Ein erfolgreicher Abend
#4
Tira saß mit angezogenen Beinen auf dem Stuhl in ihrem Zimmer. Die neueste Ausgabe der Gösselpost, vor sich auf dem Tisch ausgebreitet, einen Becher mit Wasser gefüllt in ihren Händen, las sie, während sie immer wieder einen kleinen Schluck zu sich nahm, den Artikel über den Neuen Hafen.

„Was schreiben die da für einen Unsinn“, *murmelte sie leise, doch mit mit sichtlich aufgebrachter Stimme. Auf ihrer Stirn bildeten sich kleine Falten, und sie musste das Glas auf den Tisch stellen, da ihre Hände vor Aufregung zu zittern anfingen und schon die ersten Tropfen auf dem Papier landeten.
„Eine Verbrecherbande? Und die beiden sollen dazu gehören? Das ist doch einfach nur erfunden. Alles nur Lügen. Nun ja, für Orestes würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen, der hat bestimmt irgendwas zu verbergen, so wie er sich verhält von dem nicht einmal sein Herr etwas ahnt. Doch der Herr selbst? Ein Verbrecher? Niemals!“

Ihre Gedanken wanderten zum letzten Abend. Er war höflich gewesen, sehr sogar. Zurückhaltend, ernst, stets mit Eifer darauf bedacht, ihre Wünsche so schnell es geht zu erfüllen. Wenn sie sich seinen Anblick ins Gedächtnis rief wie er ihr gestern so gegenüber saß, kam es ihr fast vor als hätte er manchmal gelächelt. Nie lange. Nie offensichtlich. Aber dennoch, hatte sie den Eindruck, dass sich sein hartes Auftreten manchmal etwas gelockert habe. Und einen kurzen Moment lang, hatte sie sogar das Gefühl sie würden offen miteinander reden.

Er war eben ein Geschäftsmann, der es verstand, mit seinen Angestellten umzugehen. Der wusste wie man sie behandeln sollte, um sie zur Arbeit zu motivieren, ihnen das Gefühl zu geben nicht nur zu dienen, sondern ein Teil des Ganzen zu sein. Er hatte es geschafft bei ihr den Eindruck zu hinterlassen, dass sie dazu gehörte. Dass sie sich wohl fühlte, und das in so kurzer Zeit.

Er kann kein Verbrecher sein. Er kann nichts Böses wollen. Geld verdienen ja. Viele Münzen. Ja. Doch mit ehrlichen Methoden. Mit Handel und dem Anbieten von Dienstleistungen. Harte Arbeit, die man ihm ansieht. Die ihn fordert und ihn erschöpft. Aber nichts Unrechtes. Niemals!

Sichtlich aufgebracht, zerknüllte sie, die nicht einmal fertig gelesene Zeitung und warf sie kurzerhand aus dem Fenster.
„Ich brauche frische Luft, salzige Luft, Meer“,gab sie immer wieder knurrend von sich während sie die Treppen hinunter polterte und das Freudenhaus in Richtung Hafen verließ.
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Ein erfolgreicher Abend - von Tira Xoran - 23.07.2013, 17:37
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