Von Leuchtfeuern und Seemannsgarn
#8
Episode 8 - Altes in neuem Gewand

09. Brachet 1402
Löwenstein




Der neue Leuchtturm war vollendet.
Mitte des Jahres hatte Lysander dem Vogt die Erlaubnis aberungen, auf Kosten der Stadtwache den alten Turm ausbauen zu lassen. Dabei war es einerseits um die Sicherheit des Hafens und damit der Stadt, andererseits aber auch um das Ansehen der Krone gegangen: Es konnte nicht angehen, dass in einem provinziellen Kaff wie Greifanger ein größerer Leuchtturm stand, als im größten Hafen Amhrans - der noch dazu in der Reichshauptstadt stand!
Nun verfügte Löwenstein über einen höheren und größeren Leuchtturm als jeder andere Hafen in Amhran. Der angenehme Nebeneffekt für den Leuchtturmwärter war, dass er nun auch eine größere Dienstwohnung hatte. Und als Hauptmann der Stadtwache freute sich Lysander über die neue Wachstation, die im unteren Tel des einstigen Wehrturms eingerichtet worden war.

Am heutigen Abend stand er noch im Dunkel der Nacht auf der Aussichtsplattform, denn das Feld des Leuchtfeuers war noch nicht ganz fertig. Wenigstens gab es gerade mal wieder eine Flaute beim wegen dem Krieg ohnehin sehr schwachen Schiffsverkehr. Und nicht ortskundige Seefahrer aus andren Lehen oder aus anderen Reichen - wie seiner Heimat Galatia - kamen ohnehin fast nie. Spätestens, wenn der Krieg vorbei war, änderte sich das hoffentlich wieder. Lysander erwischte sich dabei, wie er am Holzgriff seines Sax kratzte - und berührte gleich noch den eisernen Knauf; man konnte ja nie sicher genug gehen.
Die Kogge, welche er zu Beginn der letzten Woche an der Mündung zur Bucht der Meeresenge zwischen Servano, Candaria, Hohenmarschen und den Wildlanden erspäht hatte, war mittlerweile aus seinem Sichtfeld verschwunden.
Seine Schätzungen mit dem Gradstock hatten sich wohl ebstätigt, denn das Schiff unter köinglicher Flagge war offenbar direkt bei der Burg vor Anker gegangen. Wer auch immer damit transportiert worden war, wurde direkt auf die Burg gebracht, ohne die wichtigen und unwichtigen Einwohner Löwensteins zu beherzigen. Das versprach wichtige Kunde oder gwichtige Persönlichkeiten. War der Krieg vielleicht gewonnen? Der König verwundet? Hatte Indharim die Streitkräfte unter dem Löwenbanner zerschlagen? Oder war es Kunde aus einem der anderen Lehen? Wer wußte das schon. Bisher gab es keine Verlautbarungen, auch nicht an die Stadtwache.

Stattdessen war es ein alter Freund und einstiger Kollege in der Stadtwache, der ihm bedeutende Kunde brachte. Gotmar Ehring Seysbald von Löwenstein, seines Zeichens Ritter und derzeit im Dienst der Verteidiger Südwalds, berichtete ihm von der aktuellen Situtation im Süden des Königslehens.
Die Ravinsthaler waren offensichtlich Söldner und fielen auf Geheiß von Geldgebern aus hohen Positionen in Servanos Grenzgebieten ein. Zudem hatten sie den Hafen im Südwald eingenommen und waren an der Küste Candarias von Seeseite her eingefallen. Das alles war ihnen mittels wendiger kleiner Boote gelungen, die sie zudme mit sicherem Nachschub von Seeseite her versorgten. Da war Lysander hellhärig geworden, und in der Tat hatten sie sich da dem Kern der Angelegenheit genähert; der Ritter wollte Lysanders Erfahrungen aus seiner Vergangenheit als Schmuggler und Seemann einholen, er sollte sich der Verteidigung des Königslehens anschließen. Dem konnte der galatische Hauptmnan nur zustimmen. Als ehemaliger Schmuggler war ihm sofort klar gewesen, dass es sich bei den neuen Verbündeten der Ravinsthaler um Schmuggler handeln musste. Er hatte seinerzeit selbst solche kleinen, wendigen Boote verwendet - sie waren leicht und bei Bedarf auch über Land zu transportieren, wendig, lagen niedrig im Wasser (und dadurch von Landseite schlecht zu erspähen), schnell und billig in der Anschaffung.
Die Namen, welche Gotmar nannte - Tore, Vierfinger - weckten Erinnerungen an alte Kollegen aus dem "Geschäft". Tore war ein gebräuchlicher Name unter Galatiern, Vierfinger unter Schmugglern sehr beliebt, denn man verlor schnell mal einen Finger in ihrem Geschäft.
Dementsprechend konnte er sich auch irren, bei den vielen Vierfingern.... aber man wußte ja nie.
Wenn sie nun noch das richtige "Material" bekämen, konnte man den Plan umsetzen, der in ihren Köpfen an diesem Abend erwuchs. In Lysander hatten sie ja bereits einen Skipper gefunden.
Er wollte sich nur noch der Form halber die Erlaubnis seines neuen Vogts einholen, der er noch am selben Abend schrieb. Wie sich zeigte, hatte seine ihm liebe Landsfrau Eirene Kerlow den hochedlen Truchsess von sich überzeugen können. Es erfüllte ihn mit Stolz, dass einer der Ihren in den Kreis des Adels aufstieg, wer hätte schon damit gerrechnet?

War die eine Kunde noch bedeutend, war die andere an diesem Abend erbaulich.
Die edle Baronin von Hohenquell übersandte ihm über ihre Untertanin Brannagh eine Depesche samt Geschenkkorb. Während die Depesche von schmeichelnder Natur war, zeugte der Inhalt des Geschenkkorbs von einer Zuneigung, die er nicht erwartet hätte. Eine Birnen-Caramell-Torte und ein neues Paket candarischen Tabaks. Letzteren hatte er schon seit ihrer ersten gnädigen Gabe an ihn liebgewonnen (kein anderes Kraut wollte er mehr rauchen). In Angelegenheiten von Torten war der Galatier bei Weitem kein Fachmann, doch war sie von exquisiter Qualität und schmeckte ausgezeichnet. Dass sie zudem mit einem höchst seltenen Sirup hergestellt war, den es so gut wie überhaupt nicht auf dem regulären Markt in diesem Teil Amhrans zu bekommen gab, beschämte ihn ebenso, wie es ihm schmeichelte.
Er hatte seiner Landsfrau Brannagh zuerst eine mündliche Kunde aufgetragen, hatte im Laufe des Abends dann aber doch noch beschlossen, in amhranischer Art eine schriftliche nachzusenden. Ein Obolus an einen der arbeitslosen Seemänner am Hafen und die Depesche fand ihren sicheren Weg nach Hohenquell.
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Episode 6 - Alltag - von Lysander O'Domhnaill - 08.01.2015, 16:47
RE: Von Leuchtfeuern und Seemannsgarn - von Lysander O'Domhnaill - 10.06.2015, 02:36



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