FSK-18 Träume
#21
Überall ist das verdammte Blut. Die verfluchten Holzdielen werden's aufsaugen und ich hab den Salat. Überall...
Vika sieht mich mit diesem Blick an. Diese träge Gleichgültigkeit. Du kannst mich auch mal kreuzweise, Mistvieh. Warum hab ich ausgerechnet sie nochmal am Leben gelassen?


Sie schrubbte den Boden, versuchte das Rot wieder aus dem Holz zu holen. Alle Spuren zu beseitigen. Ihr tat der Oberschenkel weh. Ein Schmerz der kaum zu ertragen war, aber das Blut musste weg. Die drei Kadaver vor der Haustür... Ach was solls!
Warum war sie nochmal so ausgeflippt? Sie wusste es nicht einmal mehr. Den ganzen, langen Tag über hatte sich diese Wut in ihr aufgestaut und war dann explodiert. Herr Konstantin hatte es als erstes erwischt. Irgendwie bezeichnend, oder? Als das Tier vor Todesangst und Panik aufschrie tat es ihr tatsächlich leid. Aber sie musste es rauslassen. Über Wochen hatte es sich nun träge angesammelt. War zu einem Riesenberg gewachsen. Immer höher und höher und nun hatte der letzte Funken die Lawine ausgelöst. Lieber die Katzen, als jemand den ich leiden kann... oder der Ärger bringt.
Nur Vika war da. Thronte auf dem Kissen wie eine verdammte Königin und schaute Elda beim Bodenwischen zu. Sie hatte das Messer schon am Pelz der Waldkatze gehabt, doch brachte sie es nicht über's Herz. Sie waren sich zu ähnlich. Sie pausierte kurz und sah auf, dem Tier direkt in die Augen. "Fick dich selbst, Katze!, beantwortete sie den arroganten Blick des Tieres. Sie wurde schon wieder wütend. Einmal tief ein und ausatmen. Wo kam der Zorn her? So plötzlich... so heftig.
Ach ja... sie war es leid. Das war ihr heute morgen klar geworden. Sie wollte nicht mehr grübeln. Kein Weinen, kein Klagen, kein Herzschmerz.
Sie wollte diesen ganzen Gefühlsmist bei Seite schieben und wieder leben. Nicht mehr wie ein Geist durch Löwenstein streifen.
Die schmiss den roten Lappen in den Putzeimer und erhob sich. Scheiß auf das Blut... Die Türen des Kleiderschrankes öffneten sich und sie begann sich einige Klamotten zurecht zu legen. War Zeit die gute alte Elda zu entstauben und heute Abend ordentlich zu feiern...
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#22
Einfach nur dieses nackte Verlangen zu spüren bekommen. Keine Gedanken über Gefühle. Kein Gewissen das zur Vorsicht mahnt. Keine Liebe. Nur zwei nackte Körper und dieser natürliche, wilde Trieb. Es war so einfach gewesen. Erst wollte sie sich nur Unterhalten. Dann wollte sie etwas mit dem Nortgarder schäkern. Am Ende ging sie mit ihm nach Haus. Seine Lippen an ihrem Hals, an ihrer Brust. Es war so einfach gewesen. Sein Bart hatte sie gekitzelt und verpasste ihr eine Gänsehaut. Ihre Hände legten sich um seinen muskulösen Nacken. Und dann war da Konstantin. Drängte sich zwischen ihre wollüstigen Instinkte und jeglicher Reiz war verloren. Es hätte so einfach sein können...
Elda rollte sich auf den Fellen zusammen und starrte ins letzte Glimmen ihres Kaminfeuers. Sie wollte doch eigentlich nicht mehr über so etwas nachdenken. Darüber nachzugrübeln war sie so leid. Und doch tat sie es wieder. Aber wie könnte sie auch anders, wenn der Mann der all ihre Begierde und ihre Impulse im Griff hatte nur wenige Meter weit weg lag und schlief. Wenn er denn schlief...? Holzdielen, ein paar Felle und ein bisschen mehr als zwei Schritt Luft trennten sie von ihm. Sie würde ihn lieben gern zu sich heraufholen aber...
Ihre Hand fuhr hinauf an ihr Gesicht. Fingerspitzen strichen über ihre Lippen. Es wäre zu einfach gewesen. Armer Einar.
Sie strichen ihr Kinn hinab, ihren Hals entlang hinab zum Ansatz ihrer Brüste. Sie wollte nach dem hübschen Greifenamulett tasten, das einige Tage ihren Hals schmücken durfte.
"Du hast da drin 'ne Familie die sich wohl doch mehr kümmert, als du denkst."
Ob sie ihn je wiedersehen wird? bestimmt, aber würden sie sich immer noch so nahe sein?
"Ich werd' immer für dich da sein, Venthos. Ich liebe dich... aber häng dein Leben nicht an mich."
Ihre Handfläche kribbelt leicht. Aber das Gefühl war ein anderes als sonst. Sie sah auf die Narbe hinab, die ihre Hand verunstaltete. Sie war alles andere als schön, doch Elda fand sie bis zu dem Tag makellos und wunderschön.
"Für mehr hätte es nie gereicht."
Sie fühlte sich so hintergangen. So unglaublich schlecht und egoistisch. Alles auf einmal. Und vor allem vermisste sie ihn. Die Ruhe die er ausstrahlte und wie er ihr damit allein schon Halt gab. Seine klaren blauen Augen und die unschuldige körperliche Nähe. Einfach seine Freundschaft.
Sie atmete tief durch. Verdammte Gedanken. Sie wollte doch nur schlafen, sich ausruhen und auf Träume hoffen, die sie in eine Welt entführten in der alles in Ordnung war.
Stattdessen stand sie auf trat an das Regal heran. Ihr hinkender Gang füllte das stille Haus mit einem leisen, barfüssigen Tapsen. Sie riss ein Stück Papier von einem alten Aushang und beschrieb ihn eilig.
Seines Schrittes trat sie hinab und hinterließ die Botschaft bei Konstantin. Ob er schon schlief wusste sie nicht. Sie hoffte es einfach. Sie legte den Zettel auf seine Ausrüstung und eilte dann flink wieder zu ihrer Schlafstatt.
Nun konnte sie nur noch auf Schlaf hoffen. Den wichtigsten Gedanken hatte sie zu Papier gebracht und mitgeteilt.
Sie seufzte gehaltvoll auf und schloss dann ihre Augen... Die letzten Worte dieses Abends hallten noch in ihrem Kopf herum.
"...für dich entschieden."
"Ich weiß, sonst wärst du nicht hier."

Hätte sie mehr sagen sollen? Bei ihm bleiben sollen? Sie wollte es ihm nicht so leicht machen. Sie wollte seinen Jagdinstinkt wecken. Sich wieder interessant machen. Würde es nach hinten los gehen? Mit etlichen Zweifeln, ob der Zettel eine gute Idee war, ob sie ihn verlieren würde, ob sie vielleicht einfach verschwinden sollte, wie Nikolaj ihr riet, schlief sie irgendwann doch ein.



Wir sollten
Ist das dein


Ich bin es einfach leid darüber zu reden.
Lass uns bitte nicht mehr reden, sondern einfach machen.


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#23
Seine eisigen Augen stachen ihr entgegen. Ein helles grau-blau umrandet von einem Ring von dunklem Blau. Sie brannten wie Feuer. Sie sahen so viel mehr, als man vermuten konnte. Der Blick nahm sie förmlich auseinander. Schaute in ihr Innerstes und ließ alles zu Asche verbrennen. Wie sie diesen Blick liebte. Dieses Gefühl vermisste. Sie war ausgeliefert vor ihm. Ihr Leben, ihre Gesundheit und ihr Seelenheil in seinen schlanken, grazilen Händen.
Und dann kam der beißende Schmerz an ihren Oberschenkeln. Ein leises Zischen der Luft als einzige Vorwarnung. Sie konnte nicht anders als aufzustöhnen. Ob vor Pein oder Lust wusste sie selber nicht. Sie steckte wieder in diesem fluffigen Nebel aus Gleichgültigkeit und Verlangen. Wie immer wenn sie bei Arden war. Und er kam inzwischen jede Nacht zu ihr. Was genau dies zu bedeuten hatte wusste sie nicht, doch dankte sie den Göttern jeden morgen für diese Träume. Träume in denen... Wieder ein scharfer Luftzug und das Leder traf mit einem klatschen ihren Rücken... Träume in denen es keine Gefühle gab. Keine Liebe, keine Eifersucht, keine Schuld. Es gab hier keinen Platz für Konstantin, Venthos und all die anderen. Sie wurden unwichtig. Dumme kleine Figuren, die für ein paar Stunden von Spielbrett genommen wurden. Sie zählten nichts für sie. Hier wo es nur Schmerz und Wolllust gab. Die unzähligen Narben an ihrem Rücken kribbelten aufgeregt, als wollten sie sie anfeuern. Dann kam der nächste Schlag und sie schrie auf.
Dieses Vergnügen... diese zuckersüße Qual hatte sie nur noch in ihren Träumen. Inzwischen verstand sie nicht mehr warum Arden sterben musste. Warum hatte sie es getan? Wäre er immer noch, könnte sie ihr Leben in seine Führung geben. Müsse nicht mehr nachdenken und fühlen. Einfach nur da sein und ihm gehorchen. Wie damals....
"Ein Anfall von Freiheitsdrang.", beantwortete er ihre Frage, als hätte sie sie ausgesprochen. "Und auch hier gibt es Gefühle, mein Kleines. Du liebst mich. Immer noch. Ich weiß es. Ich rieche es förmlich. Und das wirst du immer tun. Egal was für ein Bengel da kommen mag, er wird dir nie geben können, was ich dir gab. Du wirst nicht glücklich. Sie sind alle zu schwach."
Er hatte recht. Es würde immer etwas fehlen. Sie würde immer Mehr suchen, in der Hoffnung etwas zu finden, was Arden zumindest nahe kam.
Sie fühlte wie der schlanke, blasse Körper an sie heran trat. Er schmiegte sich hinter sie. Öffnete ihre Schenkel und drang langsam in sie ein. Dann begann er wieder auf sie einzuschlagen, während er sie sich nahm.
Es würde niemals so sein wie in diesen Träumen. Sie würde niemals wirklich glücklich sein. Er hatte recht. Wie immer...


Ihr ganzer Körper fühlte sich taub an, als sie aus dem Traum erwachte. Sie fühlte ein seltsames Ziehen an ihrem Rücken. Es wurde immer realer. Eine Gänsehaut überzog ihren Körper.
Was sollte sie nur tun? Sie konnte doch nicht in ihren Träumen leben. Es gab so viel in ihrem Leben, was ihrer Aufmerksamkeit bedurfte. Und das wirkte alles so belanglos. Es war alles so unwichtig. Anstregend irgendwie. Sie brauchte Führung. Eine starke Hand die sie anleitete, die sie liebkoste wenn sie etwas richtig tat und sie schlug wenn sie bestraft werden musste. Wie konnte sie sonst wissen was richtig und was falsch war?
Sie wollte doch keine Liebe, keine Freundschaft und sie wollte nicht mehr reden. Immer und immer wieder reden.
Sie erhob sich langsam und kleidete sich leise an.

Den Blick hatte sie starr aufs Meer gerichtet, als sie wieder am Pier saß. Das tröstende Rauschen der Wellen umspülte ihre Wahrnehmung und beruhigte ihre Nerven etwas. Sie führte einen inneren Kampf mit sich selbst. Tag für Tag und niemand merkte etwas. Außer Venthos wusste keiner was sie wirklich brauchte. Doch er war nicht derjenige der es ihr geben konnte. Vermutlich nahm er ihre Worte von damals nicht einmal ernst. Sie war ja nur ein junges, naives Mädchen...
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#24
Die nächsten Tage würden anstregend werden. Die letzten waren es schon gewesen. Den ganzen Tag war sie auf den Beinen gewesen und erst zum Schlafen konnte sie ihren Füssen ruhe gönnen und sich hinlegen. Nackt lag sie auf ihren Fellen und ließ die Wärme des Kamins über ihren Körper strahlen. Sie schloss die schweren Augenlider und driftete wieder in ihre Gedanken ab.
"Tut mir leid, ehrlich. Ich tat es nicht um dich zu kränken."
"Ich will es garnicht wissen."
"Doch es ist besser du erfährst es von der die es angestellt hat.... ich treffe ihn nicht mehr."

Und dann sah sie sie dort sitzen... Seine Hand in Ihren. Es hatte sie unendlich viel Beherrschung gekostet nicht über das Miststück herzufallen. Ihr ihre verdammte Doppelzüngigkeit mit dem Messer auszutreiben"... ich treffe ihn nicht mehr."
Sie musste unweigerlich auflächeln. Immerhin konnte sie noch ihren Standpunkt klar machen. Man konnte nur hoffen, das dieses laskandorische Stück ihre Worte ernst nahm. "Noch einmal in seiner nähe und ich schlitz dich auf wie einen rohen Fisch." Viel zu lange schon hatte sie diesen ganzen Mist einfach hin genommen. Warum hatte Lhaki überhaupt davon erzählt? Um ihr gewissen zu erleichtern? Egoistisches Miststück. Und das auch noch an diesem einen verdammten Abend, an dem Elda nicht mal mehr sich selbst ertragen konnte. Geschweige denn solch ein Geständnis, von einer praktisch Fremden.
Aki hatte sie gedemütigt, erniedrigt und ihr weh getan. Zu einer anderen Zeit, mit einem anderen Mann hätte sie dabei vielleicht noch Lust verspürt aber das... Die Rache, die in ihren Kopf den Abend über immer weiter form angenommen hatte, würde herrlich sein. Es würde ein wilder, blutiger Tanz werden. Er würde nicht sterben. Oh nein! Das wäre zu einfach. Er würde leiden. Unendliche Qualen ertragen. Sie würde ihn demütigen, erniedrigen und um Gnade winseln lassen, die sie ihm nicht gewähren würde. Und das alles nur wegen einer Nacht im Kerker. Er hatte es sich selbst eingebrockt. Er hat es eskalieren lassen und nun würde er dafür leiden müssen. Diese süßen Gedanken schickten sie langsam in den Schlaf. Konstantins warme Hand in ihrem Nacken.

Der Dolch steckte in seiner Kehle. Unermüdlich floss das dunkle Blut seinen Hals hinab unter sein hübsches, schwarzes Hemd. Seine Augen, die sonst wie eisiges Feuer brannten, waren erloschen und sahen sie stumpf und leblos an. Es war fast als wäre noch ein Fünkchen Leben in ihm. Ein letzter Rest seiner Macht, die immer noch unter seiner Haut pulsierte. Sie saß nackt auf seinem Schoß und legte nun die Arme um ihn. Ihre Tränen hinterließen saubere Spuren durch das Blut in ihrem Gesicht. Sie war nun frei und plötzlich traf sie die erschreckende Erkenntnis, was dies für sie bedeutete.
An diesem Abend hatte sie ihn verführt. Nach allen Regeln der Kunst. Alles was sie je erlernt hatte, hat sie auf ihn angewendet. Das Kleid das sie gestohlen hatte verdeckte nicht viel, doch das was nicht zu sehen war ließ genug Spielraum für die schönsten Fantasien. Ihren Brustansatz hatte sie leicht eingeölt um ihrer haut einen sanften Glanz zu verleihen und die spärlichen Sommersprossen zu betonen. Sie hatte sich so lang in Brust und Wangen gekniffen, bis diese in einem zarten rosa glühten. Das Haar hing schimmernd gekämmt ihren Rücken hinab. Er konnte nicht widerstehen. Ein Jahr war sie nun in seinem Besitz gewesen und das erste mal erhob sie sich gegen ihn. Das erste mal war sie es gewesen die ihn nahm. Keine Worte, keine Schläge und keine Schmerzen. Sie hatte für ihn getanzt, ihre Hüften einladend geschwungen und schlussendlich einfach das Kleid hinab gleiten lassen. Er war so unendlich schön gewesen wie er da saß. Das glatte, schwarze Haar fiel glanzvoll über seine schmale Brust. Er war Mensch gewordene Eleganz. Allein sein Lidschlag war grazil und absolut erregend. Als sie auf seinen Oberschenkeln platz nahm und ihren nackten Leib an ihn drückte, spürte sie wie er reagierte. Und sie wusste in dieser Nacht würde alles ein Ende finden. Er küsste ihre Brüste... liebevoll. Das war neu. Er strich über ihren geschundenen Rücken mit einer Zärtlichkeit die jede Wunde dieser Welt hätte heilen können. Er war so wundervoll. Eine herrliche, grausame Kreatur die sterben musste.
Sein Blick war pures entsetzen gewesen. Sie sah in seinen Augen wie sein Stolz brach, als er das Messer an seiner Haut spürte. Und ihr brach das Herz. Sie würde der Welt eine schwarzes Juwel entreissen. Es kam kein zurück mehr. Sie hatte ihren Herren hintergangen. Die Klinge an seinem Hals, bewegte sie sich jedoch weiter auf ihm. Ihre kleinen Brüste bewegten sich reizend auf und ab, als sie ihn seinem Höhepunkt entgegen trieb. Ein letztes Geschenk.
Dann war der Moment gekommen. Das erste mal seit sie sich kannten geschah es. Sie beugte sich hinab und berührte die weichen, wohlgeformten Lippen. Ihr erster Kuss. Sie steckte all ihre Liebe, ihre Hingabe und den schmerzlichen Verlust in diesen letzten Kuss. Dann hörte sie das Gurgeln in seiner Kehle, als das Jagdmesser seine Haut verletzte, tief eindrang und seine Halsschlagader durchbohrte. Sie behielt ihre Lippen auf seinen als sie dabei zusah wie langsam das Leben aus ihm floss.
"Es tut mir leid. Ich liebe euch.", hauchte sie seinen Lippen entgegen. Bis jegliche Körperwärme aus ihm gewichen war, hielt sie ihn in ihren Armen. Es dauerte ewig ihn los zu lassen und ihr Unterbewusstsein verzehrte sich immer noch nach ihm.


Es war immer noch dunkel als sie erwachte. Sie konnte nicht anders als daliegen und leise weinen. Das war der schlimmste aller Träume gewesen. Es war der Spiegel ihrer Erinnerungen. Eine der schmerzlichsten Erinnerungen. Mit seinem Tod hatte alles begonnen. Damit ging alles bergab. Entscheidung auf Entscheidung die sie selbst treffen musste, war die Falsche gewesen. Arden war nicht mehr da um ihr die Entschlüsse abzunehmen und sie anzuleiten...
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#25
Als säße er neben ihr, hörte sie die rauchige, dröhnende Stimme ihres Großvaters. "Wer am Ende ist, kann wenigstens von vorn anfangen." War sein Spruch für alles gewesen. Unverbesserlicher Optimist. Aber je länger sie in Löwenstein weilte desto mehr Sinn machte des Satz für sie.
An diesem Abend hatte sie viel und oft an Candaria denken müssen. Viele sprachen von diesem Lehen. So nah und doch so fern. Sie hatte sich immer eingeredet, sie gehöre nach Löwenstein. Sie würde hier leben und sterben. Für immer im alten Hafen verankert.
"Du bist ein gutes Mädchen Elda, warst du immer."
Das Gespräch am Abend hatte ihr gar nicht gefallen...
"Zuverlässiger als mein eigenes Fleisch und Blut. Wenn ich sterbe will ich,
dass du alle Bande zum alten Hafen brichst, nimmst was ich dir hinterlasse und es dir irgendwo gemütlich machst."

Es schnürte ihr die Kehle zu...
"Du machst mir Angst, alter Mann."
"Versprichst du mir das?"
"Versprochen."

Es hinterließ einen bitteren, schweren Geschmack in ihrem Mund. Und sie hatte es nicht nur so daher gesagt. Er hatte ihr Angst gemacht.
Ihre Wurzeln lagen weit weg in Galatia. Auf dieser kleinen, bewaldeten Insel ihres Clans. Keine halbe Stunde mit dem Boot rüber zur Hauptinsel... Prenne. Doch diese Wurzeln waren abgestorben, vertrocknet und teils gewaltsam durchschlagen worden. Nun hatte sie neue geschlagen. Doch waren sie nicht in Löwenstein oder Amhran überhaupt verankert. Nein, sie hatte sie in Nikolaj geschlagen. Würde sie nochmal neu Anfangen können, wenn er nicht mehr sein würde? Könne sie einfach so Lebewohl sagen und verschwinden? Noch konnte sie nicht weg. Höchstens tief in den Flüsterwald. In die Berge... diese kleine abgeschiedene Hütte vielleicht. Oder Candaria... doch was wusste sie davon? Nicht viel... Naja eigentlich gar nichts. Und doch erträumte sie sich dort ein kleines Häuschen mit einem Hof. Ein hübscher Garten und ein paar Hühner und Schweine. Ein großer, grauer, fauler Hund, wie sie ihn in Galatia besaß. Es war zu schön. Die Vorstellung bereitete ihr Freude. Doch irgendwie schien es der Traum einer Fremden zu sein. Nicht für sie bestimmt. Aber sie hatte es versprochen...
Und dann platze Er in ihre Welt rein. Wie immer mit plötzlicher Gewalt, riss er sie aus ihren Gedanken. Was erwartete er nur von ihr? Stand dort, die Hand am Schwertgriff und verlangte ihr Vertrauen zu ihm. Wenn sie ging würde sie auch ihn zurück lassen. Er war dafür geschaffen. Für die Stadt, die Verbrechen und die Spielchen. Irgendwann würde sie ihn loslassen müssen.
Langsam zog sie die Beine an sich heran und kringelte sich vor dem Kaminfeuer ein. Allein. Mal wieder.
Sie brauchte den Halt, wenn nun alles um sie herum zusammen brach. Und der Mensch bei dem sie Halt suchte, wollte ihn ihr nicht gewähren... Er flüchtete vor ihr, vor seinem Wahnsinn und...Ach, es war hoffnungslos. Vielleicht sollte sie ihn einfach gehen lassen. Für immer.
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#26



Es gibt Tage die einfach wie dafür gemacht sich, sich in seinem Heim einzukuscheln und sich völlig in seinen Gedanken zu ergehen. Und genau einer dieser Tage war heute. Der Regen hatte auf ihrem Weg vom Hof des Bundes noch an Heftigkeit zugenommen. Elda hörte jeden einzelnen, dicken Tropfen auf den Dachschindeln und wie sie gegen ihr Fenster prasselten. Mit etwas Phantasie konnte man einen Rhythmus ausmachen, gar eine Melodie. Der Herbst war gekommen. Ihre liebste Jahreszeit. Die ganze Welt schien in einer wunderschönen Art Melancholie zu versinken. Alles starb auf die bunteste, herrlichste Weise, nur um in einigen Monaten wiedergeboren zu werden. Es war wundervoll. Selbst, dass sie klitschnass nach hause kam, machte ihr nichts aus. Inzwischen lag sie trocken und warm unter einem Berg von Fellen und sah zu wie der Mond durch ihr Fenster schien.
Das Haus war still... Was dafür sprach das Ceras nicht zuhause war. Es war nie still wenn er da war. Ein Wirbelwind der ihr ganzes Leben aufzumischen schien. Auf eine witzige, positive Art. Sie hatte ihn fest in ihr Herz geschlossen. Im Moment der einzige Mensch den sie dort einließ.
Seit Konstantins verschwinden, fühlte sie in sich eine Leere, die Nichts und Niemand füllen konnte. Und ausgerechnet als er ging begann alles schief zu gehen, was nur schiefgehen konnte.
Sie setzte sich etwas auf. Den Rücken an die Wand gelehnt griff sie nach dem Ledermäppchen, das immer neben ihrem Kopfkissen lag. Eine kindische Angewohnheit war es, sich jeden Abend vor dem Schlafen gehen die alten briefe von ihm durchzulesen. Vika kam mit einem Schnurren angeschlichen und machte es sich auf ihrem Schoss gemütlich.
"... Also lass ich dich in dem Gedanken zurück , dass ich dich am ersten Tage , an dem ich wiederkomme aufsuchen werde..." Daran hing ihre ganze Hoffnung. Der Glaube daran das er irgendwann wiederkommt, war der Antrieb ihres gesamten Tuns. Sonst hatte sie nichts. Und sie wusste es so gut vor allen anderen zu verstecken. Sie durchsuchte die Blätter nach einem kleinen Zettel. Als sie ihn fand, stahl sich ein träumerisches Lächeln auf ihre Lippen. Es war als könne sie seine Stimme hören, wie er es ihr vorlas... Sie vergaß den ganzen Mist mit Seriath. Das Nikolaj praktisch aus ihrem Leben verschwunden war, wie alle anderen die ihr wichtig waren. Sie rutschte wieder hinunter auf ihre Felle und schloss die Augen. Nur Venthos war ihr geblieben. Und ihn stieß sie immer weiter von sich. Er war ihr teuerster Freund und doch... Er tat ihr weh. Ohne das er etwas dafür konnte. Sie ertrug seine Berührungen einfach nicht mehr.
Elda hatte viele Verbündete und Unterstützer, doch am Ende des Tages war sie allein. Sie hasste Selbstmitleid und doch erging sie sich erschreckend oft in diesem. Nichts anderes war ihr geblieben.
Sie schlief mit den selben düsteren Gedanken ein, wie jede Nacht. Und dann träumte sie von vergangenen Tagen und vergangenen Männern. Von einer Zeit in der sie niemals alleine einschlief. Sie träumte von Konstantins Küssen und dieser unglaublichen Körperwärme die er stehts ausstrahlte. Sie träumte von Ardens letzten Minuten und wie liebevoll er kurz vor seinem Tod zu ihr war.
Der Regen prasselte stetig weiter an ihr Fenster, als sie schon tief und fest eingeschlafen war. Die kleine, braune Wildkatze lag auf ihr, mit starrem Blick auf die Türe, als könne sie jederzeit aufschwingen und jemand bestimmtes würde eintreten um diesem armen Menschlein etwas Trost zu spenden. Doch wie in jeder Nacht in der Vika über sie wachte, kam niemand.
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#27



Ihre Hand juckte. Ein unerträgliches Ziehen, dass sie einfach nicht vollends in den Schlaf gleiten lies. So sehr dieses Gefühl in ihrer linken Hand kribbelte, so spürte sie das Zupfen an ihrer Seele. Als wolle etwas sie wecken, weg ziehen und irgendwo hin führen, wo ihre Gedanken Erleichterung fänden. Und doch war sie in diesem Halbtraum gefangen. Das Unterbewusstsein ließ Morrigùs Vision Revue passieren. Führte ihr alles vor Augen. Dort war das kleine Frettchen mit dem hellen Fell und der edle Pfau der sein prachtvolles Federkleid zeigte. Ein Schnauben aus den Nüstern des dunklen Hengstes. Am liebsten wäre sie auf dessen Rücken geklettert und wäre davon geritten. Begleitet von Flügelschlag des roten Raben. Und eben dieser Rabe legte im Moment schützend seine Flügel um sie. Die langen, weichen Feder umschmiegten ihren Körper. Dann wurde es schwarz und alles war wie immer.
Wie in fast jeder Nacht kam er zu ihr. Quälte ihre Seele und verschaffte dieser sogleich Linderung.
"Anführen kann einsam machen, doch etwas zu verlieren..macht noch viel einsamer..."
Arden sprach zu ihr. Doch waren es die Worte des Schamanen die von seinen Lippen kamen. Das Gesagte hallte ewig in ihren Gedanken. Was wollte Morrigù ihr damit sagen? Sie erkannte den Sinn dessen nicht. Noch nicht. Die Zeichen wusste sie zu deuten, doch diese zu einem ganzen Bild zusammen zu fügen, fiel ihr unendlich schwer. Die Bilder wechselten, die Sicht verschob sich. Und dann sah sie Sein Gesicht...
Elda hatte schon fast vergessen wie er aussah. Die ausdrucksstarke Form seiner Wangen und Stirn. Die gerade Nase, dem Schnabel eines Adler gleich. Und über diesen thronten diese gefährlich schönen Augen. Das tiefe grün, in das sie schon so oft versunken war. Sie weinte vor Freude, es war als wäre er wirklich. Sie musste nur die Hand ausstrecken um ihn zu berühren. Warum erst jetzt? Nach all der Zeit? Ein unwirkliches Wiedersehen, dass sie so sehr in wachem Zustand ersehnte. Das Krächzen des roten Raben war zu hören, als er dem Blonden einen gewissen Platz an ihrer Seite zugestand.
Konstantin nahm sie in die Arme. Er wiegte sie wie eine Mutter ihr weinendes Kind wiegen würde. Seine Wärme, der wilde Moschusduft, das Klopfen seines starken Herzens. Überwältigend. Beängstigend. Sie war wieder eins. Ihre andere Hälfte war wieder da. Sie war wieder Ganz und ihr Innerstes sang vor Freude.
Diese vertraute, liebevolle Nähe hielt eine Ewigkeit an, bevor er wieder einfach so verschwand. Nein... nicht gänzlich... Die Fratze eines grauen Wolfes blickte ihr entgegen. Das Tier war so groß, beinahe auf Augenhöhe mit ihr. An atmen war nicht zu denken. Erst als der Rabe wieder auf ihrer Schulter saß, kehrte des natürliche Instinkt zurück, ihre Lungen mit Luft zu füllen. Die Lefzen des Wolfes hoben sich und kehlig knurrend sprach er mit Konstantins Stimme zu ihr.
"Kehre zurück zum Ursprung, Elda. Vergiss nicht was du bist... Was du immer sein wolltest. Lass die Stadt zurück. Lass mich zurück..."
Aus weiter ferne hörte sie das Rufen einer Eule, dann Flügelschläge. Und sie war wach...

Mit weit aufgerissenen Augen sah sie sich um. Einen Moment blieb ihr das Herz stehen. Dann die Erkenntnis. Es war Morkander der dort lag. Er war Ihm nicht unähnlich, doch der rote Schimmer im Haar des Druiden machte den eigentlichen Unterschied sichtbar, der vor allem in ihrer Art lag.
Ihre Finger strichen sacht seine Wange entlang. Er würde die Zukunft sein. Irgendwann, das wusste sie. Ihr Herz sang bereits in seinem Takt.
Sich von seinem Anblick losreißen müssend, erhob sie sich vorsichtig.
Sie nahm nur das nötigste mit. Die warme Luft dieser Nacht kündigte den kommenden Sommer an. Sie würde nicht frieren. Und so verließ sie die Stadt, ließ die dicken Mauern hinter sich. Der Wolf vor ihrem inneren Auge führte sie. Die Erinnerung an Konstantin leitete sie an... zurück zu sich selbst.
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#28
Träge wie ein dickes Walross, dreht sie sich unter den Fellen herum. Ein leises Schnuppern dann vergrub sie ihr Gesicht in den Kissen. Es war als wäre er erst vor ein paar Minuten gegangen. Sein Duft war überall. Aber vor allem in den Kissen. Sie zog die Luft tief ein und schnurrte dann wohlig. Seid ihren letzten gemeinsamen Stunden, war sie nicht mehr aufgestanden. Er war schon lange wieder in Servano. Verdammtes Servano. Verdammte Grenze. Verdammte Pflichten. Ihr nackter Körper räkelte sich unter einem dicken Wolfsfell als sie sich genüsslich streckte. Sie würde langsam aufstehen müssen. Obwohl es nichts zutun gab. Aber irgendwann war immer der Zeitpunkt gekommen, wo man würde aufstehen müssen. Und so brachte sie sich in eine sitzende Position und spähte durch das verdunkelte Zimmer. Die dicken Vorhänge sperrten den Hauptteil des Tageslichtes aus. Es war wie eine dustere, kuschlige Höhle. Weit weg von Löwenstein und all dem Stress. Ein Ort des Friedens, den sie nur ungern verließ.
Das alte Abendessen stand immer noch auf dem Stuhl. Ob es wohl noch essbar war? Nicht mehr frisch aber für den Hunger würde es reichen. Und so krabbelte sie ans Fußende des Bettes, griff nach dem Tablett und macht es sich dann wieder im Bett gemütlich. Ein misstrauisches Schnuppern an Käse und dann biss sie schon davon ab.
Morkander hatte für eine wundervolle Ablenkung gesorgt, als sie eigentlich hätte nachdenken müssen. Allein bei dem Gedanken wurde sie wieder kribbelig. Aber Flynn hatte ihr zwei Aufgaben gestellt. Die ersten auf dem Weg zur Wächterin des Rabenkreises.
Sie wollte ein Opfer. Also eigentlich nicht sie... sondern die Götter. Zuhause sagte man immer. Opfere etwas von dir selbst, wenn es dir ernst ist. Denn auch die Götter geben einen Teil ihrer Selbst um dir beizustehen und deine Bitten zu erhören. Sie betrachtete einen Moment ihre linke Hand die den Käse hielt. Nachdenklich biss sie nochmal ab und brummte nachdenklich auf, während ihr Blick an ihren Fingern hing, als würde sie eine Auswahl treffen. Doch das würde nicht reichen. Immerhin ging es um den Rest ihres Lebens. Was war ihr noch wichtig? Geld?... natürlich. Aber würden die Götter so etwas annehmen? Blutwurst und Krapfen! Hm... schon eher. Ihre Freunde? Ich glaube da würde Flynn nicht mitspielen. Auch wenn der Gedanke an einen nackten, an einen Fels gebundenen Ceras etwas hatte. Sie kicherte in den leeren Raum hinein.Vielleicht würde sie noch etwas erjagen können um Artio gefällig zu sein. Sie hatte schon mal das noch warme Herz eines Wolfes geopfert und es hatte sogar geholfen.
Ihre rechte Hand wanderte hinauf zu ihrem Nacken. Legte sich auf die tätowierte Tatze auf ihrem Schlüsselbein.
"Den Bund mit Morrigú hast du deinem Vater zu verdanken. Es liegt dir im Blute. Und dein Blut singt für die dunkle Göttin." Das hatte ihre Mutter ihr damals gesagt, als sie ihr, gerade alt genug, erklärte welche Schicksalsgötter ihr nach der Geburt gewiesen wurden.
Ihr Vater ging den selben Weg den nun auch sie einschlug. Nicht Nikolaj... nein. Ihr richtiger Vater. Der Mann der damals ihre Mutter erjagte und sie kurz darauf, schwanger wie sie war, wieder verließ. elender Bastard.
Sie kannte ihn nicht und hatte es nie gewollt. "Du bist umtriebig, ungeduldig und leidenschaftlich wie er. Du kennst ihn bereits. Ihr seid Spiegelbilder. Ich könnte dir nichts von ihm erzählen, was du nicht schon wüsstest, denn ihr seid ein Blut."
Hach Mama. Elda seufzte einmal schwer dem Käse entgegen. Keine große Prophezeiung aber vielleicht war es ihr auf diese einfache Art, nur durch das Blut, dass durch ihre Adern floss, vorbestimmt den Weg eines Druiden zu gehen. All die Jahre die sie in der Gosse verbrachte, waren vielleicht nur die erste harte Schule gewesen. Die Zeit in der sie das Elend erfuhr. Und nun war die Zeit diesem Elend Einhalt zu gebieten. Diesen götterverlassenen Menschen Hoffnung zu geben. Oder sie würde auf die Schnauze fliegen wie immer...
Murrend schob sie das Tablett zur Seite. Gefährlich nahe an die Bettkante und verkroch sich wieder in den Kissenhaufen der diesen Duft von Heimat trug. Dieser unsichtbare Abdruck des Mannes, der nur mit seiner Anwesenheit ihr Herz zum singen brachte. Der ihr mit einer Berührung nur, einem Kuss allein, den Boden unter den Füssen wegziehen konnte. Sie vermisste ihn jetzt schon wieder. Und bald würde sie wieder in Servano sein. Vermutlich dann, wenn er nach Greifanger zurück käme. Verdammtes Servano. Verdammte Grenze. Verdammte Pflichten!
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#29
Flynn sagte, sie sollen für eine Weile den Pfad aller Drei Wege beschreiten. Einen dieser Pfade ging sie schon ihr ganzes Leben lang. Er war steinig, gefährlich und am Ende nicht das was sie erreichen wollte. Es stand immer fest, dass sie Wächterin werden wollte. Was auch sonst? Sie besaß immerhin die Gabe nicht. Und doch zog es sie wie magisch auf den Pfad der Vaten. Allein das erste, unschuldige Interesse und die Neugier waren da. Dann erinnerte sie sich an den Abend mit Yashin. Als er sie mitnahm in seine Welt, in die Welt der Götter. Dort wo man ihre Botschaften sah, hörte oder fühlte. Dort hin wo Morrigú selbst zu Elda gesprochen hatte.

Würde sie so etwas abermals schaffen? Ohne Yashin? Sie musste es versuchen. Wenn es funktionierte... vielleicht, ganz vielleicht wäre sie dann auch eine Vatin? Wäre sie doch mehr als nur Elda? Jemand wichtiges. Jemand von Wert.
Sie musste es versuchen, musste sich hinein fühlen.
Und dann würde sie mit Vishaya reden müssen.

Und so begang sie an diesem Abend mit den Vorbereitungen...
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#30
Sie war nicht nach rechts abgebogen, wie sie es hätte tun sollen. Vorbei an Carmelinas Haus, an dem altem Turm und ab nach Hause. Hinab in ihre Höhle. Das Zimmer ohne Fenster, ohne Licht und ohne Wärme. Nein... Sie ging nach links.
Nach dem erstaunlich angenehmen Abend mit dem Baron zog es sie woanders hin. Als würde ein längst vergessener Freund ihre Hand ergreifen und mit sich ziehen. Im Gedanken versunken lief sie in den alten Hafen und ihr Herz verkrampfte sich. Jede Ecke dieses Viertels weckte Erinnerungen. Hier waren so viele erste Male geschehen, soviele vertraute Gesichter die über die letzten Jahre einfach verschwunden waren. Dieser Ort, den sie früher ihre Heimat nannte, war ihr nun fremder denn je und auch das schmerzte.

Sie betrat den baumelnden Wachmann. Die Eingangstüre quietschte immer noch leicht, wenn sie wieder hinter ihr zu fiel. Die Gefühle übermannten sie. Sie hätte gerade gut Nikolajs dreckiges Gesicht gebraucht. Wie er mit seinem albernen Hut hintern Tresen steht und sie räudig angrinst. Er war ein verfluchter Gauner gewesen, doch hatte er eine Weisheit inne gehabt die ihr nun schmerzlich fehlte. Sie vermisste das "Grüß dich Püppchen!" das immer so anrüchig geklungen hatte aber, wie sie wusste, ein liebevolles Necken gewesen war. Seine riesigen Arme, wenn er sie in Momenten, die so wenige jemals von ihm sahen, die sie einfach umarmten und fest hielten. Er war fort... Ihre Finger strichen über das alte, raue Holz des Tresens. Sie setzte sich auf den letzten Hocker an der Wand und sah in den Raum hinein. Jemand hatte neue Möbel reingestellt und es machte sie wahnsinnig. Das Bild stimmte nicht mehr und in ihr machte sich der Drang breit einfach das ganze Gebäude den Flammen zu übergeben. Besser so als wenn es so falsch und anders dasteht wie jetzt.
Konstantin saß immer dort... Der Blick ihrer Haselnuss braunen Augen ging zum letzten Hocker am Tresen. Sie sah ihn förmlich dort sitzen. Die Schultern gebeugt von der Last die er stehts mit sich herum trug, welche sie stets versuchte für ihn zu vertreiben. In ihrer Erinnerung hob er den Kopf an. Eine wilde, blonde Haarsträhne fiel ihm in die Stirn. Er grinste sie spitzbübisch an und ihr wurde warm uns Herz. Dann war er verschwunden. Sie dachte an die Worte des Edlen, wie er über seine tote Gefährtin sprach. Sie kannte die Worte... hätte sie ihm gar vorweg nehmen können und sie hätten überein gestimmt. Selbst nach zwei Jahren fehlte ihr Konstantin als hätte ihr jemand den rechten Arm abgehackt. Würde er wieder zurück kommen, wäre sie nicht mehr hier. Sie würde das alles hier noch weiter zurück lassen, als sowieso schon. Könne er sie dann noch finden? Wollte sie gefunden werden?
Die schlanke Gestalt rutschte von Hocker und bewegte sich durch den Schankraum, vorbei an dem kalten Kamin, in dem früher immer ein Feuer brannte... oder zumindest die letzte Glut glimmte. Für einen Moment viel ihr Blick auf den hintersten Tisch und sie lächelte matt auf. Noch mehr Erinnerungen.
Sie ging Stufe für Stufe die Treppe hinauf und das morsche Holz knarzte in vertrautem Klang.
Es war fast als würde sie durch eine Wand laufen. Die Luft hier oben war irgendwie dichter. Einerseits der Hitze wegen aber auch dank der ganzen verblassten Geschehnisse. Ihre Finger tanzen entlang der Wände und sie schlenderte durch den engen Gang als wäre er ein blühender Palastgarten. Hier hatte sie geküsst, gevögelt, gestritten, hatte auf Männer geschossen und wurde beinahe umgebracht. All das in diesem einen dreckigen, kaputten Flur. Gezeichnet von etlichen Blutspuren und Flecken andere Flüssigkeiten.

Sie verbrachte die Nacht in dem Zimmer das einst Nikolajs gewesen war. Sie hatte ihr altes Leben gehasst, solange sie es leben musste. Nun vermisste sie es und wünschte es sich manches mal zurück.
Darum vielleicht dieses Angebot? Solcherlei war ein Teil ihres Lebens gewesen. Sie hatte viele Männer mit ihrer Anwesenheit, ihren Berührungen und ihrem nackten Körper getröstet. Wenn es auch nicht lang anhielt. Für ein paar Stunden durften sie alles vergessen und hinter sich lassen.
Sie wollte auch einmal einfach vergessen und hinter sich lassen. Ohne Verpflichtung, ohne Reue und ohne störende Gefühle. Doch kam es ihr so vor, als wolle jeder Mann sie in einen Käfig sperren. Keiner war mehr bereit ein einfach Tänzchen zu wagen ohne gleich den Bund für's Leben schliessen zu wollen. Für sie gab es nur diesen einen Mann mit dem sie es getan hätte und der war fort. Dann war da der nächste, der sie vergessen ließ doch auch er war fort. Und Askir... selbst Askir war nun fort.
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