Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#46
Am Abend, als der Großteil Rabensteins bereits im Feierabend angekommen ist und sich nur der Adel Amhrans für eine gesellige Disskussionsrunde trifft, wird ein hochmotivierter Knirps beim örtlichen Schmied abgeliefert. Annähernd so nah an der Verwaltung, dass die von Stand die Arbeit hören, stürzt sich der hünenhafte Handwerker mit dem siebenjährigen Sohn von Cahira und Kyron in eine späte Lehrstunde. Eigentlich war es nicht Aki's Absicht, noch eine größere Baustelle anzufangen, aber als Lionel mit großen Augen den Tresen inspiziert, bleibt ihm nicht viel anderes übrig.
»Bis später, ihr zwei!«, flötet Cahira noch, doch die beiden antworten bereits mit einem abgelenkten Brummeln.
»Was machst du dah?«, erkundigt sich Lionel und legt die Finger an das Werkstück, ungeachtet des Ruß und der Ölspuren, welche die Arbeit mit sich bringt.
Die agilen Finger des Jungen ziehen an dem Lamellenharnisch, welcher teils aus Blech, teils aus Leder besteht. Die unterschiedlichen Materialien sind mit Löchern versehen und werden mithilfe von stabilen aber flexiblen Flechtriemen zusammen gefügt.
»Schonmal gesehen, was deine Mutter zum Jagen trägt?«
Der Junge nickt eifrig und tapst suchend durch den Ladenbereich, bis er eine fertige Lamellenhose erspäht. Mit dem Finger deutet er darauf und sieht dabei über die Schulter, um sich Aki's Aufmerksamkeit gewiss zu sein. Dann kehrt er mit raschen Schritten zum Arbeitsplatz zurück.
»Aye, 's nennt sich Lamelle. Da ich viel Leder verwende, ist sie deutlich leichter als eine Platte. Also wählt man so ne Rüstung, wenn man noch wendig sein will, oder nicht so stark ist.«
»Für wen ist die?«, hakt Cahira's Junge neugierig nach und berührt die Metallplatten.
»'S nen Geheimnis.«
Der Junge bläst die Backen auf und sieht schmollend zu dem Schmied hoch, der eines der rechteckigen Blechplättchen nimmt und damit vor Lionel in die Hocke geht.
»Warum ist das so schmutzig?«
»Das ist kein Schmutz und auch kein Ruß. 'S nennt sich Götterstahl und die mattschwarze Farbe ist die Besonderheit.«
»Götterstahl?«, murmelt der Junge ehrfürchtig, was ihn nicht daran hindert, dass der Mund aufklappt.
»Aye, ich schmelze es in Lugh's Esse an einem besonderen Ort. Nur wenige besitzen das Wissen es zu verarbeiten.«
»Ich möchte es auch probieren!«, verkündet Lionel und schnappt Aki das Metallplättchen aus der Hand. Es wird umso eingehender inspiziert, als hätte sich ein vermutet rußiges Stück Blech in einen glänzenden Edelstein verwandelt. »Was machst du nun damit?«
Der Hüne atmet ergeben aus und schafft etwas Platz auf dem Thresen. Dort legt er einen einigermaßen sauberen Lappen aus und setzt Lionel auf die Arbeitsfläche.
»Wenn du mir hilfst und geduldig bist, zeig ich's dir, Nel.«
Aki wuschelt dem Burschen mit der rußigen Pranke durch die Haare, aber der grinst nur, als erwarte er in ein Geheimnis eingewiesen zu werden. Tatsächlich ist es nicht einmal eine Lüge. Unter Lionel's Blick, der vor kindlicher Neugierde strotzt, rückt Aki das Körbchen mit einigen mattschwarzen Plättchen zurecht. Lionel weitet die Augen und fährt mit den Fingern durch die Plättchen.
»Bist du schonmal beim Toben hingefallen und hast nen Loch in deine Hose gerissen?«, brummelt Aki erkundigend, während er eine Rolle mit Flechtriemen zurecht drapiert und einige Streifen Arbeitsleder in Form schneidet. Lionel nickt leicht ertappt. »Und was tut deine Mutter dann?«
»Sie stopft das Loch!«, antwortet der Junge schlau.
»Nur was, wenn das Loch zu groß ist?«
Lionel sieht prüfend an seinen Hosenbeinen hinunter und wiegt den Kopf unwissend. Dann wandert der klarblaue Blick weiter zu Aki's Hosen, die einiges an Ausbesserungsarbeit vorzuweisen haben. Eine Kinderhand tappt nach Aki's Knie.
»So?«
»Aye, dann nimmt sie etwas neues Leder oder Stoff und näht es fest, sodass das Loch verschlossen ist. Sonst zieht's im Winter rein, eh?«
Der Junge grinst wieder, als glaube er Aki nehme ihn auf den Arm.
»Die Vorgehensweise ist garnich so verschieden. Wir fädeln die Metallplättchen auf und dort, wo Lücken sind, verbinden wir sie mit Leder. Ebenso an den Kanten, damit es nicht an der Haut scheuert.« Er nimmt eines der Plättchen zur Hand und fährt mit der Kante sachte über Lionel's Handrücken. »Zwar schleif ich sie ab, damit die Kanten nicht mehr scharf sind, aber angenehm ist es trotzdem nicht auf der Haut, selbst wenn man ein Hemd drunter trägt.«
Der Bursche nickt verständig und zupft am Flechtriemen. »Ich möchte fädeln!«
»Ich zeigs dir einmal und dann bist du an der Reihe.«
»Aber...!«, wiederspricht der ungeduldige Junge, wird aber von einem strengen Blick zurecht gewiesen.
»Nichts aber. Du erinnerst dich doch, was das ist.« Aki schnippt gegen eines der Plättchen aus Rabenstahl.
»Götterstahl!«
»Und unsere Arbeit muss den Göttern gefallen. Sonst war's das für mich mit dem Götterstahl. Mit der Gunst der Götter spaßt man nicht.«
»Nagut..«, gibt sich Lionel geschlagen und rutscht auf seinem zurechtgemachten Platz zurecht. Dann späht er dem Schmied auf die Finger, während er die erste Reihe geschickt zusammen knüpft. Anschließend ist Lionel an der Reihe. Der Junge streckt die Zunge heraus und berührt mit der Spitze den Mundwinkel, während er konzentriert fädelt. Aki lässt ihn ein paar Plättchen fädeln, bevor er ihn auf einen Fehler hinweist. Ohne Tadel weist er den Jungen darauf hin, dass er die Reihen vergleichen soll. Nach einem knappen, aber nicht demotivierten »Oh« korrigiert der Bursche sein Werk. Gewiss dauert die Reihe eine kleine Ewigkeit und der Mentor muss anschließend die Riemen anständig nachziehen, aber der Junge ist dermaßen in die Aufgabe vertieft, dass sich Aki unmöglich einmischen kann. Die Zeit vergeht wie im Flug und, als sich ein Ende des Adelstreffen ankündigt und die Mutter naht, zieht Lionel kurz eine Schmolllippe. Aber die Ernüchterung ist nur von kurzer Dauer, denn die Beanspruchung des Geistes und die Herausforderung für die Fingerfertigkeit des Jungen, gemischt mit der Wärme der Esse, hat dafür gesorgt, dass Lionel herzhaft gähnt, sobald es an der Türe klopft.
Selbstzufrieden eilt Lionel zur Mutter und erklärt ihr brühwarm und vermutlich unzusammenhängend, was er vollbracht hat. Als Cahira zu Aki hinüber sieht, zuckt der nur die Schultern. Anstatt eines Abschiedes, stößt er letztendlich ein Pfeiffen aus, das den Burschen nochmals zurück eilen lässt.
»Hast du nicht was vergessen, Nel?«
Der Junge kennt die Prozedur und hält still, als ihm die Hände und die Backen von Ruß gesäubert werden. Anschließend umarmt er die Hüfte des Schmiedes und eilt zurück zu seiner Mutter. Jedoch nicht ohne ein Plättchen Götterstahl, das ihm noch im letzten Augenblick als Andenken in die Hand gedrückt wurde.
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RE: Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes - von Aki Durán - 19.03.2018, 21:56



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