FSK-18 Jeder stirbt für sich allein
#2
Weit weit in der Ferne hämmerte ein Schmied sein Eisen auf dem Amboss. Der Klang wurde zusammen mit dutzenden von Unterhaltungen und Rufen, die zu einer untrennbaren Masse wurden, vom Wind leise an die Ohren getragen. Die Nacht hatte ihre vollkommene Schwärze wie ein Leichentuch über das Land gelegt. Es gab weder Schatten noch Lichtspiele. Im Grunde genommen war dort Nichts. Die Gedanken waren verstummt und der von ihnen gelöste Verstand gaukelte der Seele sein perfides Spiel vor. Alles war in Ordnung.


Aus der breiigen Masse der Stimmen lösten sich ein paar Fetzen. Die eine Stimme rief zur Messe „Ich hole mein Pferd“ und ein anderer bot lautstark Waren feil „Wir können die Palisaden zurückerobern!“. Löwenstein war munter und lebendig, hatte keinen Grund in dieser Finsternis zu schlafen. Vielleicht war es auch gar nicht Löwenstein…und überhaupt…der Gedanke der sich aufraffen wollte um gegen den Widerspruch der in sich aufkeimte anzugehen versagte. Alles war in Ordnung.

Das eigene Selbst begann sich zu bewegen. In der Ruhe der Bewegung begannen der Körper zu krampfen, entspannt und gemütlich. Es gab keinen Grund sich zu eilen, zu mühen oder anzuzweifeln, dass die Bewegungen wirklich die seinen waren. Was sollten sie auch schon anderes sein? Aus dem Wind löste sich die Stimme eines kleinen Jungen „Lass sie mal ran ehe er verreckt!“. Er klang zugegebenermaßen so, als wäre er recht früh in den Stimmbruch gekommen…und hätte viel gesoffen. Wieder bäumte sich etwas weit im hinteren Verstand auf. Alles war in Ordnung, oder?

Es war angenehm wie die Feuchtigkeit den Rachen hinabrann und den Atem blockierte. Gebraucht hatte er ihn doch eh nie. Der Körper sah es anders und schickte mit pochenden Wellen kleinere Funken Lichts aus verschiedensten Teilen des zärtlich verkrampften Leibes heran. Mit einem wohligen Husten drückten sie jenen Teil der Flüssigkeit von sich, der sich auf den Atem gelegt hatte und gaben diesen frei. Eine junge Frau sprach ganz in der Nähe: „Schafft ihn erstmal aus dem Gestrüpp raus“. Das rascher werdende Pochen des Leibes hob sich unter ihn, während die Klänge in der Ferne deutlicher wurden. Er hatte gar nicht gewusst wie schwer sein eigener Leib eigentlich stets auf ihm selbst gelegen hatte. Er fühlte sich leicht und frei als er über das Nichts schwebte. Es war ein schönes Gefühl……Elend…es war überhaupt nicht schön! Das Pochen wurde zu einer Flut während der Amboss des Schmiedes zu dem Klirren von Schwertern wurde und sich paarte mit den Schreien von Männern die befahlen, kämpften oder starben. Zwar war der Klang noch immer ferner, aber es war als hätte sich ein rauschender Vorhang gelüftet. Und neben den Klängen gab er noch etwas anderes frei… höllische Schmerzen. Gar nichts war in Ordnung!

Die Fluten des Schmerzes vertrieben die Dunkelheit in einem Sekundenschlag. Er wollte schreien als die beiden Männer die ihn trugen ihn niederlegten. Es machte keinen Unterschied, dass sie dabei vorsichtig und sorgsam waren. Die Agonie die sich des Körpers bemächtigt hatte verhinderte es und machte ihm deutlich, dass sie hier der Herr war und er nur der erbärmliche Nichtsnutz, welcher mit Taubheit und Schwäche gestraft dazuliegen hatte während er auf das Unvermeidliche warten sollte. Dass er nun erwacht war war seine eigene Schuld. Nicht friedlich dem Leben zu entrücken war für das kommende Ende ärgerlich. Aber hinüber war hinüber. Für den Tod selbst würde es in Ordnung sein.

Den umherzuckenden Augen Harls fiel auf, dass beide Männer Bärte in ihren groben Gesichtern trugen... sie kamen ihm bekannt vor. Es fiel ihm schwer mehr wahrzunehmen. Es waren zu viele Eindrücke die aus der friedlichen Nacht der Bewusstlosigkeit auf das grausame Wachen einschossen. Er wusste wieder wer er war, was er war und was er bald sein würde. Die Panik wollte sich aus dem Inneren heben, wurde jedoch von etwas gehindert. Etwas das ihm noch süß im Hals und warm im Magen lag und dort eine leichte Wärme verbreitete. Die Frau, welche mit dem Blick auf Harl neben den beiden Männern stand, hielt eine leere Phiole in der Hand. Harl fiel auf, dass kleinere Spritzer Blut das Glas befleckt hatten. Schon seltsam worauf man so achten konnte. „Zum Glück ist die Niere nicht verletzt. Sehr sehr knapp war das.“ Sprach die Frau zu einem von ihnen. Die Bärtigen erhoben sich und wendeten sich der Frau zu. „Wenn das so weitergeht bekommst du noch Doppelsold für den Mondlauf.“, sagte der eine, während der andere auf seinen Wasserschlauch klopfte. „Braucht ihr Schnaps?“

Schnaps…Sold…, die Worte weckten Erinnerungen. Und natürlich kannte er die beiden Kerle. Sie sollten nicht hier sein. Sie sollten nicht so enden wie er und sie sollten dazu beitragen, dass sein Ende irgendeinen Sinn gehabt haben würde.

„Mar..quard….Grim…wulf.“, die Worte zu flüstern kostete ihn so viel Kraft als würde er gegen Donner anschreien wollen. Es lag wenig Erleichterung in ihren Gesichtern, als sie sich ihm zuwandten. So wollte er sie nicht sehen. Sie waren keine enge Familie, keine dicksten Freunde oder durch feste Bande zusammengeschmiedet. Aber sie gehörten zu den Menschen die ihm von Bedeutung waren. Er mochte sie, weil sie ihm das Gefühl gaben jemand zu sein der nicht der Bastard einer Hure war, oder wie sie es sagen würden, dass es ihnen scheißegal war. Er hoffte sie würden ihr Leben weiterführen könnten, lang und erfüllt. Ohne dieses Blick den sie nun hatten. Es gab nur eines für Ihn zu tun, als Marquard sich zu ihm beugte: „Legt die Kerle um…“. Das dünne blutige Lächeln sollte sein Geschenk an die beiden sein. Ein Lächeln das ihnen sagte…es ist in Ordnung.
[Bild: rgkq.png]
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: Jeder stirbt für sich allein - von Harl Kraehenaug - 11.07.2013, 15:25



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste