Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#5
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Es ist doch erstaunlich, wie die Tage weichen wenn man in einer Sache vertieft ist. Eine ganze Weile musste vergehen in der er nicht wusste woran es ihm mangelt. Ravinsthal bringt die Leidenschaft zum Handwerk zurück, ebenso wie die Gier nach Perfektion. Aber im Gegensatz zu früher, wo gelegentlich detaillierte Aufträge eingegangen sind fertigt er derzeit ohne klimpernde Entlohnung sondern für eine, die mehr zählt. Zufriedenheit.
Nach den Ritualdolchen für den Rabenkreis sowie einem Schlachterbeil für Magda nimmt er die Arbeit an dem Bastardschwert wieder in Angriff, was ihm schon länger im Kopf umher schwirrt. Mittlerweile ist es schwieriger geworden an Damaststahl zu kommen, weswegen die Klingen eine Wertsteigerung erfahren. Zumindest kommt es ihm so vor, denn es ist eine Weile her, seitdem er danach gegraben hat.

Die wenigen Brocken die er tagtäglich zusammen scharrt sammelt er, um sie schließlich zu möglichst rückstandsfreien Barren zu schmelzen. Die Legierung stellt ihn nochmals vor eine Probe seiner Erfahrung, da die Masse ihren Wiedererkennungswert verliert, wenn sie im Hochofen der falschen Temperatur ausgesetzt ist. Es ist ein Balanceakt, denn ob das Material gut oder schlecht ist zeigt sich erst bei der abschließenden Ätzung.

Die Legierungsbarren landen zwischen den heißen Kohlen in die Esse und werden gleichmäßig zum Glühen gebracht. Bis die Kohlen die richtige Temperatur haben vergeht einige Zeit, die vor allem am Blasebalg investiert wird. Immer wieder wird druckvoll Luft unter die Kohlen gepresst, welche in mehreren Schichten auf dem Gitter ruhen.

Sobald die Barren eine entsprechende Hitze haben werden sie mit einer langstiligen Zange aus der Glut geborgen und mit festen, groben Hammerschlägen miteinander verschweisst. Der Vorgang wird so oft wiederholt, bis sich ein gleichmäßiger Klumpen bildet, der als Ausgangsmaterial dient. Zur besseren Handhabung wird eine einfache Stahlzunge in den Damast eingearbeitet, um das orange glühende Metall bearbeiten zu können, ohne andauernd auf eine Zange angewiesen zu sein.
Für die weiterführende Vorarbeit positioniert sich der Schmied zwischen Esse und Amboss. Immer aufs Neue wendet er sich hin und her, legt den Rohling leicht schräg in die Glut und bearbeitet das Metall, sobald es durchgehend orange glüht auf dem Amboss. Die formenden Schläge sind routiniert und treiben den Stahl gezielt in die Länge. Abwechselnd legt er die entstehende Rohklinge auf die Kante und wieder auf das Blatt, um die spätere Klinge bereits jetzt etwa fingerdick zu halten. Der Stahl biegt sich zur Länge hin leicht aber hält dennoch den stetigen Schlägen beharrlich Stand.

Als das Werkstück in etwa die spätere Länge besitzt wird Grat und Spitze ausgearbeitet. Das Schwert mündet schlank zum Ende hin und wird soweit fertig gestellt, dass sie dort nur noch geschliffen werden muss.
Hinter der eigentlichen Klinge bleibt ein Überstand an dem Werkstück, der für die Balance dient und später von Heft und Parrierstange verborgen wird. Kurz wird die Klinge prüfend gewogen, ehe sich der Schmied an den nächsten Schritt wagt. Mithilfe eines stumpfen Meisels schafft er eine Kuhle in dem orangeglühenden Metall. Diese beginnt am breiten Anfang der Klinge aber endet bereits einige Fingerbreite vor der Spitze. Die Hohlkehle verringert das Gewicht des Schwertes und dient zugleich als sogenannte Blutrinne.

Später formt er aus schlichtem Stahl Heft und Parrierstange und verschweißt beides im heißen Kohlebad mit dem Überstand der Klinge. Die Kreuzstange wird beim Bastardschwert in einem sanften Bogen gehalten, der zu den Kanten hin stärker ausläuft. Der Griff, welcher später mit Leder umschlungen werden soll ist lang genug, dass zwei Hände übereinander Platz finden können.

Als Nächstes greift der Schmied nach einem Hammer mit gefedertem Kopf sowie einem Flachmeisel. Der Name LUGH wird nach und nach in das Metall eingemeiselt und dort verewigt. Die Gravur schleift er mit einem feinen Schleifpapier nach, jede Rille gesondert ausarbeitend. Danach wird die komplette Klinge geschliffen, bis auf den Verlauf knapp über der Parrierstange. Dort bleibt die sogenannte Fehlschärfe, ein ungeschliffenes Teilstück der Klinge, welches ebenfalls Zweihandtechniken erlaubt.

Als Letzter Schritt steht die Ätzung an, was erst die volle Schönheit und Einzigartigkeit des Damaststahls zum Vorschein bringt. Die Klinge wird in ein Säurebecken getaucht wodurch sich die wellenartige Struktur im Metall ergibt. Diese setzt sich leicht dunkler ab und verbleibt so für die Lebzeit der Klinge. Der Schmied betrachtet das Werkstück zufrieden und spannt vor dem Polieren noch die schwarz eingefärbten Lederbänder um den Heft, um einen beständigen und festen Halt zu sichern.

Am nächsten Morgen bricht er zum Schrein nahe der Küste beim Steinadlerhof auf. Der Ort, den er am häufigsten aufsucht, um den Göttern zu danken. Bis auf den heutigen Tag waren es eher die wertvollsten Edelsteine, die ihm beim Tagewerk in die Finger gekommen sind, diesmal aber etwas Persönliches.
So legt er die Klinge andächtig auf den Stein und geht auf die Knie, den Kopf zum Dank gesenkt. In einem leisen Gespräch bietet er Lugh sein Opfer an und dankt für den Fortschritt. Der Schmied dankt seinem Schicksalsgott für die Freiheiten, nur für diejenigen zu Schmieden, die er zu schätzen weiß und eben jene Werkstücke zu erlernen, die ihm am Herzen liegen. Darüber hinaus bedankt er sich für die Disziplin, die er gelernt hat, um nicht mehr gierig Wissen zu sammeln, nur um es zu besitzen.
Er verharrt noch andächtig für einige Zeit an Ort und Stelle mit seinen Gedanken und dem meisterlichen Werkstück alleine. Keine Forderung erklingt, weder gesprochen noch in Gedanken. Es ist noch lange nicht an der Zeit für ihn zu fordern oder zu bitten. Abgesehen davon gibt es im Moment auch keine Notwendigkeit dafür.

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