Jagd' den Wind und beühr' den Himmel
#1
~Platzhalter~

Freundin Epona

Bis zum schicksalsreichen Tag, als die Briganten den Flüsterwald besetzten, begleitete Ailís die kompakte Konikstute „Slaney“ auf Schritt und Tritt. Viel Zeit, fast soviel wie in ihren Kindertagen auf Reinos, verbrachte die Jägerin auf dem Pferderücken. Doch bald musste sie lernen, dass Amhran mit seiner Kargheit und seinen Bewohnern sehr gefährlich für die treuen Tiere werden konnte – und zwar auf die harte Tour.
Auf dem Weg zum Heiligen Steinkreis traf Ailís auf eine Abteilung aus der Stadt, die sich den Räubern schon stellen wollte – und schloss spontan, mit den Streitern durch Hass auf die Besetzer verbunden, die Reihen der Krieger. Pfeil um Pfeil traf die kaum geschützten Räuber und in ihrer Eile, zur Heiligen Stelle zu kommen, sammelte sie diese nicht einmal wieder ein.
Da Slaney nicht über den Baumstamm zum Steinkreis klettern konnte, blieb sie auf einer saftigen Wiese davor zurück. Am nächsten Morgen war keine Spur mehr von der freundlichen Stute zu entdecken – und Ailís wusste, wen sie zur Rechenschaft ziehen müssen würde, als sie sich an zahlreichen kleinen Brigantenlagern vorbei stehlen musste, wobei das Flussufer eine exzellente Tarnung bot. Und doch hoffte die Jägerin irgendwie, die elendigen Banditen würden ihren rasenden Zorn bemerken und sich ihrer Nemesis stellen.

So sehr sie der Verlust im Herzen schmerzte, sie wollte nicht ohne Reittier und Gefährten bleiben. Daher klapperte sie, nachdem einige Tage der zornigen Trauer vergangen waren, Hof um Hof im Lehen ab – Ausschau haltend nach einem Deut ihrer Schicksalsgöttin Epona. Sie möge ihr ein Tier zuweisen, das ihr mutig zur Seite stehen würde… Die Suche führte Ailís abseits ihrer sonstigen Wege schließlich zum Hof am Fuße der Grenzberge zu Ravinsthal – eigentlich fühlte sie sich verirrt, was ihr sonst gar nicht geschah. Da war sie sich unsicher, ob es der richtige Platz für die Suche war, obwohl sie zwei wunderschöne Hengste entdeckte, die ordentlich auf ihrer Koppel rannten und buckelten. Die Pflegerin der Tiere war auch da und erklärte, die Hengste seien nicht zum Verkauf bestimmt, aber die Stuten – Abkömmlinge.
Na, wenn eine so feurig ist, wie der Vater… dachte Ailís stumm, der Frau folgend.
Auf einer anderen Koppel grasten und scharrten die Töchter, zwei helle Konikstuten, zwei dunkle Tarpane. Die Jüngste und Dunkelste – ihr Fell fast schwarz – war die quirligste. Sofort hatte sie es Ailís angetan! Doch die Bäuerin meinte, sie sei noch sehr jung und müsste weiter ausgebildet werden…
Freundin Epona, sie ist noch nicht gebrochen!, schickte sie als Dankesgebet stumm aus ihrer Seele zur Göttin. Außen besiegelte sie den Handel rasch – Tawny gehörte ihr!

Daraufhin reiste das neue Grüppchen zum Stall des Goldenen Raben – in aller Frühe morgen würde Ailís die Ausbildung nach Clan Maguire-Art beginnen. Mit federnden Schritten eilte sie am Harpyenklamm vorüber, den Führungsstrick locker in der Hand… und da flog schon ein Vogelfrauenbiest auf sie hinab! Ailís’ Reaktionen entschlossen sich dazu, lieber eine Flucht einzuleiten, ihre Hand zog inzwischen den Bogen und griff nach einem Pfeil aus dem Köcher – da schnalzte die Führungsleine aus ihrem Griff und Tawny machte kehrt. Wild wehte die schwarze Mähne, hart klapperten die Hufe auf dem Pflaster der Straße… Ailís sah mit Entsetzen, wie Stute und Harpyenhenne aufeinander prallten und eilte ebenfalls heran, den ersten Pfeil einlegend. Doch zögerte sie erst ins schlagende und hackende Bündel aus Leibern zu schießen… In ihrer Hilflosigkeit versuchte sie sich auf ihren Atem zu konzentrieren, es schienen Bogen und Pfeil dann selbstständig zu handeln – Sehne und Holz spannten sich langsam und schnalzten zusammen, knarzend den Pfeil auf seinen Flug schickend: bis er sich an Federn vorüber durch Haut und Blut ins Muskelfleisch der Harpye grub. Leblos sank das Biest nieder.
Automatisiert sammelte Ailís die unruhig umhertänzelnde Tawny wieder ein und zog sie, diesmal an kürzerem Strick in den heimatlichen Stall. Erst als die Stute in einer Box stand, wagte es die Jägerin aufzuatmen. Die Pferdegöttin war ihr wirklich gewogen, noch nie hatte sich irgendein Wesen für Ailís derart eingesetzt.
„Tawny, ionuín – danke für deine Verteidigung.“

Große Stute, Epona, Du hast mir eine großartige Freundin beschert… Ich werde euer beider Vertrauen nicht enttäuschen!

[Bild: konikpolski.jpeg]
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Jagd' den Wind und beühr' den Himmel - von Ailís Maguire - 10.07.2013, 18:03



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