Von Leuchtfeuern und Seemannsgarn
#5
Episode 5 - Behördengänge, Wintereinbruch

30. Julmond 1401
Löwenstein



Sein Gespür und seine Nase hatten ihn am Abend des 23. Julmonds nicht hinter's Licht geführt: Der erste Schnee fiel und blieb seitdem hartnäckig auf den Feldern, Wäldern, in den Gassen und Straßen. Ebenso, wie sich auf den gepflasterten Straßen spiegelglattes Eis bildete, kroch die Kälte auch in die Dienstwohnung des Leuchtturmwärters.
Keine Frage, die Arbeit der beiden Meister Animar und Kilian war makellos ausgeführt und ließ keinen Grund zur Klage. Doch trotz der mehrschichtigen Bauweise und Verdämmung drang an einigen Stellen eisig kalter Luftzug durch die Wände herein. Und da die Stürme jetzt im Winter von der Meerseite her nur mehr zunahmen, denn abzunehmen, war es notwendig, Maßnahmen einzuleiten. Schließlich wollte er nicht unnötig frieren müssen oder eher, dank des Kachelofens, es zwar warm haben, aber Unmengen an Holz zu verheizen. Holz kostete schließlich Geld und das Kontingent an Bruchholz, das er von der Stadt pro Monat gezahlt bekam, war schließlich für das Leuchtfeuer vorgesehen; zumindest das Gros.

Während er am heutigen Abend in der Schreibstube des Rathauses saß und darauf harrte, dass der Stadtschreiber Ceslav ihm die Quittungen heraussuchte, die er überstellt hatte, sann er über das Verdämmungsproblem nach. Kalfatern. Ja, das hatte er schon zu Baubeginn in Erwägung gezogen. Daran würde er nun wohl tatsächlich nicht vorbeikommen - so sehr es zu Anfang auch stank, es half, das wusste er noch von seiner Zeit auf See. Was das Eindringen von Wasser vermied, hielt auch Luftzug, Kälte und Frost ab. Jawohl, so würde er es machen...
Die Gedankengänge, die ihn schon dazu führten, eine Liste im Kopf zu allem anzulegen, was er benötigte, wurden abrupt unterbrochen: Der Stadtschreiber Ceslav teilte ihm mit, dass mit der Ernennung des neuen Stadtvogts auch interessante Neuerungen für die Stadtangestellten nahen würden. Ein jeder habe sich aufs Neue zu bewerben! Doch das sei wohl eher Formsache, genaueres wisse er aber auch noch nicht. Eben dieses kam dann am späten Abend mit dem Brief von Frau Misitia in seine Dienstwohnung. Ein Beamtentreffen zu Beginn des kommenden Jahres sollte die Informationen bieten, auf die sie alle sannen, die sie im Sold der Stadt standen.
Er fragte sich wieder einmal, warum alles so kompliziert sein musste in Amhran. Bürokratie, wie sich es hier nannte, galt als regelrechter Selbstzweck. Doch er murrte nicht, denn es war nur natürlich, dass es Herren gab und jene, die es nicht waren. Und der neue Vogt war eben ein solcher - ein Herr. Da war es sein gutes Recht, sich selbst ein Bild seiner Dienstleute zu machen.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Episode 5 - Behördengänge, Wintereinbruch - von Lysander O'Domhnaill - 31.12.2014, 13:57
Episode 6 - Alltag - von Lysander O'Domhnaill - 08.01.2015, 16:47



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste