FSK-18 Tagebuch einer Kurtisane - die zwei Schwestern
#3
Tag des Dienstes, 7. Gilbhart 1401

Ich bin froh, dass der heutige Tag nicht allzu hell und mehr wolkenverhangen beginnt, da mich mein Kopf sonst ins frühe Grab bringen würde. Frau Darandor sollte Recht behalten, dass ihr Honigwein wirklich von feinster Qualität ist, aber drehen tut sich trotzdem noch alles. Ich habe einmal wieder zuviel getrunken. Destina muss mich unbedingt davon abhalten.

Als ich heute morgen zu Sonnenaufgang zum ersten Mal aufwachte, erinnerte ich mich an einen merkwürdigen Traum: Ich war in einer Kirche und trug ein wunderschönes weiß-fliedernes Brautkleid. So viele Leute waren da um der Feierlichkeit beizuwohnen. Destina stand in einem grau-rosé-farbenen Jungfernkleid neben mir und grinste mir alles und nichts sagend zu. Vor mir stand der Prediger unseres Herrn und lächelte mir glücklich zu, da er sich scheinbar genau so freute wie ich, dass ich mein Glück fand und dieses nun besiegeln wolle. Ja, ich war so unendlich froh und verliebt, dass mein Herz vor Aufregung schlug wie die Hufe eines Rennpferdes. Und neben mir stand mein zukünftiger Ehemann: Eine Ziege. Und sie machte Mäh.

Dieser Anblick genügte scheinbar um mich aus den Träumen zu reißen und ich bin auch froh, dass er es tat. Ich will nicht wissen, was meine Fantasie und der Rest des Honigweines noch für verrückte Dinge in meinem Kopf getan hätten. Ich erinnere mich grob daran, dass ich mich recht peinlich beim Abschied von den Eheleuten Darandor benommen habe und Destina mir noch den Unterschied zwischen einer Ziege und einem Hermelin erklärte, was zuletzt schonmal wegen der Größe offensichtlich ist.

Doch genug von meinen Fehltritten, ich halte mich sonst noch selbst für unzurechnungsfähig.

Wenn ich mich umdrehe, sehe ich einen riesigen Haufen nagelneuer Kleider. Sie sind alle so wunderschön, ein Teil hübscher als das andere. Sie alle konnten wir uns dank einer großzügigen Kundin leisten. Und alles, was wir dafür tun mussten, war uns gegenseitig zum Höhepunkt zu führen, während sie uns dabei zusah.

Diese Stimmung war einfach romantisch, fast schon magisch. Der ganze Raum duftete nach feinem Lavendel und das Licht der untergehenden Sonne durch die leicht durchsichtigen Vorhänge liess Destina nochmals schöner aussehen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich langsam aber sicher meine Kleider verlor und die folgenden Stunden nur noch ein atemberaubender Sturm der Leidenschaft war.

Ich fühlte mich willenlos, ich sah alles um mich herum nur noch geschehen, konnte aber wenig dazu tun, da mein ganzer Körper wie in einem einzigen Moment der Extase gefangen war. Manchmal verfluche ich es, dass du alle meine Schwachpunkte kennst, Schwesterherz. Wie du mich mit mir spielend näher und näher an meine Grenzen brachtest und letztendlich jede Wehr zwecklos war, als mein Körper sich restlos der Leidenschaft hingab.

Ich denke gerne an diese Nacht zurück, denn sie war einfach perfekt. Und einträglich. 40 Schillinge waren wir unserer Kundin wert. Und ein wortloses Versprechen, wiederzukommen, sobald sie uns ruft. Und wir werden da sein.

Der gestrige Tag war einfach wundervoll. In vielerlei Hinsicht.

Denn zusätzlich zu dieser mehr als großzügigen Bezahlung, hatte ich seit nun über sechs Jahren einmal wieder das Gefühl, bei Menschen zu sein, die ich Freunde nennen kann. Ja, vielleicht bin ich tatsächlich zu naiv, aber es fühlt sich gut an.

Ich hielt die Aussage des Herrn Darandor, dass wir zum Tee bei ihm erscheinen sollen, anfangs für einen Jux, doch entschieden wir uns (hier ist ein Teil durchgestrichen und ausgeschwärzt) mit der noch verbleibenden Zeit des Abends etwas sinnvolles anzufangen und diese anzunehmen.

Warum, weiss ich nicht, aber er begrüßte uns wie langjährige Bekannte in seinem schön eingerichteten Geschäft und auch seine Frau liess nicht lange auf sich warten und begrüßte uns nach allen Regeln der Gastlichkeit. Ich weiss noch, dass ich zu Beginn verwundert war, da wir die Beiden erst einmal sahen, damals, als Destina fast ihren Hintern in den Stadtkerker gepoltert hätte. Aber ich weiss, dass du das alles für mich tust, Schwesterherz und ich würde das selbe für dich tun, Hauptsache es geht dir gut.

Wenn ich mich zurück erinnere, ist es sogar länger als sechs Jahre her, als wir zum letzten Mal gefragt wurden, was wir denn essen möchten. Zuhause gab es immer das, was auf dem Tisch stand. Und dann auch nur in kleinen Mengen, da wir als Töchter des Handelskontors Wolkenstein auf unsere Taille achten müssten. Es verwunderte mich daher nicht, dass das fürstlich anmutende Abendessen schneller verschwunden war, als es aufgetischt wurde.

Es gab frischen Joghurt mit Honig darin. Alleine diese Köstlichkeit gab mir mit jedem neuen Löffelchen das Gefühl greifbaren Glücks. Ich konnte nicht anders, als mir sehr lange Zeit dafür zu lassen, sodass ich fast den Hauptgang nicht mehr meistern konnte: Frau Darandor tischte einen gewaltigen Fleischkuchen auf. Feine Gewürze und genau abgestimmte Zeit im Ofen machten diesen zu einer Gaumenfreude sondergleichen. Es tat mir innerlich so leid, dass ich mich bereits durch die delikate Vorspeise derart gemästet fühlte, dass ich nur wenig von dem verführerisch duftenden Mahl hinein bekam. Manchmal wünsche ich mir ein wenig von deinem jugendlichen Übermut, Destina. Denn dort, wo ich bereits zuviel hatte, machtest du noch fleissig weiter. Genau wie bei dem Kuchen, der gegen Ende des Mahles platzraubend auf dem Tisch stand und alle mit seinem köstlichen Duft erfreute.

Und dann wurde der Zapfhahn des Fasses Honigwein geöffnet. Fatalerweise, denn ab diesem Zeitpunkt verschwimmen meine Erinnerungen an diesen Abend mehr und mehr. Es war jedoch gut, unter Freunden zu sein und sich gehen lassen zu können. Einmal. Ohne jemanden zu befriedigen.

In Liebe,

Jael
o°˜"ª¤.¸ღ¸.¤ª"˜Une fois n’est pas coutume ˜"ª¤.¸ღ¸.¤ª"˜°o
Je ne veux pas dire que je te l'ai dit, mais je te l'avais dit que tu m'aimeras -
alors goute le péché de ma peau.
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RE: Tagebuch einer Kurtisane - die zwei Schwestern - von Jael Wolkenstein - 07.10.2014, 17:27



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