Von Leuchtfeuern und Seemannsgarn
#16
Episode 16 - Ein Schwur vor den Göttern
 
Im Ernting1404
Servano und Ravinsthal

 
 
Die Götter wandelten auf verborgenen Pfaden und die Fäden des Schicksals, die sie sponnen, waren nur fahle ABbilder davon.
Einige jener Fäden, die zum Gewebe von dem gehörten, was den Galatier Lysander ausmachte, fanden dieser Tage im Spätsommer ihren Platz, als der Seemann endlich seinen Eid vor den Göttern sprechen konnte. Viele Mondläufe davor hatte er begonnen, einen der amhranischen Druidenzirkel - den Rabenkreis Südamhrans - davon zu überzeugen, ihn, einen Fremdländer, in ihre Reihen aufzunehmen.
Von anfang an war er davon ausgegangen, dass es kein leichtes Unterfangen werden würde. Er war Fremdländer, schon über dreißig und hatte als Galatier womöglich einen teilweise anderen Alltagsbezug zu den "alten Göttern", wie sie auf Amhran auch gerne genannt wurden. Während auf AMhran vielerorts der vergleichsweise junge Gott Mithras das Alltagsleben und das Schicksal des Reiches zu verantworten hatte, verblieben nur wenige Regionen wie Ravinsthal, in denen die 21 Götter noch den Stellenwert besaßen, wie sie sie in Lysanders Heimat seit jeher ungebrochen hatten.
Nach so manchen Gesprächen mit Mitgliedern des Zirkels, Opferungen und rituellen Prüfungen hatte man ihm die ANwartschaft auf den Zirkel zuerkannt. Die Götter beliebten, sich auf seine Kosten zu unterhalten, schickten sie ihm doch ausgerechnet eine jurische Druidin, um ihm den Kodex des Zirkels näherzubringen. Aber Lysander diente den Göttern schon lange genug, um zu wissen, dass seine persönlichen Animositäten an dieser Stelle hintan stehen mussten. Mithraisten würden darin eine "Prüfung" sehen - er sah darin nur den Beweis dessen, was alle Galatier wussten. Die Götter existierten, ob nun im Gaukler, dem einsamen Wanderer oder eben einem veraledeiten Juren - sie leben in den Geschichten, Legenden und Erfahrungen. Ob nun im Guten oder Schlechten. So hatte er die Jurin und ihre Lehre ertragen, ohne mit der Wimper zu zucken und hatte sich auf den alles bedeutenden Schwur vorbereitet.
Jenen Schwur nahm ihm viele Tage später seine künftige Meisterin ab, eine Amhranerin, die er bereits kannte und schätzte: Gwen.
Sie verlangte von ihm, wie es Brauch war, den Göttern, den Aufgaben als Druide und dem Kodex des Zirkels Treue zu schwören und dies mit Blut zu besiegeln.


Hiermit schwöre ick, Lysander Ó Domhnaill, Sohn 'et Caradóc ous Svesur,
Abkömmlinge det Domnall, det Ersten unseret Blutes,
Under 'en Oug'n 'er Jötter un'ihrer ehrenwert'n Stimme 'em Zirkel im Zeich'n det Rab'n,
sein'n Oufjaben un'Ziel'n, wie et 'er Kodex bestimmt un'darlegt
Unbedingte Treue


Diese Worte schloss er mit kurzen Rauchstössen aus der Tabakspfeife, drei über jede Schulter, einen langen über die Klinge des Messers in seiner Rechten.

Wou'e Worte ein Ende ha'n, verhall'n un'verjess'n wer'n könn'n.. da bleibt'ein Schwur, jebun'n durch
Blut un'Entschloss'nheit.

Mein Blut bezeucht 'en Schwur.
Mein Blut bezahlt, wenn ick ihn breche.



Daraufhin schnitt er sich in den linken Unterarm und ließ das Blut aufs sie umgebende Gras hinabrinnen. Einen Teil davon fing er mit der Tabakspfeife auf und zerschlug sie am nahen Steinaltar, um die blutigen Scherben gleichsam eines Opfers der Entschlossenheit liegen zu lassen. Das Messer fand seinen Platz neben dem Blutnest im Gras, woraifhin der Galatier sich dahinter niederließ, zum Zeichen, dass diese rituelle Handlung zum Ende gekommen sei.
Das Einbinden des Rauchs, der in der Ritualistik seiner Heimat von besonderer Bedeutung ist, war ihm bei dem Schwur ein zentrales Anliegen, denn auch künftig gedachte er, die galatische Note miteinfließen zu lassen. Die Chance dazu sollte er auch bekommen, denn Gwen nahm ihn als ihren Schüler im Rabenkreis an.
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Episode 6 - Alltag - von Lysander O'Domhnaill - 08.01.2015, 16:47
RE: Von Leuchtfeuern und Seemannsgarn - von Lysander O'Domhnaill - 04.10.2017, 15:07



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