Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#13
Kapitel V - Artio und Morrigú

Er fertigt die Statuen für den Rabenkreis, also ist es nur fair, wenn ihm ein Druide dabei hilft. Seine erste Wahl wäre wohl Gwen gewesen, aber sie ist momentan in andere Dinge vertieft. Oder lässt sie ihn das nur glauben? Die Vergangenheit mit Rahel hat sie misstrauisch gemacht und vielleicht sogar Hass gesäht. Aki hat jedoch das Gefühl, dass sie ein paar Schritte aufeinander zu wagen, seit er in Rabenstein wohnt, sehr kleine, aber bestimmt nicht zu vernachlässigende. Die gelegentlichen Treffen, um sie nach ihren Schicksalsgöttern und deren Bildlichkeit zu fragen, hätten den Prozess bestimmt unterstützt.
Unbeabsichtigt hat er Cois dazu befragt, als der schweigsame Krieger die Statuen im Laden gesehen hat. So ist es nicht verwunderlich, dass er sich den nächsten beiden Schicksalsgöttern des ruhigen Druiden widmet, Artio und Morrigú. Er würde Cois noch mehr Worte entlocken – ohne dessen täglichen Redekontingent zu überstrapazieren – und sein Glück als nächstes bei Koren versuchen. Womit könnte man den gottesfürchtigen Hüne sonst aus dem Haus locken? Aki verhofft sich, dass es so wirkt wie Honig auf einen Bären.

Die Tage sind verregnet und düster, die perfekten Vorraussetzungen, um sich in fordernde Arbeit zu vertiefen. In der Mine wird es kühler und Aki bevorzugt die Arbeit neben der Feuerstelle. Er hat wieder den Platz auf dem Hocker neben dem Steinamboss eingenommen und widmet sich einem neuen, soliden Brocken Basalt. Die Paarung von Hammer und Meisel, die von einem metallischen Klocken begleitet wir, wird lediglich unterbrochen, wenn der Schmied einen Holzscheit nachlegt. Als die Finger staubig sind und die Gerätschaft dadurch die Reibung an den rauen Händen verliert, fliegen die Stunden dahin und die Arbeit schreitet voran. Er hat einen guten Tag gewählt, denn seine Finger sind ruhig und gehorsam und die erste Statue formt sich langsam.

Aki ist gegenüber Artio, der Göttin der Jagd geteilter Meinung. Einerseits ist sie eine Jägerin, mit der Wildheit eines Raubtieres, fähig mit ihren blanken Händen zu töten. Auf der anderen Seite werden ihr aber auch große Geduld und eine Abneigung gegen Handwerker nachgesagt. Er wundert sich also nicht, dass sie ihm nicht nahe gelegt wurde. Zu Cois passt es aber und der Schmied ist ganz zufrieden damit, dass dessen Abneigung gegen die Schaffenden nicht sondlich ausgeprägt ist.

Als die Zeit voran schreitet und Artio sich im Stein festigt, zeigt sie sich als agile und zugleich muskulöse Frau. Sie trägt leichte, lederne Wehr, die aus einem Bustier und einem knielangen Lederrock bestehen. Der Rock besteht teils aus Lederstreifen, Tierhaut und Fellstücken. Ebenso wird ihr Torso von Fell verziert. Am Gürtel und um den Hals trägt sie Lederriemen, an denen Tierkrallen, Zähne und Federn aufgefädelt sind. Sie trägt keinerlei Waffen am Körper, steht angriffslustig und leicht breitbeinig auf dem Basaltsockel, barfüßig und die Hände zu Fäusten geballt. Ihre Mimik wirkt verbissen und selbstbewusst. Zu ihren Füßen steht die kleine Version eines Bärs, das auf zwei Beinen steht, sowie ein Wolf, der sprungbereit wirkt.
Auf Wangenpartie und Kinn trägt sie Bemalung, die sich am Stein nur minimal absetzt und T-förmig verläuft. Die Strichführung dabei ist leicht vage, als wäre dicke Flüssigkeit mit den Fingern verteilt worden. Artio's langes Haar ist zu einem zweckmäßigen Zopf geflochten, der die Haare streng zurück bündelt aber dennoch weiblich wirkt. Zuletzt verpasst der Erschaffer ihr ein straffes Lederband, das sich um ihre Wade schmiegt. Daran baumelt eine große, zottelige Rabenfeder, als eine Art Spielerei oder Botschaft des Steinmetz.

Morrigú indes tritt deutlich kriegerischer auf. Sie trägt eine perfekt sitzende Plattenrüstung mit einem weiblichen Harnisch und einem Visierhelm. Zu ihren Füßen steht ein Henkersblock auf dem Sockel, neben dem ein Mann kniet, den Kopf gedreht und den ungeschützen Nacken dargeboten. Um die Verbildlichung zu verstärken, trägt er Mann eine Glatze und besitzt kein detailliertes Gesicht. Seine Arme hat er seitlich um den Block geschmiegt, sodass die Hände nach vorne zeigen, die Handflächen dabei auffordernd nach oben gedreht. Morrigú, die Göttin des gewaltsamen Todes, hält beidhändig ein Henkersbeil parat.
Abgesehen von dem Beil ist sie mit einem Schwertgehänge geschmückt, das an den gepanzerten, aber weiblichen Hüften sitzt. Laut der Sagenkunde kann sie selbst die schwersten Wunden überstehen, wenn sie jemanden hat, an den sie die Verletzung übermitteln kann. Dieser Jemand ist der kniende, gesichtslose Todgeweihte, der sich der Göttin anbietet. Die Sage verbirgt sich in der Statue und wird nur dem aufmerksamen und geduldigen Betrachter erkenntlich. Sowohl unterhalb des Rippenbogens, als auch im Oberschenkel steckt ein Bolzen im Körper der Göttin. Die Munition hat den Panzer durchdrungen und die Spitze lugt auf der Rückseite von Bein und Torso aus der Statue. Auf gleiche Weise stecken zwei Bolzen in dem Körper des Mannes, exakt an den selben Stellen.

[Bild: ourtge2e.png]
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