Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#37
Forschung: Plattenhalsberge aus Rabenstahl - Vorbereitung

»Ach dafür ist das Horn!« murmelt der junge Bursche, der über die kleine Mauer der öffentlichen Schmiede lugt. Aki bearbeitet soeben einen mattschwarzen Plattenstreifen am Amboss, die er immer wieder in flüssiger Geschwindigkeit über die Nase des Selbigen führt. Dabei erfolgen feste, gezielte Hammerschläge, die dem vorher erhitzen Blech eine gleichmäßige Krümmung verleihen.
Kleine Stiefel scharren an den Steinen des Mauerwerks, aber der Schmied lässt sich von dem Gesuch nach Aufmerksamkeit nicht bei der Arbeit stören. Es würde sich schon zeigen, wie groß die Neugier und die Geduld des Burschen ist. Als die Legierung soweit abgekühlt ist, dass er sie mit der langstieligen Zange zurück in die Glut schiebt und mit Kohle bedeckt, steht der Junge noch immer an seinem Platz. Er ist vielleicht dreizehn oder vierzehn Sommer alt und hat dreckige Schlieren im Gesicht.
»Wo is dein Vater? Ich hab keine Lust auf Ärger.«
Der Junge schürzt auf kindische Weise die Lippen und späht weiterhin zum Amboss.
»Er ist in der Markthalle! Und wofür ist das Loch dort oben?« brabbelt der junge Kerl in einem Atemzug und deutet zur Aussparung auf der Ablage des Amboss.
»Da kannste was drauf stecken.« brummelt er, während er in den Kohlen stochert, in der Hoffnung, die kleine Nervensäge verliert bald das Interesse. Jedoch weit gefehlt.
»Was denn?«
Mit einem resignierenden Seufzen greift Aki eine handliche Holzkiste und setzt sie dem Burschen vor. Darin befinden sich verschiedene Metallstücke, an einer Seite mit einem rundlich geschliffenen Stift, der ins Loch am Amboss passt, an der anderen Seite entweder mit einer Rundung, einer Kugel, einem Keil oder Stiften.
»Das nehm ich zum Biegen.« raunt er und deutet auf den Aufsatz mit zwei Stiften, die einige Fingerbreit Abstand zueinander haben. »Das hier is gut für runde, glatte Formen«, wobei er auf die Kugel deutet, »Hiermit kann ich Stahl in zwei Hälften zertrennen«, zuletzt auf den Keil deutend.
Mit großen Augen verfolgt der Junge die Schau nachdenklich. Aki lässt ihn mit dem neu gewonnenen Wissen einen Moment alleine und zieht die mattschwarze, jetzt orange glühende Platte aus der Esse.
»Mein Papa hat so etwas zum Holz spalten!« verkündet der Junge nach einigem Ringen, dabei auf den Keil deutend. Aki hebt die vernarbte Braue an und setzt zu einer Erwiederung an, als ein strenger Ruf ihn unterbricht.
»Gregor, lass den Meister seine Arbeit machen.«
Für einen Moment ruht die formbereite Platte auf dem Amboss und der Schmied sieht mit gezückten Hammer zum Vater des Jungen, der mit murriger Miene in Richtung Schmiede stapft. Aki kennt das Gesicht flüchtig vom Sehen.
»Hat er wieder Ärger gemacht?« braust der Vater auf und sieht argwöhnisch zum Sohn hinab.
»Nein.«
»'Was gestohlen?«
Diesmal schüttelt Aki nur den Kopf und holt schließlich zu weiteren Hammerschlägen aus. Das glühende Metall biegt sich unter den kraftvollen, nachhallenden Schlägen in die Form, die der Schmied anstrebt. »Er war nur neugierig«, fügt Aki nach einer Pause an.
»Mpf!« macht der Vater, als hätte man ihm das Pulver genommen. »'Hoff er hat dich nich zu viel gelöchert. Der Götter Segen.« Nach einem weiteren, strengen Blick, stapft der Mann los, gefolgt von Gregor, der nochmals zur Schmiede zurück blickt. Nach zwei Schritten brummt Aki abschließend. »Der Bursche hat was im Kopf. Lugh mit euch.«
Die beiden halten nicht inne und die Bemerkung bringt ihm keinerlei Erwiderung ein. Als er jedoch den Kopf hebt, sieht er wie der junge Bursche lächelt und ihm winkt. In dem dreckigen Gesicht steht ein stummes Versprechen, das besagt »Ich komme wieder!«.
Seltsamer- und seltenerweise aufgrinsend, wendet sich Aki zurück zur Esse und vergräbt die Legierung erneut in der Glut. Nach einem weiteren, formenden Durchgang, wird das Teilstück in den nahen Blecheimer mit rußig-eisenhaltigem Wasser geworfen. Zischend und dezent brodelnd kühlt sich der Rabenstahl ab, der sich dicht an bauähnliche Teile schmiegt.
Aki wirft einen letzten, prüfenden Blick auf die eigene Skizze, bevor er sachte zu sich nickt. Die Vorbereitungen sind soweit zu seiner Zufriedenheit, dass er auf Kordian's Auftauchen warten kann. Er wird die gebogenen Platten direkt an den Hals des großgewachsenen Kriegers anlegen, Reifen für Reifen zusammen nieten und dabei sicher stellen, dass die entstehende Halsberge exakt passt.    
Außerdem ist es eine Frage des Trägers ob und welche Polsterung er an der Innenseite anbringt. Jedoch wäre es ebenso Zeitverschwendung, das Futter vorher anzubringen, wie das Werkstück jetzt zu schleifen. Sobald die Legierung erneut der Glut übergeben wird, und sei es nur, um die Krümmung zu verschärfen, ist die Oberfläche wieder rußig und angelaufen.
Der nächste Arbeitsschritt kann warten, bis der Krieger eintrifft. Bis dahin kramt sich Aki noch das übrige Paar Kaminwurzen und den Kanten Brot hervor und macht sich darüber her. Insgeheim frägt er sich, wo Orestes immer die Leckereien auftreibt.

[Bild: 8f5dc3np.png]
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RE: Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes - von Aki Durán - 30.05.2017, 20:09



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