Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#19
Kapitel X – Cranus und Easar

Die neue Statue beginnt Aki mit einem kleinen Fass Met. Das Fässlein wurde frisch gekauft und es wäre einfach unpassend, nicht zu trinken, wenn man sich diesem Schicksalsgott widmet. Er schlägt den Zapfhahn in die Bretter und erfreut sich an den wenigen, kräftigen Hieben, die dem Umgang mit Hammer und Meisel nicht einmal so fremd sind. Sobald der Zapfhahn seine Arbeit verrichtet, plaziert Aki einen Becher darunter und genehmigt sich ein paar tiefe, einstimmende Schlucke. Währenddessen studiert er nochmal die Skizze der Statue, die Cranus darstellen soll, den Gott der Alchemisten und Brauer.
Die Statue soll den Trinker unter den Gläubigen ansprechen. Cranus besitzt einen mächtigen Bierbauch, der sich unter dem einfachen Wollüberwurf abzeichnet. Der Eindruck eines saufenden Gottes - wobei das wäre plump - eines Gottes, der dem Alkohol nicht abgeneigt ist, wird von der knolligen Nase und den Pausbacken verstärkt. Cranus fallen krause, kurze Locken ins Gesicht, die teilweise wirr abstehen und einen verschwitzen, ungewaschenen Anblick bieten. Der Blick ist indes zu dem erhobenen Methorn in der einen Hand gereckt, welches überschwappt, sodass ein Flüssigkeitsrinnsal in den Stein gemeiselt ist, das Gefahr läuft auf den Boden zu tropfen. Was natürlich unmöglich ist, aber es verleiht der Statue etwas lebendiges. In der anderen Hand hält Cranus Immergrün, das sich um die Hand schmiegt. Seine Züge wirken genüsslich und geduldig, mit einem zufriedenen, vielleicht leicht trunkenen Lächeln auf den Lippen.
Um den Bauch wringt sich ein Gürtel, der ein paar Phiolen sowie Kräuter trägt. Im Kontrast dazu baumelt an Cranus Kehrtseite ein kleines Fässchen, welches den Gürtel durch das Gewicht hinab zieht und den Bauch noch stämmiger erscheinen lässt. Selbst am Sockel finden sich Weinfässer, Zapfhähne, die noch nicht in die Behälter geschlagen wurden, sowie Traubenreben.
Die Details der Trauben fallen dem geübten Steinmetz leicht, weswegen er sich nicht wundert, warum sie oft in Statuen verewigt werden. Die dreieckige Rebe ist unverkennbar mit ihren prallen, ovalen Früchten, die sich mühelos in Stein umsetzen lassen. Es ist eine simple Frucht, ohne Furchen, Grübchen und Kanten, um nicht zu sagen perfekt. Mit dem letzten Details, einer Weinflasche, die an Cranus nacktem Knöchel lehnt, setzt der Steinmetz gewissermaßen seinen letzten Pinselstrich. Sein Nacken pocht, ein Zeichen von stetiger Konzentration und der steifen, vorgebeugten Haltung auf dem Hocker. Vielleicht liegt es auch an seinem Begleiter, dem Metfässchen, denn ganz nach Cranus' Wille hat er den kleinen Behälter restlos geleert. Als ihm nach einem tiefen Durchatmen nur noch spärtliche Tropfen aus dem Zapfhahn entgegen kommen, weiß der Schmied, dass er gut in der Zeit lag. Cranus erhält vorerst einen Ehrenplatz auf dem Vorratsschrank, dicht an ein Fässlein Vogelbeerenbrand geschmiegt, in der Hoffnung, dass er sich dort wohl fühlt.


Für die nächste Arbeit sucht Aki nach einem steinigen Kammerad. Easar ist an der Tagesordnung, der Gott des Schabernacks und der Zauberei. Der Steinmetz will die Beziehung zu einem anderen Gott aufzeigen, Ogma. Das kühle und berechnende zweite Gesicht des Gottes der Magie und der Gehehrten soll auf Easar hinab blicken. Der Streichespieler duckt sich unter Ogma's Blick, wie ein kleines Kind, das etwas angestellt hat und dafür getadelt wird. Den Zusammenhang findet man in der Sagenkunde, die erzählt, dass Easar einst einen Maskenball veranstaltet hat. Der Gott des Unfugs lies die Feiernden mit ihren Masken verschmelzen und sie so ihr Dasein einen Jahreslauf lang fristen. Ogma löste den Zauber schließlich, doch Easar zog rasch weiter, um einer Strafe des strengen Ogma zu entgehen.
Die Statue des sitzenden Ogma's hat er nach dem Umzug nahe dem Stapel an Rezeptbüchern und Mappen abgestellt, eine der wenigen Wissenquellen in dem Schmiedeladen. Er stellt ihn in der Nähe seiner Arbeitsstätte ab, um selbst den ernsten Blick zu spüren. Dem Schmied ist Tadel nicht fremd, ganz im Gegenteil und der Gedanke daran weckt unwohle Erinnerungen.
Easar kümmert sich nicht darum, was immer deutlicher wird, umso länger der Meiselkopf über den Basalt arbeitet. Der Gott des Schabernacks ist großgewachsen, aber schlaksig. Er verharrt leicht in den Knien, die Schultern angehoben, den Kopf in den Nacken gezogen, während er schelmisch grinst. Das Grinsen ist verschmitzt, weswegen Aki ihm Grübchen an den Wangen verpasst. Alleine die Betrachtung des heiteren, unbeschwerten Gesichts, soll zum Grinsen motivieren. Das eine Auge ist von Lachfältchen umgeben, während das andere von einer Federnmaske verborgen ist. Auf Easar's Kopf sitzt eine Narrenkappe, die schief aufgesetzt ist, mit Glöckchen an den Zipfeln. Am Körper trägt er berüschte, fransige Kleidung, die Barden- und Narrenkluft vereint. Die kurzen Stiefel enden ebenfalls in spitz zulaufenden Lederstreifen mit Bommeln, ebenso wie die Manschetten. Easar sieht halb über die rechte Schulter zu Ogma hin und hat die Hände schuldabweisend angehoben, in einer Geste, die einem nonverbalen 'ich war's nicht' gleich kommt.

Aki hat Ogma damit mehr Tiefe verliehen, einer Statue, die ihm schwer von der Hand ging und bei der er sich nur auf die Skizze gestützt hat. Es gibt Personen, die sich lieber in ihre Bibliotheken zurück ziehen und in Ruhe an etwas arbeiten und sich willentlich von rauschenden Festen fern halten. Ogma fällt wohl in diese Kategorie und Aki frägt sich, ob er in dieser Eigenschaft ihm überhaupt so unähnlich ist. Zwar hat er kein Interesse an Büchern oder staubigen Bücherregalen, aber er ertappt sich des Öffteren, wenn er sich auf Festen fehl am Platz fühlt. Die Masse an gut gelaunten, trinkenden Leuten überfordert ihn viel zu sehr. Er frägt sich, wie es ihm ergehen wird, wenn Gwen wirklich ein Fest veranstaltet, um die Statuen zu ehren.
Da hilft nur eins: Sich am nahen Fest ganz an Cranus halten und dem Wein huldigen.

[Bild: 7832jbmv.jpg]
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