Von Leuchtfeuern und Seemannsgarn
#7
Episode 7 – Verdammt

19. Hartung 1402
Löwenstein




In Löwenstein hatte man es als Galatier überraschend gut, dafür, dass man sich in der Hauptstadt des Königreiches befand. Natürlich konnte man nur bedingt darauf hoffen, dass irgendein Landsmann es je zum Adel schaffte – wobei sie ja nun, wenn man den Gerüchten Glauben schenkte, sogar einen Juren zum Ritter geschlagen haben! Einen räuberischen, wilden Juren! Der Lysander hatte das noch immer nicht ganz verdaut.
Bei den Göttern! In Candaria sollten sie so etwas machen, seinetwegen. Nur nicht hier in Servano! Das wäre ja noch schöner… am Ende würde man noch einen galatischen Hauptmann sehen. Allerdings, wenn man es recht bedachte, wäre es um des Soldes und Ansehens Willen eigentlich ganz adequat. Nur glaubte er nicht, das Colin oder er jemals über den Leutnant hinaus kommen würden. Dass sie überhaupt Leutnante werden konnten – inklusive aller notwendiger Schwüre im Mithrastempel, vor Mithraspriestern, im Namen des Gottes Mithras, und das alles als galatische Mondwächter – grenzte ja schon an ein Wunder. Weder Colin, noch Lysander hätten damit gerechnet, hätte man es ihnen zum Jahreswechsel 1400 zu 1401 erzählt. Im Gegensatz zu ihrer Heimat Galatia änderte sich hier in Amhran offenkundig vieles in Politik und Gesellschaft sehr schnell und oft auch äußerst heftig.
So war es ja auch der Löwensteiner Stadtverwaltung ergangen. Der mehrere hundert Jahre alte Stadtrat wurde zu Gunsten einer Vogtei zu Grabe getragen. Der neue Vogt war, wenn er es recht in Erinnerung hatte, ein ehemaliger Ratsherr, Orestes Ceatano. Kopf einer Gruppierung, die sich Silberfalken rief. Selbstredend, dass Ränkespiele damit in Verbindung standen, aber das störte den Leuchtturmwärter nicht, da es nur natürlich war. Erst Recht war es ihm egal, wenn er in der Nacht in der warmen Stube saß, beim vor sich in knisternden Kachelofen, auf dem Tisch einen Becher warmen Weins, dazu Käse und Speck. Jüngst hatte er in diesen wachen Nachtstunden damit begonnen, auf seinen Wachstafeln, die er sonst für Notizen auf Wachgängen verwendete, erste Grundgerüste für ein Handbuch anzulegen; und die meisten gleich wieder zu verwerfen.

Ein Handbuch für Leuchtturmwärter sollte es werden, und das trieb ihn im Moment mehr um, als die Politik, an der er ohnehin nichts ändern konnte, geschweige denn wollte. Ein Grundgerüst schwebte ihm immerhin mittlerweile schon vor: Ein einleitender Teil über den Sinn des Handbuches, vielleicht mit einem Vorwort – das taten die amhranischen Gelehrten oft, hatte Lysander sich sagen lassen. Oder war es hier fehl am Platze? Das war schließlich eher eine Dienstanweisung, als ein… nun ja, ein Buch für kluge Leute. Er nahm sich vor, dazu seinen Landsmann Luca zu befragen, der für seine jungen Jahre und seine Herkunft außerordentlich belesen war. Der würde es wissen. Gefolgt von dieser Einleitung wollte er sich mit der Geschichte des hiesigen Leuchtturms befassen, denn es lag ihm als Galatier im Blut, die Ahnen nicht unerwähnt zu lassen. Nur, wenn man über sie wusste, war man wirklich seiner selbst gewahr. Wieso sollte es bei einem Leuchtturm anders sein? Außerdem, das gab er insgeheim zu, war die Neugier doch zu stark, um es bleiben zu lassen. Vielleicht gab es in den Stadtarchiven zu all dem noch etwas, denn der Turm war wohl schon vor langem außer Dienst genommen worden. „Der Krieg“, hieß es, wie so oft.
Nach all dem Vorgeplänkel wollte er sich schließlich dem eigentlichen Kern zuwenden. Die Dienstanweisungen. Verhaltensregeln, Gefahrenhinweise, Brennmaterialien und ihre Vor- und Nachteile, die Pflege der Brandplattform und des Turmes, Seezeichen, Wetterkunde, Navigation, Schiffskunde… mehr war ihm an sinnvollen Themenfeldern bislang nicht eingefallen. Offen gestanden musste er auch noch die Muße finden, darüber zu schreiben. Die amhranische Schrift lag ihm immer noch nicht. Das Schreiben blieb ihm einfach etwas Fremdes, Ungeliebtes. Er nahm sich vor, einmal Eirene oder den Luca zu fragen, ob sie ihm im wahrsten Wortessinne zur Hand gehen wollten. Zum Schreiber der Stadtwache wollte er damit nicht. Der war ja schon griesgrämig, wenn man ihn dazu aufforderte, einen Bericht ins Reine zu schreiben.

Berichte, wie etwa dieser schreckliche Versuch eines ihrer neuen Rekruten. Er hatte sie dazu aufgefordert, in Anlehnung an bestehende Berichte, die sie als Vorbild nehmen solle, eigenständig einen Bericht zu den jüngst im Armenviertel aufgetauchten Giften und … diesen Objekten, die Feuer und Rauch spuckten, zu verfassen. Wie sich herausstellen sollte, kam dabei nichts ordentliches heraus, wurde jedoch dadurch ausgeglichen, dass Gotmar wenig später mit detaillierten Informationen vom Stadtvogt kam. Derzeit wurden Gegenmaßnahmen erwogen, um den freien Handel zu behindern. Das war, so fand Lysander, recht und billig. Denn diese schrecklichen … Dinger.. waren Hexenwerk oder etwas Ähnliches! Nicht auszudenken, was sie in den falschen Händen anrichten konnten. Die Furcht vor ihnen hinderte ihn aber nicht, zu befinden, dass es rechtens wäre, wenn die Stadtwache Zugriff auf sie hätte. Er wollte verdammt sein - wie sehr würde es etwa Razzien erleichtern…! Bei den Göttern, auf jeden Fall würde er dann doppelt so viele Amulette tragen, wie jetzt; nur zur Sicherheit! Was indes das Gift anging, so mochte er damit nichts zu tun haben. Schon seinerzeit, als er selbst noch auf Seiten des alten Hafens stand und nicht auf jener der Stadtwache… hatte er Gift nicht ausstehen können. So was mochten dreckige Juren oder diese verlausten laskandischen Herumtreiber verwenden. Ein Galatier sicher nicht!
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