Von Leuchtfeuern und Seemannsgarn
#6
Episode 6 - Alltag

Anfang Hartung 1402
Löwenstein




Mittlerweile vermochte er eine regelmäßige Befeuerung des Leuchtturms zu gewährleisten, seit die Vesorgungskette mit den Meistern Seamus Kilian und Ley Animar sichergestellt war.
Allabendlich hatte sich so eine Routine innerhalb weniger Tage eingebürgert.
Tagsüber hatte er meistens Verwaltungsaufgaben innerhalb des zeughauses der Stadtwache wahrzunehmen, selten Wachgänge; alles in allem allerdings deutlich weniger, als zuvor. Denn er brauchte den Schlaf für die nun (wieder) häufigeren Nachtschichten, die in der Natur der Sache eines Leuchtturmwärters lagen.
Pünktlich zur Dämmerung stand er deswegen immer auf der Turmplattform und wuchtete Bruchholz in rauen Mengen die Leiter hinauf zur Brandplattform. Der alte Kniff, die zumamengelegten Finger zwischen die untergehende Sonne und die Kimmlinie zu halten, erwies sich auch hier als wertvoll und nützlich.
So vergingen die ersten Tage des neuen Jahres mit Wachdienst, Papierkram (oh, wie hasste er ihn!) und dem Leuchtturmdienst. Allein, zumeist.
Nicht, dass es ihm allzu viel ausmachte. Lysander war im Vorfeld der Bewerbung schon klar gewesen, dass ein Leuchtturmwärter viel zeit alleine verbrachte, war er doch besonders zu Nachtesstunden auf den Beinen. Wenn er bei den Probeläufen mit den anderen Hälzern - Mishcholz, Eiche - und Kohle voran kam, konnte er vielleicht sogar die Ruhezeiten in der Nacht verlängern. Bisher musste er alle zwei Stunden, spätestens, hinauf und das Feuer überprüfen... mit dem richtigen Verhältnis an langbrennenden Hälzern konnte er vielleicht die Wach- und Schlafphasen erreichen, die er von seiner Zeit auf See gewohnt war.
Und in der Folge tagsüber wieder mehr wie ein Mensch herumzulaufen, als wie ein Schlafwandler.

Eine willkommende Abwechslung im routinierten Einerlei boten zwei Personen - ein Amhraner und eine Galatierin.
Als höchst erfreulich und schmeichelnd stellte sich das zufällige Treffen auf die Medica Eirene Kerlow heraus. Sie kannten uns schon vom Sehen eine geraume Zeit, denn jeder Galatier war in der Fremde sehr sensibilisiert auf die Anwesenheit seinesgleichen. Wirklich viel zu tun hatten sie indes lange nicht. Bis zum 04. Hartung, an dem sie sich kurz hinter dem Glockenturm über den Weg liefen und ins Gespräch kamen. Schnell machte man gemeinsame Bekannte aus, später, im Laufe des gemeinsam auf dem Leuchtturm zugebrachten frühen Abends stellte sich zudem heraus, dass ihre Väter sich kannten. Ihr Vater, Heilkundiger wie sie selbst, lebte wie ihre ganze Sippe auf Prenne. Mit den Kerlows standen die Domhnaills seit einem Besuch auf der Insel in Kontakt, als es darum gegangen war, eine Brautsteuer in Form eines Fischerboots abzuholen. Per Handschlag, wie es recht und billig war.
Das Wissen um eine gemeinsame Vergangenheit ihrer Sippen ließ die letzten Barrieren brechen, so dass sie offen über ihre jeweilige Vergangenheit, die Gründe der Abreise aus der Heimat, ihr bisheriges Leben in Amhran - kurz.. über alles sprachen, was sich eben gerade bot. Ein paar Anekdoten zur See und ihren abenteuerlichen Gefahren inklusive, was bei einer Seefahrer-Sippe wie der der Domhnaills nicht allzu schwer war.
Der klugen Medica aus Prenne schien es zu gefallen, denn sie lud Lysander dazu ein, einmal mit ihr Fisch nach Art Prennes zu essen. Überhaupt sei es ja eine Schande, dass so viele Leut' den Fisch als Nahrungsmittel schmähten, denn er wäre doch unvergleichbar in Geschmack und Wert. Da waren sie sich absolut einig. Lysander wollte ihrem Angebot auf jeden Fall nachkommen, ja, fühlte sich geehert - als sie dnan auch noch mit einem Teppich, einem Bärenfell und Wolfsfellen als Geschenk und Spende daherkam, schlich sich sogar etwas Betretenheit dazu. Das hätte er sich selbst kaum leisten können...Aber sicher, sie war ja auch Beraterin seines neuen Dienstherren, des Stadtvogts. Eine Wahl, die der Edle sicher nicht bereuen würde.

Der Leuchtturm sollte dieser Tage noch mehr Besucher sehen. Zwar nicht so anmutige Rothaarige, aber immerhin. Irgendwie gefiel es ihm ja dann doch, nicht so allein dort oben zu sein...
So hatte die Stadtwache jüngst einen neuen rekruten in dem SIlendirer Harold Vanke gefunden. Ein Kerl mit Allerweltsgesicht, der seiner Ausrüstung nach zu urteilen aber wußte, sich zu wehren. Auf's Maul gefallen war er auch nicht, nur vielleicht noch etwa zartbesaitet, was die peinliche Befragung anging. Aber das würde man ihm schon austreiben. Er hatte ein gesundes Verhältnis zur Obrigkeit, von ihm würde Lysander sicher nie solch gefährlichen Mumpitz hören, dass man "das Volk beteiligen" müsste oder solch ein Mist, auf den manch andere Amhraner kamen! Und das war auch gut so!
Er hatte keine Zweifel, dass Vanke sich schnell einleben würde. Unterweisungen im Wachdienst und den Verordnungen hatte er schon auf dem Plan für den Jungen.
Bald würde Vanke das verinnerlicht haben, was er schon auf unserem ersten Wachgang bemerkt hatte - Stadtknecht zu sein, heißt vor allen Dingen, gut zu Fuß zu sein, mit dem Knüppel nicht zu zögern und sich aus unnötigem Ärger herauszuhalten.
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Episode 6 - Alltag - von Lysander O'Domhnaill - 08.01.2015, 16:47



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