[MMT] Vom Zelten mit den Juren
#6
Die ersten Nächte nach dem Bruch waren von der Quälerei begleitet, in denen Skaskar Sturmschlag im Schlaf die Überzeugung und die Kraft abstreifen musste, die ihn sonst durch den Tag gerettet hatte. Wenngleich im Lager der Juren überall Menschen waren, so verbrachte er die Nächte doch letztlich alleine. Alleine mit sich, alleine mit der Herausforderung wieder zu sich zu finden. Erst der Morgen befreite ihn schließlich von der Nacktheit, die sein Geist in der Dunkelheit des Schlafes erdulden und die noch so frische Vergangenheit darin erneut durchleben musste.

Die einfachen Tätigkeiten, die er im Lager der Juren erledigen durfte, um sich nützlich zu machen, waren für den Streiter mehr als nur eine willkommene Abwechslung, da sie ihn die Schatten vergessen ließen, die noch immer nach ihm griffen wenn er die Augen in der Nacht geschlossen hatte. Die ersten Bewegungen und Stimmen aus dem Lager ließen den Streiter spätestens zur frühen Morgendämmerung aus eben dieser Einsamkeit der Nacht erwachen und sich denen anschließen, die im Lager des Stammes ihren Arbeiten nachgingen. Ob es nun das kontinuierliche Geräusch des Axtblattes war, welches auf Holz schlug um den im Winter ohnehin erhöhten Bedarf an Feuerholz zu decken oder ob es einfach nur das scheinbar sinnfreie Abtragen der alten Steinmauer neben dem Gemeinschaftszelt war: Beide Tätigkeiten ließen den Krieger alleine mit sich, der Welt und seinen Aufgaben zurück und brachten den Körper Tag für Tag wieder dem Geist näher, der seine tiefen Wurzeln bei seiner Geburt in die Erde Nortgards geschlagen hatte und auf ewig mit ihr verbunden war.

Es waren die Erinnerungen dieser Zeit, besonders seines jüngsten Aufenthalts dort, die ihn wieder in das Leben zurücktrugen und die Stärke und den Kampfeswillen nicht nur mehr vorzugeben schienen, sondern ihn mit jedem im Fluss versenkten Stein, mit jedem gefällten Baum und jedem zerkleinerten Stück Holz erfüllten. Das Blut begann sich wieder seiner Herkunft zu erinnern und sich unbeugsam durch seinen Körper zu walzen, gleich einer Flut, die diese Welt aus Schatten mit jedem Atemzug etwas weiter aus dem Körper wusch. Der Sohn des Nordens war ein Kind der eisigen Ödnis seiner Heimat, ein Jäger unter Beutetieren. Ein Wolf unter Schafen, dem Trauer oder Schwäche nicht anstanden, da er sonst früher oder später die Beute eines anderen Jägers sein würde.

Für die Preisgabe der eigenen Schwäche gab es nun, da Sam die letzte Person gewesen war, der er sich so offensichtlich präsentiert hatte und damit kollossal gescheitert war, keinen Platz mehr. Diese Dinge würden versiegelt bleiben, wie ein Buch dessen dunklen Inhalt niemand kennen durfte, ob der Wahrheiten die es enthielt. Die Schattenreiterin des Khans hatte weise Worte gesprochen, als sie sagte, dass ihm möglicherweise nicht gefallen würde, was er im Lager der Juren bekommen würde, wenn er annahm, was er dort lernte. Und mit jedem Tag, den seine Gedanken in der Monotonie einfacher Arbeiten verbrachten, wurde schnell klar, dass seine Einkehr auch eine Abkehr bedeuten würde. Nicht nur von Sam, sondern auch anderen Ketten, die er sich im Bestreben, seine Familie sei die gleiche geblieben, hatte anlegen lassen.

Er würde darüber weiter nachdenken müssen.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: Vom Zelten mit den Juren - von Dhena - 06.01.2015, 12:50
RE: Vom Zelten mit den Juren - von Gast - 06.01.2015, 17:31
RE: Vom Zelten mit den Juren - von Lilya - 08.01.2015, 05:07
Exil - von Gast - 12.01.2015, 19:05
Nachtwache - von Gast - 13.01.2015, 19:29



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste