Warten auf die Dämmerung
#8
Zu behaupten sie hätte dieser Tage außerordentlich gut geschlafen wäre an Lüge grenzender Optimismus gewesen, aber sie war der Stadt heute nicht zwei Becher Birnenbrand voraus. Davon fühlte sie sich nicht sonderlich besser, aber somit war es keiner der schlimmeren Tage, ganze egal auf wievielen Ebenen sie diesem Gedanken bis ans Ende folgte.

Der Schrecken war aus ihren Gedanken gewichen. Als der Truchsess sie damals an sich gezerrt hatte, hatte sie ein seltsames und peinsam vertrautes Gefühl überkommen. Dass des Lebens das ihr langsam entzogen wurde, der Seele die langsam getrübt wurde, der Leere die sich in ihr ausbreitete um eine ebenso leere Hülle zurückzulassen - dies wiederum bei vollem Bewusstsein und einem Verstand der nur stumm schreien konnte. Und auch wie damals zeigten sich die Schatten die diese Erfahrung auf ihre Seele warfen erst später. Und dies nicht nur bei ihr.

Sie konnte auch nicht unbedingt behaupten dass die Dinge alles in allem besser wurden... sie war nicht die Mustergläubige, aber der Tod eines Priesters in diesen Tagen war ein Rückschlag, das sah sie bereits von selbst. Jeder starb einmal, auch Priester, und auch jene die mit dem Segen der Götter gehen, waren nicht frei davon einen unwahrscheinlichen, absurden oder schlichtweg unglücklichen Tod zu sterben. Allerdings traf es andere um sie herum hart, was dem Ganzen auch für sie seine Bedeutung gab.

Ihre Gedanken waren hierbei zum einen bei den Legionären und der Priesterschaft. Sie versuchte nicht sich auszumalen was in ihren Köpfen oder Herzen dieser Tage vor sich ging und war sich auch des Umstandes bewusst, dass sie nur wenig daran ändern könnte, mit der besten Hilfe ihrerseits vielleicht einfach nur die verlässliche, bescheidene Unterstützung zu bieten zu der sie in der Lage war.
Zum anderen, und wohl am Herausragendsten war hierbei die edle Vogtin. Auf der einen Seite war hier natürlich, dass sie ihr Dank schuldig war, aber da sie auf der anderen Seite sicher war, im Austausch dafür in Zukunft gute Arbeit zu leisten, mischte sich der Gedanke nur schwach in die empfundene Sympathie. Nein, da war ein Verständnis ihrerseits gegenüber der Vogtin. Die Auswüchse der Konklave lasteten immer noch schwer auf ihr, und sie kam nicht umhin zu sehen, wie die Last auf ihren Schultern sich dieser Tage stapelten. Während der ersten Unterredung die sie unter vier Augen führten geisterte Violetta nur eine Frage durch den Kopf: "Habe ich mit dieser Erschütterung im Blick damals in die Welt hinausgeblickt als es mir widerfuhr...?" und ihr Verstand hatte beinahe zu rasch die Antwort parat: "Nein, das ist der Blick den du heute hast, 2 Jahre später, wenn du dich allein und unbeobachtet wähnst" und während ein Teil von ihr sagte dass es zumindest für andere einen Ausweg geben müsste, kam ein anderer Teil nicht umhin Anerkennung dafür aufbringen zu können dass die Vogtin sich mit solcher Würde trug.

So düster dies alles klang, fiel es ihr doch leichter voranzuschreiten. Sie hatte eine Aufgabe die sie genoss, und die ihr gleichsam den Freiraum bot zur Stelle zu sein wo eine helfende Hand aus dem Hintergrund vielleicht etwas zu tun vermochte. Gleichsam war sie in dieser Position ihrer Meisterin Misitia unterstellt und wieder mehr in deren Nähe gerückt. Sie konnte ebenso Fräulein Strastenberg eine Kollegin nennen, deren Verbundenheit wahrscheinlich den Inbegriff des Sprichworts "krumme Vögel halten zusammen" darstellte.

Dies waren alles Lichtblicke, aber auch wenn der Schrecken nicht präsent war, die Spuren die er hinterließ waren es und die bleierne Schwere in ihrem Kopf und Nacken blieb. Nahezu jeden Tag schien es einfacher aufzugeben und ein Teil von ihr fragte sie gelegentlich warum sie weiterkämpfte, wissend dass sie nicht gewinnen könnte doch jeder Teil von ihr kannte die Antwort und auch diese kam wie immer prompt:
"...kann ich nicht. Aber jemand anderes wird, solange ich weiterkämpfe."
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Warten auf die Dämmerung - von Violetta Winter - 26.09.2016, 10:44
RE: Warten auf die Dämmerung - von Violetta Winter - 15.01.2017, 15:41



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