Schwarzer Vogel
#4
Invictus

Out of the night that covers me,
Black as the Pit from pole to pole,
I thank whatever gods may be
For my unconquerable soul.

In the fell clutch of circumstance
I have not winced nor cried aloud.
Under the bludgeonings of chance
My head is bloody, but unbowed.

Beyond this place of wrath and tears
Looms but the Horror of the shade,
And yet the menace of the years
Finds, and shall find, me unafraid.

It matters not how strait the gate,
How charged with punishments the scroll.
I am the master of my fate:
I am the captain of my soul.

William Ernest Henley


Als sie ihr den rettenden Strohhalm boten, haderte sie einen Moment mit sich. Es gab noch einen Ausweg. Es war nicht ihr Schicksal, sich den Kopf scheren lassen zu müssen und den Gang über die Kohlen anzutreten. Es war Viktor, der die Frage stellte. Das kam nicht überraschend. Von Albert erwartete sie derlei nicht mehr.

„Ich frage gerade heraus: Zieht Ihr daraus eine Lehre oder werdet ihr Euch weiter aufführen, als gehöre Euch die Welt und alle ihre Bewohner und Gesetze seien nur Spielzeuge?“

Sie konnte um Vergebung bitten, winseln, sie habe einen Fehler begangen und ihnen nach dem Mund reden. Es wäre einfacher. Es wäre schmerzloser. Und es wäre feig, es wäre gelogen und es wäre so falsch. Sie hatte eine Gläubige sprechen wollen, mehr nicht, und Albert konnte hundertmal geifern, Thalia wäre nichts mehr als abyssalischer Abschaum – sie blieb Gwendolyns Gläubige, bis sie dort draußen auf dem Platz in Flammen aufgehen würde, ihre Seele zerfiel und deren Einzelteile zu den Göttern zurückkehrten. Man hätte der Gefangenen in der Nachbarzelle diese letzte Gnade zukommen lassen können.

Sie war im Recht. Es gab kein Zurück. Es gab keine Umkehr. Schweigen hieße, zuzustimmen.

„Ich habe nichts Falsches getan.“

Sie kam zu mir. Sie wollte meine Hilfe. Sie gab ihr Blut für die Götter. Es war nicht falsch. Vier Sätze. Für alles andere hatte sie keine Verwendung mehr. Alles andere schob sie beiseite, so wie sie Farn im Wald beiseiteschob, der sie an ihrem Weg hinderte, wenn sie ein Kraut an einem schattigen Platz entdeckt hatte. Die Roben der beiden, so vertraut und fremd zugleich. Wann hatten sie zuletzt ein Gewand getragen, die nicht das tiefe, blutige Rot aufwiesen? Den übereifrigen Novizen, der ihnen förmlich die Stiefel leckte. Die Schere, unbarmherzig in ihrem Werk. Ihr Haar auf dem kalten Boden, wie Schlangen, kleine, rote Nattern. Sie wünschte, sie würden den braven Novizen in die Knöchel beißen.

Sie kam zu mir. Sie wollte meine Hilfe. Sie gab ihr Blut für die Götter. Es war nicht falsch.

„Beginne deinen Weg, Gwendolyn Veltenbruch.“

Was ist aus euch geworden? Wer hat euch diese Bösartigkeiten eingepflanzt? Glaubt ihr wirklich, euch die Menschheit durch Foltermethoden gewogen machen zu können? Wann seid ihr von Verwandten zu Kerkermeistern geworden? Zu viele Fragen. Zu viel Farn.

Glühende Kohlen, bald erlösende Leere. Sie fiel dankbar hinein.

OOC
Special thanks to Kyrons Geschichten, an denen ich die Gedichte ebenso toll find wie die Erzählungen selbst. Hab mich da mal inspirieren lassen..Pirsch
[Bild: Gwendolyn-Signatur.png]
Toast can never be bread again.
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Untergang - von Gwendolyn Lucia Veltenbruch - 26.09.2015, 16:40
RE: Schwarzer Vogel - von Gwendolyn Lucia Veltenbruch - 13.10.2015, 13:05



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