Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#4
Der Sommer neigte sich langsam dem Ende zu. Dennoch wagte sich nochmals die Sonne für ein paar Tage hervor und wärmte das Land. Sobald die Sonne unter geht machen sich die Grillen bemerkbar. Da es auch spät in der Nacht nicht sonderlich abkühlt fühlen sich die Käfer überaus wohl. Das monotone Zirpen empfindet der Schmied als entspannend. Aki schließt die Augen eine Weile und lässt sich zu etwas Entspannung hinreissen. Der Herzschlag verlangsamt sich und er vermag es für einen Moment sogar zu verdrängen, dass er in Servano ist.

Als das monotone Geräusch von Hufgetrampel unterbrochen wird schreckt er hoch und fragt sich wie lange er weggetreten war. Entspannung weicht Wachsamkeit und er sieht sich in einem Anflug von Paranoia um. Der Wirt poliert die letzten Gläser und späht immer mal wieder zu seiner Gestalt in der Ecke. Der Mond blendet durchs nahe Fenster herein und verrät, dass es bald Mitternacht sein wird.
Aki legt die Finger an die verborgene Dolchscheide, die sich nah an den rechten Oberschenkel schmiegt und förmlich mit dem Leder der Hose verschmilzt. Als die Tür aufschwingt und er das bekannte Gesicht sieht entspannt er sich. Der blonde, bärtige Mann, der Aki knapp zehn Jahresläufe voraus ist kommt zielsicher in die Ecke hinüber und setzt sich ihm gegenüber.
Mit den Worten »Die gehen mir langsam auf den Arsch hier in Zweitürmen.« eröffnet der Feinschmied das Gespräch. Aki lenkt den Blick aus den stahlblauen Augen zur Türe und erinnert sich an die Patrolillie vor Löwenstein, die er beim besten Willen nicht passieren hätte können. Aus der Entfernung konnte er Cyril's Stimme hören, was bei ihm wie von selbst Abneigung auslöst. »'Muss ich mich doch glatt von so einem Hund belästigen lassen. Meine Taschen haben die durchsucht, MEINE.« beschwert sich der Bürger und bringt Aki ins Grübeln. Ihm ist schon länger bewusst, dass die Löwensteiner ihre Handwerker nicht wirklich zu schätzen wissen, aber das man jetzt schon gegen Bürger respektlos vor geht überrascht sogar ihn. Manieren sind wirklich aus der Mode gekommen, wie es scheint.

Die beiden Kollegen und ehemalige Nachbarn reden sich warm und in Aki macht sich wieder etwas Lockerheit breit. Was aber nicht verhindert, dass der Blick immer wieder zur Türe wandert.
»Ich komm mit ner Anfrage an dich, falls du denn mit nem Ungläubigen und Ravinsthaler handelst.« Er kennt die Antwort, sonst hätte er den Weg nicht auf sich genommen. Dennoch gehört es zur Sitte nachzufragen. Wer kann das heute schon wissen. Ludwig ist zwar nicht auf die Goldmünze aus, welche die Kirche springen lassen würde, das ist ihm bewusst, aber wer weiß schon was im Kopf der Anderen vor sich geht?
Langsam löst er die mitgebrachte, flache Holzschachtel aus dem Gepäck, als von seinem Gegenüber die Bestätigung kam. Er öffnet den kleinen, schlosslosen Riegel und klappt den verzierten Deckel auf. Die wattierte Schatulle präsentiert drei Dolche, die in leichten Vertiefungen in der samtigen Einlage schlummern. Im matten Licht der Kerzen lässt sich die typische Ätzung des Damaststahls nur erahnen. Da er nicht sonderlich geschickt ist wenn es um feine Gravuren und Verzierungen geht sieht er den Kollegen erwartungsvoll an.
»Kannst du mir die zu drei Ritualdolchen verzieren?«
Ludwig nickt. »Eine Kleinigkeit für mich.«
Die Aussage wird mit einem zufriedenen Nicken quittiert. »Bis wann brauchst du die Dolche wieder?«
Aki sieht ihn abwägend ab und kommt zu dem knappen Entschluss. »So bald wie möglich.«
»Ich werde sie heute Nacht noch fertig machen.« Auf die Worte senkt der Grobschmied dankbar den Kopf und versichert einen vertrauensvollen Boten zur Abholung zu schicken.
Das Geschäft wird mit Silber und einem Handschlag besiegelt, jedoch bleibt der bittere Nachgeschmack, dass man sich so schnell nicht wieder treffen wird. Spätestens als Aki erfährt wer jetzt in seinem ehemaligen Laden wohnt kann er sich ein Knurren nicht verdrücken. Er würde die Ecke meiden, sollte es ihn für Besorgungen nach Löwenstein zwingen. Als Ludwig sich zum Aufbruch bereit macht wäre Aki gerne noch die ein oder andere Sache los geworden. Er solle auf sich aufpassen in der Stadt, sich nicht schickanieren lassen und seine Motivation und Lebeart behalten. Aber nichts davon verlässt seinen Mund. Und so sieht er seinem Kollegen nach, von dem er fast wagen würde ihn als Freund zu schätzen ohne zu wissen, wann man sich wieder treffen würde. Trotzdem gab es nie einen Tag an dem er Löwenstein vermisst hat, weder früher noch jetzt.

Wenig später sattelt er seinen treuen Hengst Joel und macht sich auf den Weg zurück nach Ravinsthal. Beim goldenen Raben macht er einen kurzen Halt, um die Kapuzenrobe los zu werden. Mit jedem weiteren Schritt stellt sich ein heimisches Gefühl ein. Ganz gleich wie kurz er auf Ausritt ist, ein gewisses Gefühl von Heimweh würde sich immer einstellen. Noch ganz hatte er sich nicht daran gewöhnt wieder eine Heimat zu haben, aber der Gedanke wurde jeden Tag angenehmer.

Auf dem Rückweg passiert er den schlichten Schrein im Nordwesten von Rabenstein. Er späht zu der Steinformation hinauf und neigt den Kopf leicht andächtig. Bereits in den nächsten Tagen würde der Ort sein Anlaufpunkt sein, sobald er die geeignete Gabe fertig gestellt hatte. So versucht er Zug um Zug die Götter zu besänftigen, möglichst ohne groß zu fordern. Auf kurz oder lang ist es auch an der Zeit den Rabenkreis soweit zu überzeugen, dass sie ihm wenigstens neutral gestimmt sind. Es ist keine Option auf gleiche Weise weiter zu machen, was er mittlerweile selbst eingesehen hat. Vergebung funktioniert nicht von einem Tag auf den anderen, aber es ist ein Weg den er beschreiten muss und will. Wohlmöglich lernt er im Prozess was es bedeutet Reue zu empfinden.

[Bild: dfr33dww.jpg]
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