Befehle vergangener Tage
#1
[OT: Kann Szenen von Gewalt enthalten]

Kein Plan überlebt jemals den ersten Feindkontakt

„KOPF RUNTER“, brüllte er laut, sich gleichzeitig selbst flach in den Dreck werfend und das Schild schützend über sich legend. Nur einen Herzschlag bevor erneut ein Hagel aus Pfeilen trommelnd über ihnen niederging.„Los verdammt, schwingt eure Ärsche hoch, ich will fünf Mann dort drüben bei den Bäumen sehen!“. Rasch deutete er mit dem Waffenarm die Richtung an, bevor er selber aufsprang und mit ausholend weiten Schritten die Entfernung zur nächsten Baumgruppe überwand. Mit einem lauten Klirren ließ er sich gegen den Baum fallen. Den Blick prüfend zu den fünf Männern drehend, welche im Sprint versuchten die von ihm zugewiesen Position zu erreichen. Angewidert verzog er das Gesicht, als sich ein heller Blitz über dem Feld entlud und mit lauten Getöse krachend einen der fünf von den Beinen riss.
Rasch beugte er sich um den Stamm herum um den Ursprung des arkanen Feuerwerks zu ergründen. „Blut und blutige Asche“ entfuhr es ihm, als er den berobten Mann mit erhobenen Händen nicht weiter als 80 Schritt vor sich bei einer Buschgruppe erblickte. Zu weit für einen Sprint, aber nahe genug für einen Bolzen. „Armbrust!“
Keuchend trat ein Armbrustschütze neben ihn in die Deckung, vielleicht 16 oder 17 Sommer alt. „Los Junge, 80 Schritt, diese Richtung. Schnapp dir den Kerl im Mädchenkleid“
Mit dem Arm die Richtung andeutend und so ihm das Ziel zuweisend, gab er die Order an den jungen Burschen weiter. Hektisch begann der Bursche die Armbrust zu spannen und den Bolzen einzulegen.
Kurz galt seine Aufmerksamkeit den übrigen vier Soldaten, die er soeben zu den Bäumen befohlen hatte. Gezielt spannten sie ihre Bögen, um Schuss um Schuss in die Reihen der feindlichen Invasoren zu jagen. Zufrieden quittierte er seine Beobachtung durch ein Nicken.
Erneut die Stimme erhebend, brüllte er über die Wiese „Mendoza MELDUNG!“ Ein kurzes und hartes „Jawohl“ galt ihm wohl als Antwort. Auf den Knien rutschend kam die junge Soldatin neben ihm zur Ruhe, gerade noch rechtzeitig bevor sich zwei Pfeile in die Baumrinde bohrten. „Melde gehorsamst, die haben uns am Arsch“
Kurz zuckte Kordians Mundwinkel nach oben, wohl nicht gerade so einen Ton von seinem Korporal erwartend. „Mach eine anständige Meldung, Soldat!“, fuhr er sie hart an.
Ein lautes Schnalzen verriet in diesem Augenblick das Verlassen des Bolzens aus der Armbrust neben ihm. „Jaa... das war's...“ war der Satz, den der junge Bursche angefangen hatte, jedoch mit einem „DECKUNG“ endete. Nur ein Augenschlag später fühlte Kordian eine Hitzewoge über sich hinweg gleiten, den unverkennbaren Geruch von verbrannten Haaren und Stoff in der Nase aufsteigend. Kurz lachte er grimmig auf: „Viel knapper hätte der nicht sein können!“. Mit einem Klopfen auf die Schulter bestätigte er dem Schützen seine Anwesenheit.
Doch blieb jener eine Antwort schuldig. Den Kopf zu ihm drehend erkannte Kordian erst jetzt, das dieser Angriff wohl doch mehr Erfolg erzielt hatte als er zuerst glaubte. Das zur Unkenntlichkeit verbrannte Gesicht des Jungen war eine aus Schmerz verzerrte Maske - als er einfach nach hinten überfiel, die Glieder zu verkohlten Stümpfen in einer grotesken Form verkrampft. „Blut und blutige Asche“, fluchte er unwirsch.
„14 Tote, 23 Verletzte. Wir können die Stellung nicht mehr lange halten. Entweder es kommen bald die versprochenen Truppen, denn wenn nicht werden sie nur noch unsere Reste aufsammeln dürfen. Die linke Flanke ist nicht mehr vorhanden. Sie haben den Fluss überquert und nähern sich nun von Süden an. Das Gehöft wird noch gehalten, aber langsam gehen den Männern die Ideen und Bolzen aus.“
Zügig sprach der Korporal alle wichtigen Details erwähnend, während Kordians Gedanken rasten. Über die Hälfte seines Trupps war außer Gefecht, der Rest über ein zu großes Gebiet verstreut um eine sinnvolle Verteidigungslinie aufzubauen, die Übermacht erdrückend.
Doch waren seine Befehle eindeutig. Die Stellung halten und auf Verstärkung warten. Kurz blickte er gen Firmament zu der sich senkenden Sonne über den Baumwipfeln. Vielleicht noch ein oder zwei Stunden. Dann wären die Entsatztruppen da und seine Männer würden sich erholen können. Doch was würde geschehen wenn sie nicht pünktlich kamen? Noch hatten sie den Korridor für einen Rückzug offen - noch würde es Ihnen wahrscheinlich gelingen sich aus dem Kampf zurückzuziehen.
Die verschiedenen Szenarien spielten sich in Windeseile in seinem Geiste ab.
„Die Verstärkung ist auf dem Weg, wir werden die Stellung hier halten bis wir abgelöst werden. Die Männer am Hof sollen sich zu unserer Position zurückziehen, neue Bolzen fassen und dann mit den Resten der dritten Gruppe eine neue Linie bei der Baumreihe dort aufbauen“, sprach er abermals mit einer Geste die Richtung weisend.
„Jawohl“ war die knappe Antwort, bevor sich der Korporal wieder den Schild anhebend und im Zickzack sprintend aufmachte um die Befehle ordnungsgemäß weiterzutragen.
Die leicht verkohlte Armbrust aufhebend prüfte Kordian rasch die Sehne in der Waffe. „Na wenigstens etwas das noch funktioniert“ murrte er vor sich hin als er den neuen Bolzen einlegte und die Waffe spannte.
„Dann wollen wir doch zeigen aus welchem Holz wir geschnitzt sind“, sprach er grimmig als er um den Baum herum in Anschlag ging, den Brustkorb des Magiers als Ziel im Auge.
Langsam krümmte sich sein Abzugsfinger .... bis der Schuss brach...

Mit einem für diese Waffe markanten Knall löste sich der Bolzen aus der Schiene und schoss auf das ihm zugewiesene Ziel. Die Welt schien still zu stehen, als sich der Bolzen um seine eigene Achse rotierend und für das menschliche Auge nicht sichtbar seinen Weg durch die Luft bahnte. Nur ein Bruchteil einer Sekunde dauerte es bis er den Magier erreichte, doch konnte dies eine Menge Zeit sein, wenn man sich in solch einer Situation befand. Und Kordian schien es als ob Minuten vergehen würden.
Mit einem dumpfen Aufschlag bohrte sich der Bolzen knapp unterhalb des Halses in die Brust des Zauberers, fraß sich durch Knochen und Innereien, nichts weiter hinterlassend als eine widerwärtige Masse aus Sehnen und Knochensplittern, die er bei seinem Austritt mit sich riss. Von der Wucht des Bolzens überwältigt torkelte der Kuttenträger zwei Schritte rückwärts, eine Hand in Kordians Richtung hebend. Das Gesicht verstellt durch die Überraschung, dann der Zorn über diesen hinterlistigen Angriff.. dann Erkenntnis, den Tod vor Augen sackte der Magier auf seine Knie. Er kippte stumm vornüber, um dann für die letzten Sekunden mit seinem Gesicht im blutigen Schlamm zu liegen, bevor sein Herz den Dienst aufgab.
Dies alles interessierte Kordian schon nicht mehr. Er wandte sich in dem Augenblick ab als er den Treffer bestätigt sah, die Armbrust gleichgültig aus seinen Händen fallen lassend. Sogleich griff er nach Schwert und Schild um seinen Weg Richtung der Baumgruppe einzuschlagen. Mit schnellen schritten überwand er die Hälfte der Strecke, als er eines Funkelns aus dem Augenwinkel gewahr wurde. Wie aus einem lange einstudierten Training heraus riss er reflexartig den Schild empor, sich gerade noch rechtzeitig die nötige Deckung verschaffend, bevor ein wuchtiger Schlag ihm den Schädel gespalten hätte. Wirbelnd ließ er seine Klinge über dem Kopf kreisen, kaum in der vorwärts Bewegung innehaltend, diese dann mit einem wuchtigen Schwung gegen das Knie des Aggressors lenkend. Ein dumpfes Knacken, ein schmerzerfüllter Schrei und schon sank der verkrüppelte Soldat zu Boden. Abwehrend den blanken Arm anhebend, blickte er zu Kordian empor, die Erkenntnis seines baldigen Todes in den Tränen gefüllten Augen aufflammend. Kein Zögern, kein Nachdenken, keine Gnade. Ein kurzer gerader Stich gen Kehlkopf. Nur ein ersticktes Gurgeln drang noch über die Lippen, bevor er leblos zusammensackte. „Nicht dein Tag“, murmelte Kordian leise zu dem noch warmen Körper, bevor er dann wieder im Sprint seinen Weg fortsetzte. Am kleinen Hügel angekommen, orientierte er sich rasch über die Lage seiner Bogenschützen. Knappe Meldungen wurden gemacht und neue Ziele zugewiesen. Schluss mit den Förmlichkeiten, hier ging es um jeden Schritt Boden. „Zielt auf ihre Anführer“, bellte er den Schützen entgegen. „Jeder Pfeil hat zu sitzen, verstanden?“
Den Blick über die Anhöhe hinab schweifend, erblickte er einen kleinen Trupp Männer, welcher sich gerade im Laufschritt vom Waldrand auf ihn zubewegte. Sechs oder sieben Mann, leichte Rüstung. Er verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und hob die Hand gen Stirn an, um besser sehen zu können. Ein kurzes Lächeln huschte ihm über die Lippen als er seine Männer erkannte. Sie hatten es also geschafft sich zurückzuziehen und waren gerade auf dem Weg neue Stellung zu beziehen. „Sehr gut, das wird uns etwas Zeit verschaffen“, sprach er mehr zu sich selbst. Doch verstummte er augenblicklich als er der Staubwolke hinter ihnen gewahr wurde. „Verdammt noch eins!“, fluchte er lautstark als er die Kavallerie erblickte, die seinen Männern nachsetze. Vielleicht hundert Schritt Vorsprung - nicht mehr hatten seine Männer. Unmöglich - sie würden es nicht zum Hügel schaffen. „Schützen, neues Ziel. Dreihundert Schritt, diese Richtung. Reiter auf der Ebene!“ Brüllte er aus vollem Halse zu den Bogenschützen hinter sich, sofort die Richtung deutend. Unschlüssig blickten sich die Bogenschützen gegenseitig an. Fast schien es als würden sie an Kordians Verstand zweifeln. Diese Entfernung, das war nicht machbar. Doch wurden keine Widerworte gegeben, Pfeile wurde aufgelegt und mit einem Surren schoss die erste vierer Salve in den abendlichen Himmel hinauf. Nicht anders zu erwarten, war sie lediglich ein gut gemeinter Versuch den Befehl zu befolgen. Etliche Schritt zu kurz schlugen die Pfeile harmlos in den Boden ein.
„Weiter vor“, brüllte er weiterhin. Den Blick nicht von seinen Männern auf der Steppe abwendend, forderte er lautstark das Unmögliche von den Schützen.
„Los verdammt. LAUFT LOS, LOS“ feuerte er die Männer unten an, ob sie ihn überhaupt verstanden, würde man nie erfahren können. Noch fünfzig Schritt, noch dreißig... wieder eine nutzlose Salve Pfeile in den Boden... zehn Schritt.
Die Reiter erreichten mühelos die Fußsoldaten. Wie der Bauer mit der Sense durch ein Ährenfeld mähten sie sich durch die Flüchtenden. Einer nach dem andren fiel unter den wuchtigen Hieben der Reiter. Mit aufsteigendem Zorn blickte Kordian auf seine in der Ebene sterbenden Männer. Keine Möglichkeit zu helfen. Keine Chance einzugreifen.
Keine zwanzig Herzschläge dauerte dieses Blutbad. Herrenlose Arme, hervortretendes Gedärm und Liter von Blut tränken die Spur der Reiter.
Der Preis des Gehorsams wurde schon immer in Blut bezahlt, doch ward es immer wieder aufs neue unbegreiflich, wie wenig das Leben eines Menschen in einer Schlacht wert war.
„Bevor diese Nacht vorbei ist, werden wir diese Hurensöhne in ihrem eigenen Blut ersaufen!“,
brüllte er zornig in die Abenddämmerung hinaus, doch wurde sein Kampfruf eher halbherzig beantwortet. Zu tief saßen die Bilder des eben Gesehenen in den Gliedern der Mannen.

Leise, dann jedoch immer lauter werdend, stimmte einer der Männer ein Kampflied an. War es die Verzweiflung oder die blanke Angst vor dem Tod? Doch immer mehr Stimmen fanden sich in dem müden Choral der Kämpfenden wieder, bis der Wind eine verzerrte Melodie über das im Rot der untergehenden Sonne gefärbte Land trug. Nur ein zufriedenes Lächeln war auf Kordians Lippen zu sehen, als er die Schlachtenmelodie hörte und in den Gesang einstimmte.

"Trommeln und Pfeifen mit hellem Klang
Zieh'n da den Weg entlang.
Nach Silendir ziehen sie,
Diridi, diridi.
Trommelfelle beben
In das lichte Morgenrot,
Pfeifen sind das Leben
Und die Trommeln sind der Tod.

Von den Gebirgen zieht Kriegesmacht
So stolz hinab zur Schlacht.
Nach Silendir ziehen sie,
Diridi, diridi.
In den Tod ergeben
Stürmt das erste Aufgebot.
Pfeifen sind das Leben
Und die Trommeln sind der Tod."

Unruhig drehte sich Kordian in dem improvisierten Lager am Feuer hin und her, Zuhörer hätten den ein oder anderen undeutlichen Ausruf hören können, Befehle vergangener Tage. Es sollte wohl keine sehr erholsame Nacht werden...
Lernen durch Schmerz
Motivation durch Entsetzen
Festigung durch Wiederholung
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Befehle vergangener Tage - von Kordian - 26.03.2015, 20:02
RE: Befehle vergangener Tage - von Kordian - 01.04.2015, 18:11



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