Das Mädchen im Zuber
#3
Irgendwann war er aufgestanden. Die ungestüme Kraft des Unwillens gegen das Geschehene, mit der er zuvor den Wald betreten hatte, hatte sich in einen trägen Schleier des damit Abfindens gewandelt. Und so begab sich Malimmes langsamer, aber nicht weniger zielstrebig zurück gen Löwenstein. Seine Schritte führten ihn zum Friedhof wo er zögerlich die Kapelle betrat.
Da lag sie, friedlich und ganz blass. Kurz verharrte er am Eingang, die Zähne aufeinander beißend und die Augen wurden ihm bei dem Anblick wässrig. Geschwind wischte er sich mit dem Handrücken darüber und trat näher.
Still sprach er ein Gebet zu Mithras, wie er es auch von früher kannte, wenn er in seiner candarischen Heimat einem Begräbnis im nächsten Ort beigewohnt hatte. Der Blick lag dabei auf der schönen Toten. Schwer schluckte er zwischen den andächtigen Zeilen. So verweilte er noch eine Zeit lang.
Dann wandte er sich langsam um. Sein nächstes Ziel, das er wie ferngesteuert anstrebte, war der Holzschuppen der Ganters. Dort suchte er eine Anzahl schöner, sauber gehobelter Eichenbretter zusammen. Es dämmerte inzwischen, also setzte er sein Werk im Schein der Fackeln fort. Bretter wurden abgelängt und zurecht gesägt, aneinander gefügt und mit Nägeln verbunden. Alle Handgriffe erfolgten präzise und in gleichmäßigem, zügigem Tempo.
So entstand der Sarg.
Es war schon spät in der Nacht, als der Holzarbeiter die letzten Tätigkeiten verrichtete: die Schnitzereien am Sargdeckel. Im fahlen Licht der Kienspäne wirkte er beinahe die die verstorbene Gloria in der Kapelle - blass und schön, die herben Züge der bitteren Trauer waren über die Arbeit aus seinem Antlitz gewichen und es war nun ebenmäßig und bar von heftigen Emotionen. Fast schon zeichnete sich ein Lächeln ab, als er die fast weiße Rosenblüte betrachtete, die er aus dem Ahornholz geschält hatte. Ein Rankenkranz umrahmte sie und das darunter liegende Mithras Symbol. Dies war aus einem Stück geschnitzt und wurde nun am Deckel angebracht. Liebevoll strich er über das Relief und damit die letzten Späne fort.
Dann machte er sich auf, den Sarg in zwei Gängen hinüber zum Friedhof zu schaffen, wo er ihn neben der Verblichenen abstellte.
In dieser Nacht kehrte er nicht zurück ins Haus.
[Bild: 42.jpg]
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Das Mädchen im Zuber - von Cleo Graupel - 04.09.2013, 19:14
RE: Das Mädchen im Zuber - von Malimmes Huizgloib - 07.09.2013, 00:11



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste