn noch mehr zu drängen und auszufragen als sie es schon erfolglos versucht hatte. Ihre Brüder, Jovane und Jonathan, wusste sich auch keinen Rat. Also musste sie wohl oder übel Aidans heilkundlichen Rat Vertrauen schenken und diesen unerwarteten Ausbruch ihres Vaters als Ergebnis des bevorstehenden kräftezehrenden Ereignisses des Frühlingsfestes und der Invasion der restlichen Sippe deuten. Hatte nicht auch sie zu Aidan gesagt, dass sie nach den Feierlichkeiten eine Woche durchschlafen würde?
[Bild: Cahira-Sig.jpg]
Herzlichen Dank an Morrigan!
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