Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#23
Die Götterschmiede

Aki füllt die Lungen mit tiefen, gierigen Atemzügen. Der beissende Wind umfährt ihn und lässt ein paar Schneeflocken in der Luft tanzen. Man könnte den Aufenthalt auf dem Berg zu dieser Jahreszeit, wo man Wind und Wetter ausgesetzt ist, als unangenehm beschreiben. Wäre da nicht die unvergleichbare Hitze des Feuers der Götterschmiede. Jedes Mal, wenn er den Berg verlässt und auf die Anhöhe tritt, um die Schmiede zum Glühen zu bringen, durchfährt ihn die Hitze. Einerseits stammt sie aus dem tiefen, unergründlichen Schacht, sobald die Feuersäule empor schießt, andererseits von der Euphorie, die ihn immer aufs Neue ergreift. Hier fühlt er sich angekommen und, obwohl es mit einer gewissen Bloßstellung vor den Göttern einher geht, kann er sich keinen besinnlicheren Ort vorstellen.
Vor ihm, aus schlichtem Metall gefertigt, liegt die Gussform auf der Ummauerung des Schachts auf, die zum Verwenden einlädt. Vom handwerklichen Aspekt des Schmelzens gesehen, ist an dem Vorgang nichts mysteriöses oder besonderes. Nicht einmal die Utensilien sind außergewöhnlich, sondern aus handelsüblichen Materialien, auf die der Schmied tagtäglich zurück greift. Das magische daran ist, dass er die Gunst der Götter erlangt hat. Er hatte die Ehre für einen Moment Lugh‘s Blick auf sich zu spüren, als er die Runen an der Esse studiert hat. Was erst keinerlei Sinn ergab, schlüsselte sich zu einer Rezeptur auf. Eine Rezeptur, nach der er sich sein Leben lang gesehnt hat.

Den Weg zur Götteresse schlug er unwissend zusammen mit den Söldnern ein. Sie wollten den Spuren einer Leiche folgen, die gefunden wurde. Die Leiche eines Mannes, der seine letzten Erfahrungen in einem Tagebuch nieder schrieb. Das Tagebuch, zusammen mit dem Wissen des Druiden Cois führte sie in den Berg. Die Notizen des Verstorbenen nannten immer wieder das Metall der Götter, Rabenstahl. Umso weiter sie in die ehrwürdigen, beeindruckenden Hallen vordrangen, umso intensiver wurde das Gefühl des Schmiedes, dass sie etwas von großem Wert finden.
Dennoch bemühte er sich jede aufkommende Euphorie nieder zu kämpfen. Die unterschwelligen Erwartungen und Hoffnungen drohten von ihm Besitz zu ergreifen und wenn er eins nicht ertragen kann, dann herbe Enttäuschungen. Vor allem wenn es um einen Fund geht, der alles verändern könnte.
Zuletzt fand er sich, wie durch einen Traum wandelnd, vor der Götteresse wieder. Den Weg hatte er unter dem Vertrauen des Druiden und damit des Rabenkreis bewältigt. Als Cois ihm die Hand an die Schulter legte und ihn segnete, um die Gunst der Götter zu erbeten, erweckte es Argwohn und Vorsicht in Aki. Aber gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass es eine Prüfung seines Glaubens ist. Jedoch stört seine Wachsamkeit nicht die Standfestigkeit seines Willens.

Obwohl seit dem Fund erst wenige Tage ins Land gezogen sind, hatte er damals Mühen seine Finger zurück zu ziehen, nachdem er die ersten gegossenen, tiefschwarzen Barren am Ort der Götter für selbige zurück lies. Selbst nachdem er die Esse nutzen durfte, war er noch unschlüssig, ob seine Mühen und sein Werk angenommen werden.
Doch alle Zweifel stellten sich als überflüssig heraus. Als er Tage nach der Gabe zurück kehrt, liegen die Barren an Ort und Stelle, jedoch nicht unangetastet. Mysteriöse Runen zeichnen die Oberfläche der zurück gelassenen Rabenstahlbarren, die sich – nach Absprache mit dem Druiden – als Zeichen von Lugh bestätigen liesen. Die Tatsache, dass die Gabe nicht nur angenommen, sondern gezeichnet wurde, entlockte sogar dem, sonst so ruhigen Druiden ein Schmunzeln. Aki wusste nicht, wie sehr er die Gewissheit braucht, bevor er sie erhalten hat. Die Zeit des Zweifelns war damit ein für alle Male vorüber. Sie bringt die Zeit des Schaffens mit sich, die überaus Vielversprechend klingt.

Das tiefe Grollen aus dem Schacht, bringt den arbeitenden Schmied dazu seine Gedanken aufzugeben. Schwungvoll wirft er noch etwas Essbares in den Schlund und beobachtet, wie die heiße Glut knistert, regelrecht pulsiert. Er würde die Hitze, welche die Götter zur Verfügung gestellt haben nie verschwenden. Weder jetzt noch in Zukunft. Mit dem Versprechen macht er sich wieder an die Arbeit.

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