[MMT] Vom Zelten mit den Juren
#3
Es war ein Abend und eine Nacht der Erkenntnisse gewesen. Obwohl Skaskar sich den Juren in den letzten Tagen bisweilen näher gefühlt hatte, als seiner eigenen Familie, dem Bund, hatte doch Lilya den meisten Anteil daran getragen.

An diesem Abend jedoch, war das Zelt für ihn unerwartet voll gewesen. Viele gute Gespräche waren gefolgt und der Wunsch, den er bislang nicht auszusprechen gewagt hatte, die Schamanin Vishaya einmal zu treffen, war genauso unerwartet erfüllt worden. Die Geschichten über sie mochten vielleicht zutreffend sein, vielleicht war sie in der Lage so kalt und erbarmungslos zu töten, wie man ihr nachsagte - zumindest hatte er das Gefühl einen Ausblick darauf gesehen zu haben als sie über Morrigú sprach. Ansonsten allerdings, hatte sie sich zu Skaskars Erstaunen, sehr besonnen verhalten. Selbst als Sam angefangen hatte, die Ansichten ihres Glaubens offenzulegen.

Zu seiner weiteren Überraschung war er mit Serbitar in dieser Umgebung warm geworden. Trotz der anfänglichen Reserviertheit, die besonders Skaskar selbst seinem Hauptmann entgegenbrachte, hatte sich das Verhältnis zum Schluss verkehrt. Zwar rümpfte er die Nase über die Geschichte eines Feingeistes, der das Geschenk des Krieges nicht einmal mit offenen Armen annahm, aber er konnte nicht mehr als die Ehrlichkeit und die offenbarte Schwäche respektieren, die er damit zeigte. Er war, nach allem was er gesehen hatte, an diesem Abend entspannter und gelassener gewesen als sonst und das stand ihm besser zu Gesicht als der substanzlose Führungsansprach der letzten Tage, den Skaskar eher als Herausforderung denn als Maßregelung verstand.

Zwischen all' dem Gelächter, der Freude und der Getränke saß schlussendlich auch Lilya, die überraschend still geworden war. Auch wenn sie ihre Gedanken selten offenbarte, so war zumindest für den Streiter recht schnell ersichtlich geworden wann ihr etwas zu missfallen oder sie zu beschäftigen schien. Die Tatsache, dass er nicht mehr als darauf hoffen konnte, dass sie irgendwann die Zähne auseinanderbekam, war unbefriedigend aber nicht zu ändern. Dieser Wesenszug immerhin, war ihm besser bekannt, als man vielleicht denken konnte. Genau wie auch viele andere Dinge, die seine Freundin bei den Juren ausmachten. Besonders in dieser Nacht und nach diesem Tag erschien sie beinahe wie ein Spiegelbild der Frau, die weiterhin die kalte Ödnis seiner Heimat durchstriff. Gefährtin und Gefährte die sich bereitwillig voneinander getrennt hatten, um Größeres zu schaffen und deren Spiegelbild er nun wiedergetroffen hatte. Es konnte nicht weniger als ein gutes Zeichen, ein Omen sein.

Die Wärme des Zeltinneren blies die schweren Gedanken schlussendlich von den Schultern des Streiters, als er sich der kleinen Person zuwandte, die, an seine Seite gekauert, schon eine ganze Weile so dort geschlafen hatte. Das tiefe und einer weltumspannenden Waldrodung gleiche Schnarchen Serbitars hatte nur allzudeutlich angezeigt, dass es auch für ihn Zeit zum Schlafen gewesen war.

Skaskars Körper hatte schließlich eine Schale um die zerbrechliche Gestalt des Wiesels gebildet und sie mit seinen Armen so an sich gezogen, dass es vermutlich mehr wie das Horten einer Beute als eine Geste der Fürsorge gewirkt haben müsste. Es war der leichte aber erholsame Schlaf des Kriegers, der ihn am nächsten Morgen bei Sams Versuchen, sich eigenmächtig zu entfernen auch wieder wach werden ließ. Es mochte ein kurzes, tonloses Gerangel gegeben haben, in dessen Folge die kleine Blondine immer wieder in den Sog des breitkreuzigen Kriegers gezogen und dort gehalten wurde. Stumme Beweise einer Herrschaft, die erst dann endeten, als seine Hände den Druck beim Festhalten intensivierten und sich auch nicht mehr davor scheuten, durch Schmerz ihren Besitzanspruch deutlich zu machen.

Als sich der zerbrechliche Leib in der Schale von Skaskars Körper schlussendlich ihrem Schicksal fügte, war es am Ende er, der sich, durch das Aufbegehren der kleinen Person aus seiner Mitte angestachelt, zurückhalten musste, um sie nicht auf den Fellen der Juren zu nehmen. Einzig Serbitars Schnarchen ließ jeden Gedanken an diese kurze, aber anregende Episode vollständig verebben.
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Nachrichten in diesem Thema
RE: Vom Zelten mit den Juren - von Dhena - 06.01.2015, 12:50
RE: Vom Zelten mit den Juren - von Gast - 06.01.2015, 17:31
RE: Vom Zelten mit den Juren - von Lilya - 08.01.2015, 05:07
Exil - von Gast - 12.01.2015, 19:05
Nachtwache - von Gast - 13.01.2015, 19:29



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