Durch den grauen Schleier
#3
Schimmernder Glanz

Es war keine besonders düstere Nacht. Aber dazu hätte Sophie ohnehin etwas zu sagen gehabt. Sie hätte etwas gesagt wie dass es keine düsteren Nächte gebe. Nur Wolken die Mond und Sterne verdeckten, nur düstere Orte die einen selbst vom schwachen Schimmern der Sterne trennten. Demnach hätte es keine düsteren Nächte, sondern nur düstere Orte gegeben. Orte an denen man nicht sein möchte. Und zu Orten an denen man nicht sein möchte, hätte Sophie auch etwas zu sagen gehabt. Wahrscheinlich hätte sie sich aber zurückgehalten und verheimlicht, dass ihr Kopf oft genug ein schlechter Ort war um zu verweilen. Und die Nacht war so manches Mal ein schlechter Zeitpunkt um an diesem Ort zu verweilen. Denn in ihren Gedanken vermochte so Vieles Schatten zu werfen. Es gab zu viele Nächte die ihr das Prasseln des niedergehenden Regens auf Fensterscheiben und Dächern verwehrten und in kompletter Stille mochten sich manche Gedanken zu weit vor wagen. Keine Gedanken die per se schlecht waren, nur Gedanken die von einem eigenwilligen Verstand auch an düstere Orte geführt werden mochten. Sophie wusste, dass sie diese Reisen nicht verhindern konnte. Und dass ihre Gedanken stets etwas von dort mitbrachten. Und so geschah es auch in dieser Nacht, und ein weiteres Mal war ein Stück Pergament die Bühne, auf der sich das Spiel ihrer Gedanken inszenierte, das diese irgendwo, in weiter Ferne aufgeschnappt hatten.

Ich tanze einen stillen Tanz,
im blassen Licht gleichgült'ger Sterne,
kein Ziel, kein Zweck
im Herzen frei und doch getrieben
getrieben in weite Ferne

Oh Süße Schwester Schimmernder Glanz,
warum siehst du mich so an?
Warum siehst du mich so an,
ist das Dunkel im Innern das dich hetzt?
Nimm meine Hand, wir wissen sie ist die schwache,
lass uns tanzen bis zum Ende,
und die Hände halten bis zuletzt
Du fürchtest um dein Herz,
schreiend, eilend, weinend,
dass es niemals findet Ruh'
Süße Schwester Schimmernder Glanz,
nimm meine schwache Hand und leg dich nieder,
deine Schwester wacht heute während du schläfst,
und schützend decke ich dich zu,
niemand findet uns hier wieder,
und niemand stört hier deine Ruh'

doch tanze ich einen stillen Tanz,
im blassen Licht gleichgült'ger Sterne,
kein Ziel, kein Zweck,
im Herzen frei und doch getrieben,
getrieben in weite Ferne.

Es kommt die Nacht und Stürme wüten,
Schatten, Bestien, Sterben, Schmerz
Dunkelheit gebiert neue Monster
Einsamkeit bricht zweifelnd Herz
oh Süße Schwester Schimmernder Glanz,
mein Herz ist bei dir,
taumelnd, stolpernd,
kreisend, fallend.
Ein Teil von dir wird niemals brechen,
denn dieser Teil er stammt von mir,
und irgendwo, in weiter Fern',
da tanzt es einen stillen Tanz,
und dieser Tanz
er gilt nur dir.

Ich tanze einen stillen Tanz,
im blassen Licht gleichgült'ger Sterne,
kein Ziel, kein Zweck
im Herzen frei und doch getrieben,
getrieben in weite Ferne

und doch werden sie dich zuletzt fragen
"Süße Schwester Schimmernder Glanz, hast du sie gekannt?"
und du wirst schweigen, ihnen nichts sagen,
über deine tanzende Schwester, mit schwacher Hand

Und als auch diese Gedanken niedergeschrieben worden waren, fand auch sie Ruhe. Das Pergament wurde nicht mehr angesehen und der Nacht sowie einem darauffolgendem Morgen hinterlassen.
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RE: Durch den grauen Schleier - von Sophie Mia Kylli - 03.06.2014, 11:35



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