FSK-18 [Mitmachthread] Eine Zuflucht..?
#6
Sie rannte barfuß den schmalen Pfad entlang durch den ihr unbekannten Wald. Dunkel ragten die knorrigen Arme der Baumriesen über den bewucherten Weg, streckten ihre Zweigfinger lechzend nach ihr aus und sie selbst lief, als ginge es um ihr Leben. Ein Knarren, ein Knacken im Geäst, ein flüchtiger Schatten - dann wieder das Knurren, direkt hinter ihr. Das große Tier, der Wolf oder Dämon, was oder wer auch immer sie verfolgte - er war ihr dicht auf den Fersen. Der Gedanke, dass scharfe Zähne nach ihren Fesselgelenken schnappten, machten ihr Rennen noch schneller und ihre Lunge brannte.
Konnte das ein Traum sein? Konnte Schmerz im Traum so wirklich sein? Warum hatte sie das Gefühl tatsächlich keine Luft zu bekommen..? Manchmal wusste sie, dass sie träumte - recht oft sogar. Aber manch anderes Mal, ließ sich die Wirklichkeit nicht bestimmen. Wenn Schmerz Schmerz war, Farben farbig und ein eindeutig zu bestimmender Geruch in der Luft lag, dann zum Beispiel.
"Lanyana!" rief eine dunkle Stimme von irgendwoher.
Ihr Gesicht blieb stur nach vorn gerichtet, doch ihre Augen begannen im Radius ihres Sichtfeldes hektisch nach dem Urheber des Rufes zu suchen.
"Bleib stehen, was rennst du so, du Angstwachtel ?! Sag doch einfach, dass es genug ist!" flüsterte eine helle Stimme aus einer anderen Richtung - war… das ihre eigene Stimme?
"Es wird aufhören, wenn du das willst… Du musst es nur wollen!" säuselte die erste Person, die entfernt nach dem angenehm ruhigen Bariton Garions erinnerte.
Abgelenkt von den Klängen, verlor sie ihre Gedanken für wenige Herzschläge und vergaß den Schergen, der sie hetzte.
Heißer Atem im Nacken, ein Knurren, das Geräusch von vier Füßen, Pfoten oder Hufen - sie hatte keinen Schimmer was nun genau - unmittelbar hinter ihr! Erschrocken warf sie den Blick über die Schulter… Aber da war niemand.

Plötzlich stand sie. Sie erinnerte sich nicht daran, dass sie stehengeblieben war, aber dennoch regte sie sich keinen Zoll. Die dunklen, blattlosen Bäume verwandelten sich in wankende, baumartige Gestalten, hoch aufragend, ihre langen, dürren Finger lockend, erhaschend in ihre Richtung neigend. Sie hatten keine Gesichter, waren so viele und sie kam sich wie so oft in ihrem Leben so furchtbar klein vor. Klein und eingeschüchtert. Und plötzlich taten alle grotesk Gewachsenen gleichzeitig schiefe, bizarre Münder auf, dunkle Löcher in hohlen Stämmen und der Lärm der skurril verzerrten Stimmen erklang im Gewirr.
"Dann machen wir ihm das Leben schwer!"…hörte sie Marcus' Stimme aus der makaberen Armada heraus.
Sie presste die Hände auf die Ohren, wollte die schauerlichen, beängstigenden Anklagen der schattenhaften Baumgestalten nicht mehr hören! Doch es half nichts… Ryodans Worte drangen entstellt und bohrend in ihren Kopf… "Er weiß, was er wann zu sagen hat… Er wird dir weh tun.. War dir das heute nicht Beweis genug? ".
Sie krümmte sich zusammen und kniff die Augen zu, bis es nicht mehr angenehm war.
Trotzdem konnte das Gallaghers Stimme nicht hemmen, die trotz aller Wehr in ihr Gehör schnarrte: "Ich werd morgen die Kopfgelder aushängen…. Koris wird hier in Löwenstein kein leichtes Leben mehr haben…". Penetrant bahnte sich die Erinnerung von Ryodans Worten, die Worte, die ihr letztendlich Tränen in die Augen getrieben hatten, in ihr Bewusstsein: "Er spielt diese Spiele sein Leben lang. Und so sehr ich es hasse, dir dein Herz zu brechen… Du warst nur eines dieser Spiele… So wie wir alle..." murmelte er verheißungsvoll.

GENUG!!!
Alles veränderte sich ungesehen und plötzlich, wie eine Kulisse, die hinter einem Vorhang umgebaut wird.
Sie stand aufrecht, mit offenen Augen, nicht mehr versuchend, die Ohren mit ihren Händen zu verschließen. Die Bäume fingen Feuer, sie wanden sich kreischend, wichen verdreht zurück und zerfielen zu Asche, bis statt Wald nur noch eine dunkelgraue Ödnis zurückblieb, ein verbranntes Land ohne Himmel.


Als sie bemerkte, dass sie wach geworden war, saß sie bereits. Noch halb im Schlaf, hatte sie sich ruckartig aufgesetzt. Sie spürte noch immer die Hitze der Flammen auf ihrer Haut und nach einer kurzen, erschrockenen Benommenheit, kam ihr quälend langsam die Erkenntnis, dass alles nur ein Traum gewesen war. Ein.. Traum. Heiß war es trotzdem, kein Wunder, dass sie von Feuer geträumt hatte…
Mit der Hand glitt sie fahrig über ihr feucht verschwitztes Gesicht. Was für ein glühender Sommer.. In der Zuflucht war es noch erträglich, aber auch hier konnte man es kaum auf dem Fell aushalten, ohne dass die Tierhaare einem unangenehm am Körper klebten.
Bevor ihr schlaftrunkener Verstand überhaupt wusste, wonach sie suchte, glitten ihre Augen bereits eilig forschend über die Konturen der Zimmereinrichtung.
Der Heckenräuber hat sich wohl wie'n schlechter Liebhaber klammheimlich aus dem Staub gemacht…
Ein leichtes Schmunzeln überflog ihr blasses Gesicht bei dem scherzhaften Gedanken. Sie konnte darüber lächeln, obwohl sie wusste, dass er früher tatsächlich aus dem einen oder anderen Fenster gestiegen war, um eine Frau hinter sich zu lassen. Ihr warmes Lächeln entwuchs dem Gefühl von Sicherheit, Verbundenheit und Vertrauen.
Sie würde ihn beschützen… auf ihre Art. Und dazu brauchte sie weder falsche Worte, noch Waffen - letzteres zumindest meistens nicht.

Schwankend erhob sie sich, ein Anflug von Schwindel vernebelte ihr den Kopf und ihr Magen meldete sich dezent flau.
Vermaledeite Hitze.. Wenn Mithras uns doch nur ein bisschen zurückhaltender knusprig braten würde…
In dem Chaos des Zimmers sammelte sie die verstreuten Kleidungsstücke zusammen, um nicht nackt auf das Kopfsteinpflaster zu spazieren - auch wenns sie zumindest der Wärme wegen wenig gestört hätte.

Wäre sie ein vorausschauender Mensch mit Plan gewesen, hätte sie sich in jenen stillen Momenten des Ankleidens Gedanken um das Kommende, den Ablauf des Tages gemacht. Aber ihr Kopf beschäftigte sich lieber mit gestern, das war einfacher, als über unvorhersehbare Dinge wie 'Nachhers' und 'Morgens' nachzusinnen.
Und irgendwie schämte sie sich.
Nicht aufgrund wichtiger, lokaler Gegebenheiten wie die Rangelei der Wache oder dafür, dass sie Arys' Überstürztheit vollkommen unterschätzt hatte, oder Marcus wegen seines Betruges an Magda und Skajar immer noch nicht angepflaumt hatte..
Nein, sie schämte sich insgeheim für die Banalität, Koris am gestrigen Abend wie eine brave Hausfrau Essen aufgetischt zu haben - mit umgebundener Schürze, Licht, Deckchen und allem drum und dran - sogar mit Nachtischspfirsich…und Kirschen.
Und danach… ihr plötzlicher Ausbruch aus reiner Eifersucht - nur aufgrund eines beiläufigen Kommentars seinerseits… über längst Vergangenes.

Schamhaft murrte sie - was war nur in sie gefahren? Sie war sich ja selbst gegenüber schon unberechenbar geworden, die letzte Zeit. Die Hitze war schuld, jawohl. Sie konnte nur hoffen, dass sie keiner so sehr reizte, dass wieder Tische fliegen mussten...
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
[Mitmachthread] Eine Zuflucht..? - von Deagen - 11.07.2013, 14:04
Vertrauen - von Lanyana - 24.07.2013, 22:49
RE: [Mitmachthread] Eine Zuflucht..? - von Lanyana - 27.07.2013, 14:54
Zeitflug - von Lanyana - 25.02.2014, 22:06



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste