FSK-18 Jeder stirbt für sich allein
#4
Er lag in seinem Lager aus Stroh, Schweiß und Pisse.
Der geschundene Leib hatte mit dem einsetzenden Fieber seinen Widerstand beendet und den Geist wieder zurück in den wohligen Nebel des Scheins gerufen. Vielleicht lag es an dem beißenden Geruch der aufkam nachdem seine Blase sich zum ersten Mal entleert hatte, dass er von der Küste Rabensteins träumte. Die salzige Meeresluft lag ihm förmlich auf der Zunge. Es war ein friedlicher Traum.

Anders als die Wirklichkeit in welcher der Körper zurückgeblieben war. Dieser ruhte nunmehr zitternd und stöhnend im Quartier der Grauwölfe, hilflos und entkräftet. Grimwulf und Marquard hatten es geschafft Harl mit Hilfe eines Karrens und der Kraft von Grimwulfs Gaul zurück nach Löwenstein zu führen. Sah man vom Blutverlust und den damit verbundenen Problemen ab, war es für den Söldner eine vergnügte Fahrt. Es war Rachel Greiffenwaldt geschuldet, die ihn mit Tinkturen und Drogen beruhigt hatte. Genau genommen, hatte sie Harl im Leben gehalten, hatte seine Wunden versorgt und solide Verbände an ihn gelegt. Es war schlichtweg Glück gewesen, dass Grimwulf ihrer an einem der Höfe habhaft werden konnte und sie sich ohne Zögern und Murren an den Beistand gemacht hatte. Der eigentliche Harl wäre ihr zu tiefst dankbar gewesen, hätte einen Gefallen dargeboten und sich reuig gefühlt in ihrer Schuld zu stecken, während sein noch tropfendes Blut an ihrer Hand klebte. Der zugedröhnte Harl im Karren jedoch feixte, von rosaroten Wolken umgeben, wie blöd Kuno Greiffenwaldt wohl schauen würde, wenn er Rachel den Hof machen würde und sich in ihre Familie einheiratete. Und so wuchs in den anderen beiden Söldnern die bange Befürchtung, dass Harl bald mit einem ziemlich breiten und dämlichen Grinsen im Gesicht abtreten würde, während der Karren durch die hereinbrechende Nacht geholpert war.

Im Quartier hatte es nicht lange gedauert bis Harls letzte Kräfte verbraucht waren und er für eine Weile still dalag. Im fahlen Licht der Nacht schien es beinahe so, als hätte das bleiche Antlitz des Söldners seinen Frieden gemacht. Doch dann läutete die Glocke Löwensteins zur ersten Stunde und der schwache Leib öffnete dem Fieber die Pforte für eine lange und quälende Nacht.

In seinen Träumen gehorchten ihm seine Glieder. Er ging und griff, er roch und sah. Doch wehe wenn er wachte, dann blieb ihm unter Schmerzen und Hilflosigkeit die Bewegung verwehrt und die fiebrigen Sinne spielten ihre Streiche in denen sich die nächtlichen Schatten zu Grauen formten die über ihr herzufallen drohten. Manche tanzten an ihr heran, beobachteten ihn nur aus formlosen Gesichtern um erneut zu verschwinden und anderen den Platz zu überlassen.

Einer dieser Schatten zog insbesondere in Mark und Knochen. Er kündigte sich durch das herzzerreißende Schluchzen einer Frau an, die dicht neben Harl zu schweben schien. Anders als die anderen harrte er lang und kehrte mehrmals in der Nacht zurück. Er war der einzige der seine schemenhaften Hände nach ihm ausstreckte, gleich als wolle er ihm die Seele aus dem Leib zerren und sie klagend Amatheon überreichen. Doch dann kam alles anders und es fühlte sich beinah behutsam an, wie Hände über seine Schultern, seine Seite, sein Gesicht und seine Schenkel glitten. Letzteres nahm jedoch seltsam unsittlich Formen an, die selbst den fiebrigen Verstand ins Grübeln brachten. Es geschah sehr langsam, dass aus dem Schatten neben sich ein Gesicht erwuchs...dunkles braunes Haar hing in einem Gesicht, das geprägt war von geröteten braunen Augen, deren Rahmen tiefe Ringe bildeten. Sie sah noch müder und verlebter aus als an jedem anderen Tag den Harl sie gesehen hatte. Farilda… , es war ein unbehagliches Gefühl sie so nah an sich zu wissen. Natürlich war Mieps eine von ihnen. Hatte ihn oft zum Lachen gebracht und als Ziel von Spott für weitere Erheiterung gesorgt. Aber sie war auch eine Frau mit eigenen Ängsten und Sorgen. Mit ihrer Hand an seinem Schritt wurde Harl jedoch das Gefühl nicht los, dass er eine dieser Sorgen war.
Und auch wenn er leben würde, so blieb ihm nur noch eins zu tun…sich schleunigst tot zu stellen bevor sie etwas merkte.
[Bild: rgkq.png]
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: Jeder stirbt für sich allein - von Harl Kraehenaug - 15.07.2013, 23:35



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste