FSK-18 Die vielen Freunde des einsamen Galatiers
#2
Das Provisorium

Er hatte nicht lange suchen müssen bis er einen Ort, genauer eine Brücke, gefunden hatte, die ihm als Nachtlager dienen sollte. Alle wertvolle Habe in seinem Wertfach zu deponieren und sich zur Nacht zu holen, was er bis zum nächsten Morgen brauchen würde, war vielleicht nicht die eleganteste Lösung, aber sie war praktikabel. Keine Fragen, keine Kosten, kein Aufsehen. Jeden Tag den Schlafplatz zu wechseln, half dabei überhaupt erst keine Fragen aufkommen zu lassen. Irgendwann würde er jemanden oder etwas gefunden haben, der ihm mit einer bleibenden Unterkunft zu Diensten sein konnte. Und irgendwann würde das auch notwendig werden.

Aber für den Moment reichte sein Provisorium vollkommen aus. Er hatte es sich bereits, man könnte sagen, häuslich gemacht, als seine Gefolgschaft eintraf. Natürlich nannte er sie nicht offen so. Der Galatier konnte jedoch nicht ohne Stolz behaupten, bereits eine kleine Zahl an Männern um sich geschart zu haben, die für ihn Dinge erledigen konnten. Sie konnten Augen und Ohren sein und sie waren in der Lage Kontakte zu knüpfen, wo er im Verborgenen bleiben wollte.

In einem Halbkreis umringten sie die kleine Laterne, die unter dem Brückenbogen einen Schein aus Schummerlicht erzeugte. Der Galatier blickte jeden Teilnehmer einen nach dem anderen an. Er fragte nach Neuigkeiten, nach Fortschritt und nach Möglichkeiten, die sich boten. Jeder dieser Männer hatte seine eigene Aufgabe und ihr Meister, wie sie ihn nannten, führte die Fäden zusammen. In der Tat gab es einige Dinge zu berichten. Die Hauptstadt Servanos war ein pulsierender Quell an Gelegenheiten, die man offensichtlich einfach ernten musste. Natürlich mit gebotener Vorsicht, denn zwischen jeder Frucht konnte eine giftige Spinne lauern, in jedem Unterholz eine Natter lauern, die ihn vielleicht beißen würde, wenn man ihr nicht eine viel schmackhaftere Speise vorsetzte.

Die neuen Aufträge nahm sein Gefolge mit Motivation, nahezu Euphorie zur Kenntnis. Der Galatier konnte nicht umhin, gewissen Vorschlägen zu folgen, die folgten. In einem Fall musste er Marcus, den Riemenmacher, jedoch zurechtweisen. Er war etwas zu weit über das Ziel hinausgeschossen, verstand jedoch, warum nun eine Rüge folgen musste. Der Meister blickte seine Zubringer und deren Schatten am Brückenbogen an. In den Schatten spiegelten sich verzerrte, zurückgewiesene Fratzen, die alle danach strebten, sich über das zu erheben, was sie nun unter dieser Brücke sitzen ließ. Gescheiterte Scherben mehrerer Gesellschaften und Lebensanschauungen, die nun ihr eigenes Schicksal schmieden würden.

Nachdem er sie entließ, sammelte der Galatier die rings um die Laterne aufgereiten Hölzer ein, die allesamt mit einer rotbraunen Flüssigkeit bemalt waren, ein. Die schemenhaft in das Holz gemalten Gesichter konnten zwar nicht ihr Missfallen ausdrücken, allerdings hätte der Meister dies auch nicht zugelassen. Einer war bereits aus dem Rahmen gefallen und trieb dafür nun Gesicht abwärts als totes Holz flussabwärts.

Die anderen Hölzer landeten in einem schlichten Leinenbeutel. Als der Galatier sich schließlich schlafen legte, hörte er, wie sich die Stimmen entfernten. Seine Gefolgschaft würde seine Aufträge gewissenhafter ausführen, nun wo sie wussten, was mit jenen passierte, die über ihr Ziel hinausschossen. Und als der Schlaf näher kam, verebbten die Stimmen in seinem Kopf auch langsam. Bis das nächste Konvent anbrechen sollte.
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Die vielen Freunde des einsamen Galatiers - von Gast - 02.07.2013, 00:40
RE: Die vielen Freunde des einsamen Galatiers - von Gast - 03.07.2013, 23:01



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