Im Hause Greifenfels
#19
[Bild: kqdc24xa.jpg]

Ein Toter, ein Abschied, das Ende zweier Männer.

Es dauert eine gute Weile die richtige Stelle zu finden. Eine kleine unscheinbare Höhle in bei den Weiden nahe des Söldnerlagers. Bestens geeignet dem Leichnam als vorübergehende Krypta zu dienen, schön kühl und überraschend trocken. Der schmale Eingang liegt etwas erhöht, die Kameraden hatten wohl befürchtet Mandres könnte zuletzt doch noch Trollfutter werden. Vorsichtig erklimmt Predragor den steilen Hang und tritt hinein.

An Stelle der erwarteten Totenfäulniss verspürt er eine wundersame Mischung pikanter Tinkturen und rätselhafter Ingredienzien. Offenbar hatte der Verblichene vor Kurzem seine letzte Salbung erhalten. Nur ein Paar Schritt unweit des Eingangs, liegt der Körper eines gerüsteten Mannes aufgebahrt. Predragor hält einen Moment inne und betrachtet diesen nachdenklich.
Empfand er Trauer? Schmerz? Seit dem Moment als er vor einigen Tagen die Todesnachricht erhielt, war er ein Anderer geworden. Doch eigentlich war er nicht im Stande derartig hohe Gefühle wie Liebe und Zuneigung für jemanden aufzubringen, selbst wenn dieser Mann der einzige war dem er jemals wirklich vertraute. Mandres Dahinscheiden markierte viel mehr das Ende eine Ära. Es war das endgültige Ende der Vergangenheit und bedeutete für Predragor, einen Mann ohne Zukunft, gleichwohl den Tod.

Für Mandres selbst hingegen offenbarte sich sein logisches Schicksal. Dieser Kerl war sein Leben lang ein hoffnungsloser Draufgänger, dessen Leichtsinn allein durch seinen Mut übertrumpft werden konnte. Und genau in dieser Rolle war er frei, nahezu unantastbar. Dies war es wodrum ihn viele beneideten.

Predragor beugte sich behutsam über den Leichnam und machte sich ans Werk. Die mitgebrachte Klinge, ein Langschwert aus besten Damaststahl drückt er unter die rechte Hand. In die Linke legt er einen ledernen Geldbeutel, ein Goldstück löwensteiner Prägung klimpert darin.
Die kalten starren Finger geben nur wiederwillig nach. Zur Sicherheit fixiert er die Hände des Toten mit einem schlichten Leinenband. Wieder auf die Beine gekommen erweist er dem Toten die letzte Ehre und erlaubt es sich für einen Moment in Melancholie zu verfallen.

Er hatte schließlich alle seine Feinde überlebt und musste sich nicht selten eingestehen, das Leben ist trister geworden ohne sie. Doch nun hier und jetzt überlebte er auch seinen letzten Freund, seinen Weggefährten. Und dies hinterließ eine klaffende Leere in ihm, jene zu fühlen nicht einmal seine Geldsucht und Ströme voll Wein im Stande waren.

Welche eine Verschwendung von Potential...
"Seis drum... Stahl und Gold, im Leben wie im Tod." Sprach Predragor schwermütig und atmete mit einem tiefen Seufzer aus. Er blickt nicht zurück. Zur Totenfeier samt anschließendem Leichenschmaus würde er wohl vergebens erwartet.

Einige Stunden später wieder im Dorf angekommen machte er sich ans packen. Viel war es nicht was er mitzuführen plante. Den Großteil seines Besitzes hinterließ er seinem Vater. Möge der alte Greif sich davon einen sorglosen Lebensabend erkaufen und eine neue Familie am Besten gleich mit. Denn seine alte hatte sich mit von ihm längst abgewandt, womöglich hatte er dies nicht anders verdient. Gewiss hatte Predragor ihm verziehen, oder viel mehr wich der Zorn mit der Zeit blanker Gleichgültigkeit. Und doch blieb immer eine unüberwindbare Distanz zwischen ihnen und so gab er sich nicht einmal die Muße sich zu verabschieden. Gavriel würde es mit relativer Gleichgültigkeit tragen, da war er sich sicher. Am Ende hatte diese unheilvolle Hexe doch Recht behalten - "Gavriel, dein Haus ist mit dir verblasst."

Sich selbst ließ Predragor nur eine verzierte Schatulle voller Gulden, gerade so groß das er sie mit sich tragen konnte. Sollte das Schicksal ihm wenigstens ein Mal noch im Leben wohlgesonnen sein und er das Ausland sicher erreichen, sollte dies mehr als ausreichend sein um nie wieder einen Finger krumm machen zu müssen.

Gegen Abend am Hafen der Fürstenburg angekommen begegnet er einem Unbekannten Recken. Noch so ein dahergelaufener Glücksritter, gekommen und dem alten Valke die Stiefel zu lecken. Ein breites Grinsen zeichnet Predragors Gesicht - so ist es wohl im Leben, der eine geht ein anderer kommt. Mit dem Großmaul ins Gespräch gekommen, dieser erklärt dem Silendirer Herzog zu dienen und der beste Kämpfer auf Mithas grüner Welt zu sein, verspielt er seinen alten Gaul samt Sattel beim Münzwerfen. Seis drum, so ist es wohl im Leben.

Es bleibt nicht mehr viel, nur noch die Flasche in seiner Hand die geleert werden muss.
Dem erstbesten Kapitän wird er ein unsangliches Vermögen bieten, für eine sichere Überfahrt nach Galatia.

Predragors letzter Blick auf die Heimat gilt der alten Fürstenburg.
Still beobachtet er das in der Ferne immer kleiner werdende Bollwerk, während eine frische Meeresbrise sein mittlerweile gar nicht mehr so pechschwarzes Barthaar zerzaust.


"Soll es doch alles brennen in lodernden Flammen..."
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RE: Im Hause Greifenfels - von Exael - 25.08.2013, 15:51
RE: Im Hause Greifenfels - von Exael - 26.08.2013, 20:55
Verletzte Ehre - von Lyanna Ennisfree - 27.08.2013, 20:50
Gedanken - von Bentrion Greifenfels - 05.09.2013, 13:48
RE: Im Hause Greifenfels - von Exael - 09.09.2013, 15:00
Der Sturm - von Lyanna Ennisfree - 10.09.2013, 20:54
RE: Im Hause Greifenfels - von Predragor Greifenfels - 17.04.2016, 19:54



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