[FSK-6] Amhraner Märchenstunde
#1
Vögel einer Feder

Es war einmal im Königreich Amhran, da gab es einen alten Baum. Dieser Baum stand auf einem Friedhof. Dieser Friedhof stand nahe der Stadt Löwenstein. Im Wipfel dieses Baumes nistete eine Krähenmutter. Diese Krähenmutter hatte Junge und das Leben schien gut für sie. Doch einiges Tages wurde das Männchen der Mutter angegriffen, als es am Fuß des Baumes eine Maus erjagt hatte. Der Angreifer war eine Katze und die Mutter versuchte das Männchen zu retten. Doch die Katze war alt. Nicht das Alter in dem eine Katze aufhört eine Gefahr zu sein, sondern das Alter, das einer Katze, so sie es erreicht, genug Erfahrung beschert um es mit einer Krähe aufnehmen zu können. Die Katze war aber auch alt und schlau genug um zu wissen es nicht mit beiden aufnehmen zu können, so entkam sie, mit dem erlegten Männchen und ließ die Mutter mit gebrochenem Flügel zurück. Unfähig zu ihrem Nest zurückzukehren saß sie am Fuße des Baumes und wartete. Sie würde ihre Jungen nicht mehr füttern können, fliegen konnte sie auch nicht mehr – es war ein grauer Tag und die Aussicht war der Tod.
Eine andere Krähe, die oft allein auf den Dächern der Stadt ruhte, sah das Leid der Mutter. Diese andere Krähe hatte selbst keinen Schwarm, kein Männchen das ihr folgte und mit anderen Krähen die über den Feldern herzogen nur selten etwas zu tun. Sie sah das Leid der Mutter und hörte die Schreie der Jungen und sie hatte Mitleid. Und da sie Mitleid hatte und größer und kräftiger als die Mutter war, half sie ihr zu dem Nest hinauf. Und da die Mutter selbst nicht jagen können würde, begann sie fortan für die Mutter zu jagen. Und so wurde die andere Krähe die Freundin. Und jeden Tag besuchte die Freundin die Mutter, brachte der unglücklichen Familie Futter und vertrieb nahe jagende Tiere. Und so blieb die Freundin, und es zog sie öfter in die Stadt, und das, obwohl sie sich selbst geschworen hatte, diese zu verlassen, nachdem sie selbst genug Federn dort gelassen hatte, dass sie für das gewöhnliche Leben einer Krähe genügen würden. Die Freundin war nicht deswegen allein weil es keine anderen Schwärme gegeben hätte, sie hatte sich dafür entschieden, denn wie eingangs bereits erwähnt, zeichnete sich die Freundin dadurch aus, dass sie Mitleid hatte. Und so machte sie nur Jagd auf jene, die es verkraften konnten und sie stahl auch nur von jenen die genug hatten.



Die Freundin und die Nachtigall

So kam es, dass die Freundin auf ihren Streifzügen die Nachtigall traf. Die Nachtigall war ein schöner Vogel, mit einer wundervollen Stimme – doch wenn man sie des Nachts singen hörte, sang sie oft allein auf den Dächern Löwensteins. Die Freundin hatte den Himmel über Löwenstein oft überflogen, doch nie hatte sie eine andere Nachtigall dort gesehen. Krähen der Schwärme hätten umgehend Jagd auf sie gemacht, doch die Freundin, wie eingangs gesagt, sie hatte Mitleid. Und so leistete sie der Nachtigall Gesellschaft. Viele Vögel lauschten zwar dem Lied der Nachtigall, doch die wenigsten blieben um es zu Ende zu hören, doch die Freundin hatte die Zeit. Sie hatte keinen Schwarm, kein Männchen, und der Mutter ging es allmählich wieder besser, sie konnte zwar noch nicht jagen, aber fernab davon brauchte sie die Freundin nicht mehr so oft, und die Freundin empfand das als gut.
In dem Lied der Nachtigall ging es um den Wolf. Einen Gefährten, in dessen Lied sie des Nachts zu gerne einstimmte, der aber in weiter Ferne schien und es der Nachtigall fortan nur schwerer zu machen schien, die einzige Nachtigall auf den Dächern der Stadt zu sein. Die Freundin – nun, sie war weder eine Nachtigall, noch war sie eine gute Sängerin. Sie sang keine Lieder, selten klang das schön was sie zu sagen vermochte. Und obwohl die Freundin gesprächig war, so war es doch nur ein Satz den sie sagte, der jemals von Bedeutung war. Doch dafür ist es noch zu früh. Wichtig ist: Sie hatte Mitleid. Und weil sie Mitleid hatte, blieb sie an der Seite der Nachtigall, und lauschte nächtelang ihrem Lied.
"We are your voodoo vampire neighbours."
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[FSK-6] Amhraner Märchenstunde - von souvenance - 28.10.2013, 14:27



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