Von Bastarden und Hirschen
#1
An dem einzigen Ort, der noch ihr gehörte, blieb ihr nichts mehr als das Echo von Trauer und die Gedanken der Vergangenheit. Während ihr Blick längst nicht mehr die Realität an sie heran brachte, nur noch schwer und verschwommen war, dachte sie daran wie alles begann. Es war nicht so, dass sie die Situationen noch zusammen gebracht hätte, als sie die ersten Schritte in der Familie Jehann gesetzt hatte. Aber zu jedem einzelnen dieses großen Ganzen, aus dem sie verstoßen wurde, gab es eine Geschichte.

[Bild: 1268124841_diane2_by_krzysztof20d.jpg]


Kaslyn Wulfhain

Kaslyn lernte ich noch kennen als das Haus voller Lachen und Freude war. Sie kann kochen und backen wie keine zweite und ihre herzliche Freundlichkeit berührte jeden, der das Vergnügen hatte Zeit mit ihr zu verbringen. Ich freute mich jeden Morgen sie zu sehen, nicht nur wegen diesen leckeren Eierküchlein, in die sie irgendetwas Besonderes mischte von dem ich nie so recht verstand was es ist. Ich bin sogar richtig fett geworden, so lecker wie Kaslyn gekocht hat und sie hätte mich zu vielen Dingen verführen können, mit diesem tollen Essen. Es war richtig schwer aufzuhören.

Mit Kaslyn habe ich eine Menge geredet und eine Zeit lang lebten wir zusammen. Ich fand sie nie naiv, auch wenn sie sich immer freundlich gab und ich hatte nie einen Grund ihr zu grollen. Sie wusste, dass da etwas um mich war, dass ich ihr nicht die ganze Wahrheit erzählte, aber sie drängte nie dazu, verlangte nie von mir, dass ich es erzähle und als sie es dann erfuhr, reagierte sie nicht mit Ekel.

Ich hoffe sie wird nie erfahren, dass ich Schuld an ihrem Unglück hatte, auch wenn es keine Absicht war. Ich wollte wirklich, dass sie glücklich und zufrieden ist. Das was geschehen ist, habe ich einfach nicht erwartet, nicht so. Es schmerzt mich, dass unsere Freundschaft so plötzlich endete und noch mehr schmerzt mich zu wissen, dass wir nie wieder Freunde sein werden. Aber wenigstens weiß ich, dass es ihr nun gut geht und sie das Ende nicht mit angesehen hat, gar nicht wusste was passiert ist.
Sie hat es richtig gemacht. Sie war schon vorher fort.


Vigga

Vigga sah ich meist nur Morgens und auch das nur selten. Ich habe gern für sie in der Mine gearbeitet und als das nicht ertragreich war, da habe ich die Eisenerze eben am Markt gekauft. Fast jeden Tag habe ich sie geschleppt, habe die Fässer nachgefüllt und war froh, wenn ich gesehen habe, dass sie sie schon eingeschmolzen hatte.

Ich weiß nicht einmal mehr wie viele Münzen ich in Eisenerze gesteckt hatte, aber es war mir auch egal, weil Vigga dann jedes Mal so aussah, als wäre das wirklich gut, wenn Erze da sind. Wir mussten nicht viel miteinander reden um einfach zu funktionieren, zu wissen, dass es den jeweils anderen gibt.

Sie hat sich stets zurück gehalten, mit allem. Nie war sie in irgendeinen Konflikt beteiligt. Sie war da, sie war ruhig und sie störte niemanden. Vielleicht hätte ich mir an Vigga eine Scheibe abschneiden müssen, vielleicht wäre es anders gelaufen, wenn ich mich von Anfang an verschlossen hätte. Sie besitzt viel innere Stärke und sie weiß wann es besser ist nichts zu sagen. Es gibt nun keinen Grund mehr für sie mich zu beachten, und für mich gibt es keinen Grund ihr hinterher zu stellen. Es ist so schade, dass ich sie nicht kennenlernen werde, so wie sie es verdient hat.


Mirabell

Unsere ersten Begegnungen waren so wie unsere letzten. Ich habe sie immer schon verwirrt und sie konnte mich nie einschätzen. Wir waren keine Freunde, aber als Feind würde ich sie auch nicht bezeichnen. Mirabell existierte, sie verrichtete ihre Arbeit und fiel mir sonst nur wenig auf. Es war herrlich sie zu verwirren und ehrlich gesagt, ist es auch schon die einzige Eigenschaft, mit der sie mir in Erinnerung bleiben wird. Es gab dieses eine Mal, da war sie so bestürzt, dass sie flüchtete. Es war nicht klug von mir, aber eindeutig war ihre Reaktion es wert.

Es war zu der Zeit als ich schlecht schlafen konnte und Carl mir erlaubt hatte bei ihm im Büro zu nächtigen wann immer er eben nicht da war. Und das nutzte ich auch. Es war beruhigend in seinem Bett zu schlafen, zu wissen, dass in der Nacht niemand kommen würde mir etwas anzutun. Meine Alpträume waren wie fort gewischt. Ich war einfach sicher. Manchmal, wenn ich Nachts aufwachte und das Licht um die Ecke flackern sah, wusste ich, er arbeitete. Nach einer solchen Nacht kam Mirabell Morgens in das Büro und sah mich verschlafen und mit zerzausten Haaren frühstücken. Sie war so schockiert und mir machte es so einen Spaß sie aufzuziehen, dass ich im „Bett des Herrn“ schlafen würde, dass ich einfach nicht aufhören konnte. Sie bekam ganz große Augen, stammelte und wusste nicht so recht was sie überhaupt sagen konnte. Sie hat es nie angesprochen, aber immer wenn ich sie gesehen habe, kam dieser Ausdruck erneut auf. Den werde ich nie vergessen.


Eirene Kerlow

Als ich Eirene kennenlernte, war sie alles andere als nett. Sie schrie mich oft an und meckerte so hysterisch, dass ich ihr versuchte aus dem Weg zu gehen. Ich mochte sie nicht so gern und sie mich wahrscheinlich auch nicht. Aber jeden Tag, den ich in der Familie blieb, sah ich, wie viel diese Frau arbeitete, wie liebevoll sie sich um alle kümmerte. Und da konnte ich einfach nicht mehr. Ich erinnere mich noch, wie ich ihr Morgens etwas zu Essen brachte, nachdem sie sich die ganze Nacht im Heilerhaus um Patienten gekümmert hat. Wie sie mich anlächelte, wie glücklich sie über diese kleine Geste war und ich wusste, dass ich einen Freund gefunden hatte.

So viel haben wir zusammen erlebt und durchlebt. Sie war meine Lehrmeisterin in so vielen Dingen und nur für sie war ich bereit über Wochen hinweg auf dieser schrecklichen Insel meinen Dienst zu tun. Ich erinnere mich noch wie wir gemeinsam diesen Matsch für das Moorbad geholt haben und sie ganz felsenfest davon überzeugt war, dass es gut gegen die Keuche sein würde. Ich war ja sehr skeptisch, aber die Wärme tat mir echt gut. Und dieser scheusliche Tran. Nicht nur einmal quälte mich damit die Fischleberstücke zu pressen und dann verteilten wir den Tran auf der Straße. Aber irgendwie war es gut, so wie es lief.

Und wie sie mir geholfen hatte, als wir uns als Paar tarnten, damit uns die Männer in Ruhe ließen! Meine Geliebte war sie! Meine größte Liebe. Diesen Plan heckten wir noch im Lager des Anwesens aus und kicherten uns fast zu Tode. Lange Zeit lebten und schliefen wir über einem Dach und ich war froh darüber. Froh, dass sie mich so akzeptierte wie ich bin, froh, dass sie einfach da war wenn ich sie brauchte und auch froh, dass ich für sie da sein konnte. Eirene ist eine meiner besten Freundinnen. Ganz gleich was passieren wird.


Inara Deljew

Mein erstes Essen seit Jahren, nachdem kein Loch im Bauch zurück blieb, genoss ich an Inaras Seite. Inara war immer ein Hort der Ruhe, eine Sicherheit, die da bleiben würde, ganz gleich was passiert. Sie war immer gerecht und ich habe zu lieben gelernt, wenn sie lächelte oder lachte. Dieser Ausdruck um ihre Augen gab einfach das Gefühl, dass man hier aufgenommen war. Ich erinnere mich noch an dieses eine Gespräch im Keller, in der ich meine Gefühle gestand. Sie lachte mich nicht aus. Sie war einfach da, wusste doch nichts, aber sie forderte das Wissen auch nicht. Sie zwang mich nicht ihr die Wahrheit zu sagen.

In all den Monaten haben wir nie viel miteinander gesprochen und doch hatte ich immer ein gutes Gefühl, wenn ich ihr geholfen habe. Es war wie Balsam ihr am Hof helfen zu können, erst nur mit dem Ertränken von Pflänzchen, dann auch mit den Tieren. Das war wie eine Therapie gegen alles was sonst noch geschah. Tiere sind nicht gehässig. Ich erinnere mich noch genau, wie sie mich umarmte, als ich ihr endlich das brachte, worum sie mich gebeten hatte. Sie war so glücklich und mich machte es das auch. Nie hätte ich etwas von ihr gefordert und ihr doch bereitwillig alles gegeben. Ich würde nie ein schlechtes Wort über Inara verlieren. Nie.

Innerlich hoffte sie, dass Inara sie nicht abweisen würde, wenn sie hungrig zum Hof kommen würde. Wo sollte sie nun auch sonst etwas zu essen bekommen? Sie hatte Angst davor nochmals nach Zweitürmen und zu den Höfen zu gehen. Aber vielleicht würde sich diese Angst legen, wenn der Hunger groß genug war.


Simon Greif

Ich ging durch Südwald. Meine Gedanken waren überall, nur nicht in mir. Ich genoss den Wald, genoss es alleine zu sein, lauschte dem Eifer eines Rotkehlchens, bis ich diese quicklebendige Stimme hörte. Er war vom ersten Augenblick nett. Ich nicht. Und so zogen wir durch die einfachen Wege entlang, unterhielten uns, bis wir vor den Toren Löwensteins zueinander standen. Er war sich unsicher was er von mir halten sollte. Und ich, ich wollte nur wieder in die Einsamkeit.

Wie schnell sich unsere Wege doch wieder kreuzten. Kaum zwei Wochen später saß ich neben ihm im Anwesen der Jehanns. Einen Ort, den ich ihm empfohlen hatte und den er sich für einen Neuanfang ersuchte. Er brachte mir etwas zu Essen, pickte mich in die Seite, warf Luftküsse, wenn ich mich brüskierte und war sonst all das was nötig war, dass ich meine Scheu ablegte. Ich hatte Angst vor so vielen Fremden, irgendwie hat er das gespürt, irgendwie wusste er was nötig war, dass ich die Angst verlor. Wir wurden Freunde.

Ich erinnere mich noch wie wir im Dunkeln zueinander standen und er mir seine Liebe gestand. Ich hatte Angst um unsere Freundschaft, war völlig überfordert und log ihn an, weil ich ihn nicht verletzen wollte. Wie konnte ich ihm auch erklären, dass Liebe für mich nicht möglich war? Schon gar nicht an einem Ort wie diesen. Ich glaube, dass das der Anfang vom Ende war. Ich glaube, dass er mir das nie verzeihen konnte. Unsere Freundschaft brökelte.

So viel Zeit ich entbehren konnte, war ich bei ihm. Wir haben viel geredet, meistens auch nur gescherzt und ich war froh, dass er einfach da war. Über Stunden war ich im Wald, nur für ihn, weil er Holz brauchte. Wäre seine Freundschaft nicht gewesen, ich hätte nie so hart und so viel gearbeitet.

Ihr Gedanke endete so abrupt, wie nur möglich. Sie wollte nicht weiter an ihn denken, sich nicht erinnern was dann plötzlich folgte, dafür war die Freundschaft zu kostbar gewesen und sie ertränkte alles andere. In dem Moment verabschiedete sie sich von ihrem Freund Simon Greif.
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Nachrichten in diesem Thema
Von Bastarden und Hirschen - von Somberlie - 17.03.2014, 22:55
Prolog - von Somberlie - 13.06.2014, 00:12
Splitter. - von Gast - 11.01.2015, 03:36



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