Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#2
Der Staub brennt in seiner Lunge und verursacht ein Husten. Mit einem unzufriedenen Brummen wird der nächste Schlag abgebrochen und er atmet bemüht durch. Auch wenn der gröbste Schmerz überstanden ist nehmen seine Rippen ihm die schwere Arbeit immernoch übel. Knochen brauchen eben länger als Fleisch, um sich zu erholen aber wann hat ihn das jemals interessiert?
Der eigentliche Plan sah vor den Neuansatz ruhig anzugehen. Nur funktioniert das bei ihm nicht. Er macht keine halben Sachen. Geduld ist ihm ebenfalls fremd. Wenn er sich in ein Vorhaben reinkniet, dann nutzt er sein ganzes Gewicht. So wie er es eben gewöhnt ist, was dazu führt, dass er den Schmerz ausblendet. Trotzdem springt er nicht morgens aus dem Bett ohne darüber nachzudenken noch eine Weile liegen zu bleiben. Die obligatorische, anschmiegsame Wärmflasche macht es nicht unbedingt leicht sich aufzuraffen. Zugegebenermaßen würde er sich auch jetzt zu gerne eine Runde hinlegen, aber dafür gibt es die Nacht.
Da der Frühling auf dem Weg ist hat die Arbeit in der Mine ihre Vor- und Nachteile. Zum Einen ist es spätestens im Sommer eine Wohltat sich in dem kühlen Stollen zu verkriechen aber zum Anderen sorgt die Wärme und Trockenheit dafür, dass der Staub noch hartnäckiger ist. Ihm bleibt nur zu hoffen, dass die beiden Rippen sich bis dahin wieder beruhigt haben, so wie sein Brustkorb derzeit brennt.
Es ist eine Weile her, dass er eine Spitzhacke in der Hand hatte. Trotzdem ist die Routine so fest in seinem Kopf verankert, als hätte er erst gestern geschürft. Mit dem Schmieden ist es nicht viel anders. Noch immer sitzt jeder Handgriff und er hat nicht den kleinsten Hauch an Präzission eingebüßt. Viel eher muss er sich eingestehen wie er es vermisst hat. Natürlich war es nett einen Jahreslauf nur zwielichtige Gestalten zu zerfleischen aber trotzdem ist es im Vergleich zum Schmieden eine lieblose Tätigkeit.

Sobald er wieder mit den alten Gewohnheiten in Einklang ist, macht er sich daran die silbernen Kokarden zu fertigen, die er Rahel versprochen hatte. Zwar geht die Arbeit eher in Richtung Feinwerk, aber es ist nicht das erste Mal, dass er sich daran wagt. Die Ziermedallien sollen an einem Sattel Platz finden, den Ley bereits angefertigt hat. Abgesehen vom dekorativen Zweck sollen sie dafür dienen Leinen einzufädeln.

Um identische Rohformen zu erhalten hat er eine Gussform angefertigt. In einen gleichmäßigen Steinklotz meiselt er dafür eine sternförmige Mulde, die etwa frei Fingerbreiten tief ist. Obwohl er früher recht geschickt im Umgang mit Flachmeiseln war fällt ihm die Arbeit ungemein schwer. So ist es für ihn wenig verwunderlich, dass er zwei Steinformen zum Teufel jagt, bis er sich mit einer zufrieden gibt. Tatsächlich ist die Kontur und das Ausheben des bröseligen Materials die mühsamste Arbeit.
Anschließend setzt er die spezielle Gußform in den Hochofen und schmilzt die Silberbarren ein, die er beim Feinschmied angekauft hat. Das Einschmelzen von Gold und Silbererz war schon früher verschwendete Zeit weshalb er die geringe Menge sinnvollerweise angekauft hat. Insgesammt nutzt er den sternförmigen Guss sechs Mal. Vier der Exemplare werden später gepaart während zwei der Kokarden zur reinen Zierde dienen. Immer aufs Neue kühlt er das Silber inklusive Form im Wasserbad und klopft achtsam den Schmuckrohling aus der Umgebung.
Mithilfe eines Hammers dellt er die Rosetten leicht nach außen und verziert sie mithilfe des nötigen Feinwerkzeuges mit Struktur. Um die bäuchige Hauptfläche zieht er einen Kreis, um optisch einen Übergang zu den Sternzacken zu schaffen.
Bei dem jeweiligen Pärchen drückt er das Greifende einer rundköpfigen Zange an die später verdeckte Seite des Wappens und schafft somit einen Tunnel, der zum Einfädeln genutzt wird. Dank glühender Kohlen und der richtigen Hitze werden die beiden Teilstücke zu einem Paar verschweißt, als wären sie nie getrennt gewesen.
Zum Schluss werden alle Ecken und Kanten grob und anschließend fein abgeschliffen und das Metall aufpoliert. Glänzend und sauber landen die Rosetten schließlich in einer Kiste.

[Bild: ocbv8y2q.png]
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