Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#10
Kapitel II - Lugh und Branwen

Den Rest der Woche widmet sich Aki den Statuen seiner nächsten zwei Schicksalsgötter, die versprechen, ihm leicht von der Hand zu gehen. Wenn er an Lugh denkt, stellt er sich einen fleißigen, gar verbissenen Handwerker vor, der von kleinen Kerlchen umgeben ist, die ihm helfen. Insgeheim erinnert Aki die Vorstellung an ein Buch, das er bei einem Gelehrten gesehen hat. Eine Frau umringt von Zwergen mit Zipfelmützen. Wie würden Lugh's Helferlein aussehen? Vage erinnert er sich an den Aberglaube mit dem Fingerhut mit Schnaps, der die Handwerksgeister wohl zum Schaffen motivieren soll. Auf der ersten Skizzierung der Diener tragen diese einen Fingerhut als Kopfbedeckung. Eine dieser kleinen, fast zwergenhaften Gestalten hält Hammer und Blechzange, der zweite Schere sowie Nadel und Faden und der dritte Säge und Hobel.
Die drei Helferlinge ordnet Aki am Sockel an, zu Lugh's Füßen. Lugh selbst ist ein bärtiger und faltiger Mann, da er viel in der prallen Sonne und der frischen Luft arbeitet. Nebst einfacher Kleidung und Fingerlingen trägt der kräftige Lugh einen breiten Werkzeuggürtel, an dem sich ebenfalls Schere, Hammer und Säge finden. Eine Handfläche deutet weisend zu seinen Helferlingen hinab, die andere hält darbietend einen rohen Holzscheit. Die Wahl fiel dabei auf einen Holzscheit, da der Schmied ihn am leichtesten erkennbar machen kann. Ganz gleich, ob er Garn, Erz oder Stoff im Stein vereweigen würde, es wäre nicht auf den ersten Blick als rohes Material erkennbar. Ein Scheit Holz dagegen ist eindeutig.
Während des Schaffensprozess hält der Schmied und Steinmetz eine gerade Linie bei. Anhand der detailierten Skizze, die dank Schattierungen plastisch wirkt, setzt er das Gezeichnete in Stein um. Dafür beginnt er am Sockel und verhüllt mit fortschreitender Arbeit die zwergenhaften Helferlinge in Staub und kleinen Steinbröckchen. Seine Vertiefung in die Schaffenskunst, sorgt dafür, das er ganz unbewusst etwas Stein an der rechten Wade von Lugh zurück lässt. Dort formt er einen vierten Helfer aus, der nicht geplant war, sich in dem Augenblick aber passend anfühlt. Der Zwerg hangelt an Lugh's Bein und späht zu ihm hoch. Aki behängt ihn mit Kräutern und kleinen Phiolen, immerhin ist ein Alchemist ebenso ein Handwerker, oder nicht?
Zuletzt macht er sich an das wettergegerbte Gesicht und setzt Lugh noch eine Kappe auf, da die grobe Vorarbeit ausreichend Stein dafür übrig gelassen hat. Bevor die Statue sich zu Lyon ins Wandregal gesellen darf, arbeitet der Schmied noch zweimal mit einem Pinsel nach und beseitigt kleine Unebenheiten und Kanten mit einem feinen Meisel. Sobald er das kleine Gesicht sauber pinselt, muss er zufrieden Lächeln.


An Branwen wagt er sich wenige Tage später. Mittlerweile geht ihm die grobe Übertragung der Konturen von der Skizze in den Basaltstein gut von der Hand. Trotz der wachsenden Sicherheit beim Arbeiten bleibt er aber wachsam und behandelt den Stein wie zarte Haut, die das erste Mal einen Schlag einstecken muss. Wenn der Stein bricht, oder der Schmied zu tief meiselt, muss er wohlmöglich von Neuem beginnen.
Branwen ist, bis auf etwas Blattgewand an den Hüften, nackt. Die muskulöse Brust, den Rücken und die Arme hat Aki bereits auf der Skizze detailiert ausgearbeitet. Dennoch lässt er sich bei den Vertiefungen zwischen den Muskelpaketen viel Zeit und arbeitet jede Krümmung sauber und glatt nach. Manchmal verflucht er seinen Perfektionismus, wenn es um Details geht, aber ohne ihn, wäre die Arbeit nicht ümzusetzen.
Die Brust wird von zwei festen Brustmuskeln definiert, einem gemeiselten Bauch mit sechs Muskelpäckchen und vereinzelten Abzeichnungen von Knochen. So wirkt der Gott neben muskulös auch agil und atlethisch. Die Rippen zeichnen sich leicht ab, da Branwen den Rücken stramm gestreckt hat. Unterhalb der breiten Schultern kann man die Schlüsselbeine erkennen. An einer Körperseite wirkt er straffer und gestreckter, da er den Arm in die Höhe reckt. Aki meiselt ihm ein Trinkhorn zwischen die Finger. Am Rücken bietet sich ebenso atemberaubendes Muskelspiel. Die Schulterblätter treten unter der steinernen Haut hervor und die Kuhle der Wirbelsäule endet im Steiß, der zwei kleine Vertiefungen trägt. Sogar den festen Hintern arbeitet Aki soweit aus, das er sich unter dem Laub abzeichnet, das Branwen's Hüfte lückenhaft umschmeichelt.
Bevor er sich an die markanten Gesichtszüge macht, setzt er Branwen ein Hirschgeweih auf. Das Gehörn wird von knorpeligen, aber spitz zulaufenden Ausläufen geschmückt. Das Geweih scheint mit dem Kopf verwachsen zu sein und die langen, welligen Haare schmiegen sich um die Wurzel. Über der Stirn besitzt das Geweih gabelförmige Stoßzangen. Das Geweih und die Gabeln wirken zerbrechlich und doch ist der Stein beständig genug, um die feine Konstruktion zu erlauben.
Zu Branwen's kräftigen Beinen kniet eine nackte Frau, die ihm eine Hand auf Höhe dem Knie abgelegt hat und zu ihm aufsieht. Sobald Aki Branwen's Gesicht ausarbeitet, blicken die wolfischen Augen zu ihr hinab, die Wangenknochen zeichnen sich unter dem Stein ab und der Blick wirkt feurig und verzehrend. Obwohl die Frau deutlich kleiner und weniger detailiert dargestellt wird – immerhin soll sie sich von dem Gott unterscheiden – dauert die Ausfertigung einen weiteren Tag.

Als er pinselnd die dritte Figur zum Abschluss bringt und sie auf das Regal zu den beiden anderen stellt, fragt er sich, was er sich da vorgenommen hat. Da die Arbeit jedoch bereits in Schaffensfreude umgeschlagen hat und die Stunden verfliegen, hat er sich seinem Entschluss gefügt. Gut, er würde noch das ein oder andere Wandregal aufhängen müssen, um die weiteren Statuen unter zu bringen, aber das stört ihn weniger. Eher spürt er ein leichtes Kneifen im Bauch, wenn er jetzt zu Lyon, Lugh und Branwen auf blickt und weiß, das sie nicht dafür gemacht sind, um dauerhaft seine Wand zu zieren. Aber der Tag des Abschieds ist noch ein gutes Stück entfernt.
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