Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#47
Forschung: Kettenhemd aus Rabenstahl – Vorbereitung

Er flucht laut, als er sich mit dem Blech über die Handinnenfläche fährt. Das Leder der abgetragenen Fingerlinge gibt nach und er fährt mit der scharfen Kante über Verband und Haut. Weshalb trifft man immer wieder auf die selbe Stelle, wenn man sich verletzt hat? Was haben sich die Götter dabei gedacht? Mit einem Knurren wirft er das Blech auf den Thresen und starrt auf den schmutzigen Verband hinab, der sich zart rot einfärbt. Auch das noch. Gefällt dir mein heutiges Werk etwa nicht, Lugh? Möchtest du etwas anderes sehen?

Seufzend setzt er sich auf seinen Arbeitshocker und befreit die Hand von dem Stück Stoff. Die Wundränder waren eben dabei sich zu beruhigen und wollten sich einander annähern, wie ein streng zusammen gepresster Mund. Jetzt klaffen sie wieder auseinander. Dann auch noch die rechte Hand. Er kann sich Orestes Worte förmlich in den Kopf rufen »Du solltest die Hand schonen! Übertrage deinem Lehrling die dringlichen Arbeiten.«

Er hätte es getan, wenn ihm Leon denn die Tage unter die Augen gekommen wäre. Aber ihm kann er keinen Vorwurf machen. Die jungen Früchtchen wachsen in die Richtung, wie es ihnen gefällt und wo die Sonne scheint. Der Schmied tunkt einen halbwegs sauberen Lappen in den Eimer neben der Werkbank und wickelt das kühlende Stück Stoff wieder um die eigene Pranke. Mithilfe der Zähne setzt er einen Knoten und hält sich so das Blut vom Leib und vertreibt das dumpfe Pochen.

Jetzt, da er schonmal sitzt, kann er einen Blick in sein zerfleddertes Notizbuch werfen. Vielleicht findet sich eine weniger anspruchsvolle Aufgabe. Aus alter Gewohnheit will er die Seite mit der umgeknickten Ecke – einer eindeutigen Markierung – weiter blättern, als er inne hält. Seit Mondläufen drückt er sich schon davor und vielleicht ist heute der Tag. Dort hat er notiert, dass Kordian sich ein Kettenhemd aus Rabenstahl wünscht.

Warum benötigt der Krieger ein Kettenhemd aus dem Götterstahl, wenn er bereits einen Plattenharnisch daraus hat, der Teils mit Ringgliedern ergänzt ist? Aber gut, Kordian ist ein Ritter und er wird schon seine Gründe haben, sollte man zumindest hoffen. Die Frage ist nur, ob der Soldat überhaupt weiß, wie viele Arbeitsstunden in einem solchen Hemd stecken? Jeder Ring will mit vier seiner Nachbarn verbunden werden, wobei die Kombination nicht wahllos sein darf. Jedes Stück, zum Ring gebogenen Draht hat seine eigene Position. Zusammengefügt mit tausenden, gar zehntausenden seiner Brüder ergibt es ein Kettenhemd. Entsprechend viele Stunden benötigt das Flechtwerk. Ganz zu schweigen davon, dass die Arbeit alles andere als Abwechslung verspricht.

Gut, am Kragen und unter den Armen wird ein anderes Flechtschema zu Rate gezogen, aber abgesehen davon ist es gleichmäßiges Knüpfen von Reihe zu Reihe. Am Anfang mag die Arbeit meditativ und gar anspruchsvoll sein, aber sobald man seinen Rhythmus gefunden hat, ist es eintönig. Im Gegensatz zu einer Platte, für die maßgenau das Blech geschnitten, gebogen und zusammen genietet wird, reicht für ein Kettenhemd die Körperlänge und die Schulterweite.

Vielleicht ist es an der Zeit dem Sehnen nachzugeben. Aber nicht, ohne dass sich der Krieger selbst daran beteiligt. Aki packt eine Kiste mit einem Kettenhemd aus Stahl, sowie einigen Ringteilen aus selbigem Material und legt einen knapp beschriebenen und entsprechend kritzeligen Fetzen Pergament bei, ehe er die klimpernde Sendung nach Candaria an die Front schickt.



Lugh‘s Segen Kordian,

wenn du noch an dem Gedanken eines Kettenhemdes aus Götterstahl fest hältst, benötige ich deine Bereitschaft mir ein zweites Mal zu helfen. Ich hab dir ein Kettenhemd aus einfachem Stahl mit geschickt. Studier die Knüpfstruktur und fertige ein paar Reihen aus den beigelegten Ringen an. Ganz gleich ob du erfolgreich oder nicht bist, sollst du den Aufwand einschätzen können und verstehen, woraus ein solches Hemd besteht. Ich lass demnächst für weitere Schritte nach dir schicken.

[Bild: 2y3wsty8.gif]

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RE: Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes - von Aki Durán - 06.05.2018, 18:39



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