FSK-18 Himmelgrau
#20
Es war gut gewesen, Morkander nach so langer Zeit wieder zu treffen. Der Mann hatte sich nur wenig verändert, sah man von diesem Hauch von zurückhaltendem - und scheinbar eher gegen die Allgemeinheit gerichteten - Unbill ab. Fragwürdiger waren da schon die Verhaltensweisen, die Morkander von seinen Kollegen zu berichten wusste, und zudem auch ein guter Ansatz um zu verstehen, wie dieser Blick überhaupt erst auf seine Miene gerutscht war.
Artefakturrezepte also.
Morkander war immer schon der Meister der Artefaktur gewesen. Vierzehnhundert hatte er sich noch beklagt darüber, dass bis auf Lina niemand Interesse an dieser Kunst zeigte, und über die nächsten zwei Jahre hinweg hatte Orestes mit milder Verdutzung verfolgt, wie Mal um Mal Interessenten just dann das Interesse verloren, wenn es darum ging, die Herstellung tatsächlich zu erlernen, statt nur das Papier ausgehändigt zu bekommen. Es war nicht unähnlich seinen Erfahrung mit Buchbindern gewesen. Sowohl er selbst als auch Morkander hatten sich im Laufe der Zeit damit abgefunden, dass der Traum vom Lehrling sich nicht erfüllen würde, und sich nicht mehr um eine Suche danach bemüht.
Wenn Orestes sich daran erinnerte, dass er sich mit Zähnen und Klauen in die Untersuchung des alten, zerfallenen Buches aus den Hügelgräbern drängeln hatte müssen, um das Werk überhaupt anfassen zu dürfen, konnte er Morkanders neuen Groll durchaus wohl verstehen. Diese neue Generation von Meistern der Hermetik, so dringend benötigt sie auch worden war, vermisste schmerzlich die Lehren der Vergangenheit, und zeigte auch kein Interesse daran, sie zumindest in der mündlichen Weitergabe zu erfahren. Im Gegenteil - mehr und mehr bekam Orestes den Eindruck, dass die "Neuen" etwas wie eine Verdrängung der "Alten" planten, jene aus der Akademie zu schneiden versuchten, die nicht konformistisch genug den Kopf nickten, und nun Dinge dahin plätschern ließen, die nicht zu plätschern hatten.
Orestes selbst war niemandes Freund 'und komme was da wolle', zumindest nicht in der Akademie. In der Zeit zwischen Schönfelds mehr gewollten als gekonnten Unterrichts und dem heutigen Tag, einer Wiederwahl der Magnifizenz, obwohl sie drei Stimmen weniger als ihr Gegenkandidat gehabt hatte, hatte er jede Höhe, jede Tiefe, jeden korrumpierenden Einfluss mit geschlitzten Augen mitverfolgt und studiert, um daraus seine stetigen Lehren zu ziehen. Die jetzige Lehre schmeckte ihm nicht, ganz und gar nicht, und doch war da nichts was er tun konnte, um die Akademie davor zu bewahren. Nun, nichts, außer seinem alten Freund Morkander zu helfen, und zumindest einen Teil des Unrechts zu tilgen.
Es war nicht recht, nicht korrekt, einen Meister der Thaumaturgie aus den Erkenntnissen des eigenen Zweigs auszuschließen, um sich dafür einen überaus weltlichen Erlös zu ergaunern. Nicht recht, Selvetische Formeln wie eine Karotte an eine Angel zu binden, damit der Esel - Desens in dem Bespiel - ordentlich Artefakturrezepte auswarf, nicht recht, die Regeln zu biegen um sich selbst daran zu bereichern.
Das Vertrauen in Fionola, Misitia und Panscher war schon lange verloren gegangen, und Jehann selbst stand mehr an den Seitenlinien als an der Front, selbst zu beschäftigt mit der weltlichen Politik um sich groß um Details wie die Kenntnis, wer welchen Zauber nun hatte, zu kümmern. Grauwasser war sowieso nie zurechungsfähig gewesen, und all das ließ nur Lyrandes, den aktuellen Sprecher, den einzigen Thaumaturgen im Dienste, dessen Erhebung zum Sprecher Orestes noch irgendwie ein Licht am Ende des Tunnels sehen hatte lassen, zur Auswahl. Lyrandes, der mit einem solchen Optimismus ans Tagewerk ging, dass es beinahe schon weh tat ihn im Griff der anderen Thaumaturgen zu lassen, war der einzige Meister seines Zweiges, dem Orestes noch unkorrumpiertes Denken zutraute.
Mit einem vagen Schulternrollen öffnete Orestes die Türe zu seinem Haus und schlurfte ins Innere. Nun hieß es nur noch, Lyrandes auszufragen, wie eine solche Situation entstehen hatte können. Und sie zu bereinigen, natürlich.
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Himmelgrau - von Orestes Caetano - 21.06.2013, 18:14
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