FSK-18 Grübeleien
#21
Nicht alles, was totgeschwiegen wird lebt.



Sie liebte die morgendlichen Stunden. Sie liebte den Nebel der sich nur sehr langsam von den Rabenfeldern aufs Meer zurück zog und der irgendwann nur noch über dem Sumpf zu finden war. Sulis streckte sich noch müde und dass sie erwacht war, erkannte man nur daran, dass der Himmel nicht mehr nachtschwarz schimmerte sondern langsam in ein erstes sanftes Grau überging. 

Nur ganz kurz verharrten ihre Gedanken bei dem weichen, warmen Bett zu Hause, dann atmete sie die würzige Seeluft zufrieden ein. Das Feld war gegossen, die Schafe geschoren und alle Tiere gefüttert. Der Herde ging es gut. 




Nachdenklich kehrten die Gedanken zu jener seltsamen Begegnung zurück. Sie hatte vergessen nachzusehen ob wirklich etwas dort zu finden war, auch wenn sie insgeheim sehr daran zweifelte.
Gut, irgendwann war sie sich sicher gewesen, dass das vor ihr kein normaler Feld-, Wald- und Wiesenwolf war. Er war zu groß, zu ruhig, zu beharrlich, zu wenig gefräßig, fast schon rücksichtsvoll, zu schnell und  und zu... verwirrend? Ja das war eindeutig ein gutes Wort. Kurz nickte sie. Verwirrend, das war es gewesen. Beängstigend, ganz sicher. aber auch faszinierend. 
Es war eindeutig keine rein tierische Intelligenz, aber das Verhalten dennoch weit weg von dem eines normalen Menschen. Wobei... wenn sie hätten reden können, hätte vermutlich nicht all zu viel gefehlt im Vergleich zu den Gesprächen mit manchen Personen.

Erst hatte sie in Erwägung gezogen die Axt zu werfen, aber irgendwann war ihr gedämmert, dass es sinnlos wäre. Wenn das Tier es darauf angelegt hätte, wären ihre Chancen vermutlich schlecht gestanden. Sie musste sich darauf verlassen, anders aus der Sache heraus zu kommen.


Jeder ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt

In dem Moment wo ihr klar wurde, dass es gewissermaßen fast fragte eines der Schafe reißen zu dürfen, hatte dann endgültig die Neugier die Oberhand gewonnen. Warum nicht die Gelegenheit beim Schopfe packen. Anouk hatte auf so vieles keine Antwort gehabt als es um dieses Thema ging. Noch viel weniger als auf die anderen Fragen, die sie persönlich so sehr auf der Seele brannten. 




Kurz verharrten ihre Gedanken, bei der Gestalt die um die Zeit wohl noch seelig in ihrem Bett vor sich hin schlummerte. Ihre Tagesrhytmen waren eigentlich recht gegensätzlich, stellte sie fest. Sie selbst stand schon vor dem Morgengrauen auf, erledigte einige Dinge und genoss die Stunden in denen der Tag erwachte, dann kehrte sie noch einmal zurück ins Bett und verschlief den halben Vormittag. Er hingegen stand meist auf nachdem sie gerade wieder ins Bett zurück gekehrt war und war dann den Rest des Tages nicht mehr gesehen. Frühestens am Abend führten sie ihre Schritte wieder zusammen. Aber anders als ihr damaliger Gefährte, hatte er stets etwas Zeit. Sei es um ein paar Augenblicke zu hören was sie erlebt hatte oder zu berichten wie sein Tag gewesen war. Nicht jeden Abend, aber in recht regelmäßigen Abständen lagen sie einfach auf ihrem Bett und unterhielten sich. Über ihre Träume, ihre Ängste, ihre Erfahrungen und es schien ihr als ob ihnen die Themen wahrlich nicht auszugehen drohten. Aber es war eine Gradwanderung nach was sie fragen konnte, ohne dass er zu seufzen begann, sie mit diesem sorgenvollen Blick ansah und ihr keine Antworten mehr gab. Auch für sie stand die Frage im Raum, was sie überhaupt wissen wollte und was sie wissen musste um ihn selbst und auch Andere zu beschützen. Wann war Wissen Fluch, wann Segen?




Das führte sie zurück zu der Situation in der eindeutig ihre Neugier gesiegt hatte. Wenn sie sich mit diesem Wolf schon auseinandersetzen musste, Flucht blieb ihr nicht wirklich in der Situation, dann konnte sie auch versuchen das beste daraus zu machen. Die erste Frage die sie brennend interessierte war: Wie bewusst waren sie sich ihres Zustandes und ihres Handelns? Es war auf alle Fälle eine gute erste Frage. Eine die sehr essentiell war, aber nicht zu persönlich oder heikel als dass sie ihren potentiellen Brieffreund  verschrecken könnte. 
Ja Wissen konnte zum Abgrund und zum Verderben werden. Genau deswegen war es wichtig dass die die verantwortlich genug damit umgehen würden, möglichst viel davon erlangten. Es half Gefahren und Gelegenheiten einzuschätzen. Und wenn sie nun an der einen Stelle nicht weiter kam, dann würde sie eben an der nächsten ansetzen.

Der Blick verharrte auf dem zerknitterten Stück Papier das an ihrem Gattertörchen klemmte. Nur ein einziges Wort und das nicht mal besonders gut zu entziffern 
Danke

Sie starrte es an. Danke... Das war die erste Antwort. Nun galt es vorsichtig den nächsten Schritt zu tun. so wie Mensch und Tier eben miteinander umgehen konnten. Vorsichtiges aufeinander zugehen, nicht erschrecken, keine eiligen Bewegungen machen, weder der eine, noch der andere, und die Eigenarten akzeptieren. Eine, so fand sie, in dem Fall gleichermaßen treffende wie seltsame Analogie.

Offenbar war der Mensch dahinter das Schreiben entweder nicht so gewohnt, oder es war eine Art Nebenwirkung der Verwandlung. Das wäre nun erst mal nicht ganz so wichtig gewesen, wen es ihrem Plan Nachrichten zu hinterlassen, nicht so entgegenstehen würde. sie musste gut darüber nachdenken welche Frage sie wie dann hinterlassen würde und was sie im Gegenzug anbieten konnte. Aber da würde ihr sicher etwas einfallen.


Die größte Ehre, die man einem Menschen erweisen kann, ist die dass man zu ihm Vertrauen hat.

Hingegen sein Hinweis jemanden zu fragen der sich auskennen würde, mit diesem anderen Kram der ihr Magenschmerzen bereitete... Noch konnte sie mit dieser Aussage wenig anfangen.
Generell waren seine Antworten immer entweder abwehrend oder grauenvoll kryptisch. Aber in einer Sache hatten sie ihr sehr weitergeholfen. Was die Sorgen einer ihr anvertrauten Person anging, war er sehr hilfreich gewesen . Es war wie sie im Grunde schon vermutet hatte, nur noch etwas komplizierter. 

Es war schwer gewesen die Fragen so zu stellen, dass sie nichts verriet von dem sie nicht wusste, dass er es wusste..., und allein dieser Gedankengang machte sie schon schwindlig. Sie konnte ja sehr diplomatisch sein und sie liebte kleine Geheimnisse und Intrigen, aber solche Dinge waren ihr zu wider. Probleme ging sie lieber mit wenig drum herumreden an und sie war froh in dieser Sache nicht allein zu sein sondern eine Mentorin zu haben, die sich solcher Dinge auch annahm und so viel mehr Erfahrungen mit sich brachte.

Sie war so anders als Gwaidir und dafür war sie dankbar. Er war unbestreitbar einer der aufopferungsvollsten Wächter den sie bisher getroffen hatte und er war einer der loyalsten und unkompliziertesten Freunde die sie je hatte, aber er war ganz sicher der falsche Lehrer für sie gewesen.
So wie sowohl Welf als auch Morkander die falschen Partner für sie gewesen waren. Sie war sich auch nicht sicher wohin die Zukunft sie tragen würde und ob auch Einar sich als der Falsche erweisen würde eines Tages, aber darüber wollte sie nicht nachdenken im Moment.  Dinge waren wie sie waren.
Und sie stellte fest, dass inzwischen der beinahe letzte Groll vollends abgefallen war von ihr. Langsam waren die Erinnerungen sogar fast nie mehr schmerzhaft. Es hatte lange Jahre gedauert und hatte sie so zieh geprägt , aber nun war sie wahrlich weiter gezogen. 

Von allen die auf Erden ich gekannt,
ich nur zwei Arten Menschen glücklich ich fand:
Den der der Welt Geheimnis tief erforscht,
und den der nicht ein Wort davon verstand

Mit jedem Tag ihrer Lehre eröffneten sich neue Wege, neue Fragen. Je mehr Wissen sie fand, um so mehr dürstete ihr nach mehr. Sie hatten lange geredet und vieles was Anouk ihr gesagt hatte, hatte ihr geholfen Dinge für sich klarer zu sehen. 
"Ich werde es dir weder ausreden, noch dich dazu ermutigen."
Im Lauf des Gespräches hatte sie kurz gerzweifelt ob die verzweifelte Suche nach Wissen nicht ein Irrtum wäre. Aber sie wollte nicht glauben, dass etwas was sich so dringend, so selbstverständlich anfühlte, wirklich ein Fehler sein könnte. Also entschied sie sich ihre Bedenken, oder mehr die des Mannes an ihrer Seite kundzutun. Beide verstanden die Sorge. Sie Gefahren von Wissen waren durchaus reel. 

"Nenn mich naiv und vielleicht zu idealistisch, aber ich will einfach niemand verloren geben. Ich will nicht hinnehmen, dass es Probleme geben soll für die es keine Lösungen gibt. Ja es gibt Monster da draußen. In jedem von uns steckt ein Monster. Im einen mehr, im andren weniger. Jeder Arsch mit einem Messer kann zum Monster werden. Und vielleicht, ja vielleicht ist bei einigen die einzige Möglichkeit sie zu retten, ihnen den  Kopf abzuschlagen. Aber so lange ich mir dessen nicht sicher sein kann und eine Wahl habe, will ich das nicht akzeptieren und werde nach Antworten suchen. Mama sagte immer 'Neugier ist der Tod der Katze'. Also muss ich einfach versuchen eine möglichst vorsichtige Katze zu sein."
Sie verstand mich und etwas an meinen Worten machte sie nachdenklich. Ich sagte ihr das selbe wie den Anderen "Ich werde keine Fragen stellen, aber ich werde immer zuhören.



"Als Druiden streben wir unser ganzes Leben lang nach der Wahrheit. Wissen kann belastend sein. Es kann bedeuten, Verantwortung zu tragen."

Das war nicht was sie fürchtete. Sie fürchtet, dass all das Wissen sie nicht weiter brachte und am Ende keinen Unterschied machte. Aber was war die Alternative? Es alles einfach hinzunehmen. Das Übel zu ignorieren oder ohne Sinn und Verstand auszurotten? Nein. Sie waren nicht wie die Mithraskirche die sich vor allem fürchtete was sie nicht verstand und was sich nicht in Formen drängen lies


"Ich würde mich jederzeit wieder für das Wissen entscheiden, ganz gleich wie unbequem es ist"
"Ich fürchte... ich auch"

In dem Moment wo sie es aussprach, wurde ihr klar, dass es die Wahrheit war, die sie bisher nicht erkannt hatte.Sie würde tun was sie musste. Sie würde jeden Winkel der Welt nach Wissen durchforschen. Geheimnisse waren das was ihr Macht  verlieh, Wissen war die Rüstung die sie tragen konnte und Geschichten waren das Schwert das sie zu führen verstand. Es galt nur jeden Schritt vorsichtig und bedacht zu setzen um sich nicht zu verlieren.
Auch wenn es jemanden gab, der mit dieser Erkenntnis nicht glücklich sein würde.

"Du musst die Abgründe kennen, um zu wissen, wie man sie erhellt"

Diese Aussage war es, die ihr Hoffnung gab. Es gab ein Licht für jede Dunkelheit, sie mussten es nur finden und ja... vielleicht muss man das Monster töten um den Mensch zu retten. Wer weiß?

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[Bild: Anabella-Signatur.png]
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#22
Es gibt nichts stilleres als eine geladene Kanone.



Gedankenverloren war sie nochmal vom Schafe scheren zurück gekommen um Futter zu holen, da hatte Anjalii auf sie gewartet. Sie hatte sich gefreut sie zu sehen. Das letzte Gespräch war so angenehm gewesen. Doch kaum hatten sie die Wohnung betreten hatte diese die Armbrust ausgepackt und ihr wurde klar, dass heute einer von Anjaliis verdammt schlechten Tagen war. Doch dass alles so eskalieren würde, hatte sie nicht erwartet. Sie war sich nicht ganz im Klaren darüber was die Geschichte dahinter war, aber sie hatte immer wieder davon gesprochen dass sie aufbrechen müssten. Warum sie aber nicht mit Einar selbst sprach, war ihr nicht klar. 
Die Wahrscheinlichkeit war gering dass er in der vermutlich folgenden Aufregung die Nachricht entdecken würde, aber sie musste es versuchen. Es war gut wenn er wusste wer dahinter steckt. Das erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass alle gut aus der Sachen rauskämen, doch drastisch.

Sie versuchte unterwegs unauffällig Hinweise zu streuen und hoffte inständig, dass sie ihre Entführerin zur Vernunft bringen könnte. Aber sie war nicht mal wirklich ansprechbar. Definitiv ein GANZ schlechter Tag...

Und dann saßen sie in dieser Höhle und Ana hatte keine Ahnung wie das ganze enden würde. Einen winzigen Moment befiel sie die Angst dass er nicht kommen würde. Nicht einmal weil sie dann Angst gehabt hätte, dass Anjalii ihr dann etwas zu Leide täte, mehr weil es die Antwort auf die Frage wäre, die sie seit Tagen immer wieder plagte...
Ihr war klar wie unsinnig dieser Gedanke war und doch wurde sie ihn nicht los.

Und gerade als dieser Gedanke drohte ihr die Konzentration zu rauben, hörte sie ein Klappern von Metall und die Gestalt trat ums Eck. Dann überschlugen sich die Ereignisse.
Ein Wort gab das andre, sie selbst versucht ebenfalls, nach wie vor behutsam, ihr klarzumachen was die Wahrheit war. Noch währenddessen hatte er sie überwältigt und ihr wurde übel und Panik ergriff sie. Das war es also? Dazu kam die unterbewusste Anspannung die die ganze Situation hervorgerufen hatte und so kam es dass sie den Rest mehr mechanisch und wie durch einen Schleier erlebte.






Wenn man zu denGöttern spricht, ist man religiös. Wenn die Götter mit einem sprechen, ist man irre.


Dann standen Anouk und Kordian in der Halle. Sie hatte keine Ahnung wo die beiden auf einmal herkamen. Und dann meinte ihre Lehrmeisterin, sie hätte einfach ein schlechtes Gefühl gehabt. Sie war sich sicher gewesen, dass Ana in Schwierigkeiten wäre. Und dann waren sie wohl ihren hinterlassenen Spuren gefolgt.

Anjalii lag gefesselt am Boden? Warum? Sie war zusammengebrochen als sie die Wahrheit erfuhr. Aber wo kam das Seil her? Der Blick auf den Mann hinter ihr, der im gleichen Maß aufgewühlt und am Boden zerstört, wie unfassbar zornig wirkte, verriet es ihr. Stimmt, sie hatte noch protestiert.... oder so etwas. Hatte sie?

Sie erinnerte sich dass sie mit Kordian sprach, ihm Fragen beantwortete, das tat sie doch, oder? Da berührte die Vatin das erstarrte Bündel Mensch und sie sah das erste Mal was mit den Orakeln geschah. Das selbe Bild, die selbe Erinnerung, das selbe Grauen, zeichnete sich auf beiden Gesichern ab und dann... lies sie los. Irgendetwas war geschehen, das ihr die Augen endlich geöffnet hatte, dass all diese Gedanken wahr waren.

Dann erinnerte sie sich noch an den Schild in ihrer Hand und erneut überkam sie Grauen und Panik und im gleichen maß die Schuldgefühle dass sie ihr nicht hatte helfen können.

Dann wusste sie erst wieder dass sie in Thalweide im Anwesen im Bett lag und zitterte.




Geliebt zu werden kann eine Strafe sein. Nicht wissen, ob man geliebt wird, ist Folter




Sie lag in seinen Armen und ihr wurde klar, wie gut alles abgelaufen war. Aber beim nächste Mal käme vielleicht jemand auf den selben Gedanken und der würde es ernst meinen. Sie würde nicht zur Last werden für ihn. "Ich will nicht deine Schwachstelle sein."
Doch in dem Moment wo sie diese Bedenken aussprach, merkte sie an seiner Reaktion, dass es das absolut falsche gewesen war. Sie war sich nicht sicher, was diese zornige Reaktion in ihm genau hervorgerufen hatte und sie sollte es auch nicht erfahren. Aber genau so schnell wie er aufgebraust war, hatte er sich beruhigt und sie sah ein, dass man manches nicht verhindern konnte. Und letzten Endes, war es umgekehrt genau so und sie selbst hätte ihn auch nicht losgelassen.

Da waren so viele kleine Zeichen, so viele Beweise, so viele Menschen die sagten sie täte ihm gut, aber dennoch war sie sich unsicher wo sie wirklich standen. Die Zukunft kannten nur die Götter und selbst da war sie sich manchmal nicht ganz sicher, aber ihr würde schon eine sichere Gegenwart reichen.
Sie redeten und alberten und die Dinge die sie in Panik versetzt hatten, fielen ab von ihr. Keine Furcht mehr. Vertrauen.
Doch immer noch nagte diese eine Frage an ihr, die Frage die die Antwort war auf alle Zweifel und Bedenken ob das gut gehen würde, war.

"Du wirst uns nicht aufgeben, oder?"

Sie war überzeugt dass es immer eine Lösung gab, aber um die Gelegenheit zur Suche zu bekommen, musste sie die Sicherheit haben, dass er dem eine Chance gab und nicht vorher aufgab.
Diesmal war sie es die zornig wurde, keine Antwort, nur weitere dumme Scherze!
Gerade als sie sich beklagte.... Es war kein Scherz gewesen über Untote,... es war die Antwort auf ihre Frage gewesen.

"Nicht so lange mein Herz noch schlägt."



Aus den Trümmern unserer Verzweiflung, bauen wir unseren Charakter


Wieder war eine Sorge verschwunden, eine Sache ruhiger, klarer. Die Gestalt an ihrer Seite schlief friedlich, doch sie fand keine echte Ruhe.  

Ihre Gedanken wanderten zum Rabenhügel, wo Anjalii nun hoffentlich traumlos schlief.Was würde nötig sein um ihr zu helfen? Wie ging es Alec inzwischen? Konnte sie etwas für sie tun? Sie kannte das Gefühl von Schmerz, Verzweiflung und Einsamkeit nur zu gut selbst und wusste wie es sich anfühlte von aller Welt verlassen zu scheinen.
Sie wollte nicht dass die Beiden das gleiche durchmachen mussten. Aber sie wusste auch nicht recht wie sie helfen konnte. Zumal sie vor sich selbst und vor Galates zugeben musste, dass obwohl sie Anjalii das ganze nicht übel nahm und es ein Stück weit verstand, "Wir alle tun dumme Dinge wenn wir verzweifelt sind." hatte sie zu Kordian gesagt, ihr Verhältnis zu ihr gerade nicht ganz unbelastet war. Unbefangen ihr gegenüber zu treten, wäre gerade nicht ganz einfach. Aber sie würde es versuchen und den Rest mit Ehrlichkeit was ihre eigenen Gefühle anging, wett zu machen versuchen. Und dann war da noch diese andere Sache die sie versprochen hatte im Auge zu behalten. 

Seufzend drehte sie sich um. Heute Nacht würde die Welt sich nicht mehr verändern. Also lehnte sie sich an seine Schulter und schloss zumindest eine Weile die Augen und lauschte auf die gleichmäßigen Atemzüge und spürte das beruhigende Heben und Senken des Brustkorbes. Dann begannen die Vögel draußen zu zwitschern und sie begann innerlich zu fluchen wie ein Rohrspatz. Wollte man ihr denn heute gar keinen Schlaf gönnen?!




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#23
Die meisten Menschen haben vor einer Wahrheit mehr Angst als vor einer Lüge.



Sie saß auf dem Balkon des Anwesens in Thalweide. Mühsam hatte sie einen Stuhl aus dem Nebenzimmer herübergerückt. Der Blick wanderte über die verschlafen daliegende Siedlung. Nun könnte man sagen, dass Thalweide eben noch kleiner und wilder und ländlicher war als das auch schon eher raue Rabenstein, aber tatsächlich lag auch dieses im Moment wie in einem Schlummer da. Die letzten Wochen war es die flirrende Hitze gewesen, die jedes Leben regelrecht gelähmt hatte. Sogar Anouk, die sonst nicht empfindlich war was äußere Einflüsse anging, hatte sich schwer getan mehr als das zwingend Notwendige zu erledigen. 
Sie selbst war zwar oft geschäftigt herumgeeilt, aber meist eher zur späten Stunde. Außerdem hatte sie es irgendwann aufgegeben. Das stetige allein sein, hatte zu sehr an ihren Nerven gezehrt.

Allein sein. Ja das war im Moment ein stetiges Thema für sie. Ihre Schneiderei lag schon länger verwaist da. Sie war nach dem Vorfall in Löwenstein zu Einar gezogen. Zu Hause fühlte sie sich nach all den Vorkommnissen nicht mehr wirklich sicher. 

Zuerst die Entführung. Auch wenn sie sie verstand, auch wenn sie ihr nicht böse war, ihr längst verziehen hatte, erinnerte sie sich jedes Mal wenn sie durch die Haustür in ihren Verkaufsraum trat an die Szene wo auf einmal eine Armbrust auf sie gerichtet war.
Dann dachte sie darüber nach, dass noch jemand anders hier gewesen war der sie nun ängstigte. Daran wie sie innerlich gezittert hatte, als er ihr gegenüber stand und sie sich immerzu die Frage stellte, wieso er sich die Mühe machte ihr zu drohen, wenn auch unterschwellig, aber die Person die offenbar zu viel gesehen hatte, nicht einfach aus dem Weg schaffte. Sie verstand es nicht. Er tötete doch sonst auch ohne Skrupel und auf so bestialische Weise, Menschen, aber bei ihnen hatte er sich mehr auf Warnungen und Mahnungen verlegt, statt sie einfach aus dem Weg zu schaffen. Sie selbst hätte das eindeutig getan an seiner Stelle. 

Das alles erinnerte sie jedenfalls dann daran wo sie mit Innes in dem Garten stand und ihr auf einmal die Luft weg blieb. Ihr Kopf zog sich zusammen und sie wurde von Schmerzen durchflutet. Wellen über Wellen von Schmerzen, ehe sie dann schnell gnädigerweise das Bewusstsein verlor und ihr Herz offenbar aufhörte zu schlagen und ihre Lungen keinen Atem mehr pumpten.
Nur der Novizin verdankte sie es, dass sie noch... wieder lebte. Auf den ersten Blick müsste man vermuten, dass sie es war die sie vergiftet hatte. Aber erstens war es rein logisch schon Unsinn, zweitens traute sie es ihr einfach nicht zu. Sie war verblendet in ihrem Glauben, aber nicht in ihrem Herzen.
Innes Seele war wohl nicht mehr zu retten und zu den Göttern zurück zu führen, aber sie war dennoch unverdorben. So wie Ana selbst, eher die Schatten lebte, das Verborgene, so stand sie im Licht.

Diese Überlegung führte sie nun unweigerlich zurück zu ihrer letzten Unterrichtsstunde. Schatten war nicht das Gegenstück zum Licht. Es gehörte als Gegenpol zur Natur und das Licht stand den Gewalten gegenüber. Anouk hatte sich wirklich abgemüht ihr das verständlich zu machen, was, wie sie deutlich heraushörte, das Grundlegendste und Ureigenste war, was sie als Druiden zu verstehen, verkörpern und verteidigen mussten. Aber wie sollte sie das, wenn sie es doch nicht mal im Ansatz begriff? Es dann am Ende umzusetzen wäre schon eine Herausforderung für sich, aber wenn sie es nicht einmal verstand, wie sollte sie es dann jemals verkörpern geschweige denn jemandem erklären?
Ab und zu hatte sie Ansätze gehabt, die ihr logisch schienen, dann kamen wieder neue Aspekte dazu, oft auch durch Keldron, die das alles für sie wieder umwarfen. Er schien das so einfach zu begreifen und zu verinnerlichen und sie.. sie scheiterte daran auch nur die Grundzüge zu umreißen.
Und mit diesen Gedanken kam die brennende Angst zurück. Die Angst zu versagen. Sie hatte Anouk versprochen, dass sie ihre Ausbildung beenden würde. Und ja... das würde sie. Nur langsam kam das erste Mal der Gedanke auf, dass es nicht auf die Weise sein würde die sie sich vorgestellt hatte. Spielte Easar doch ein Spiel mit ihr und lies sie immer wieder glauben und dann scheitern? War sie dazu verdammt einem Traum nachzujagen, weil sie dachte es wäre ihr Weg und wieder und wieder an sich selbst zu scheitern? Würde sie sie enttäuschen und ihre Ausbildung beenden mit... "Sie kann es nicht"?

Ohne dass sie es zuerst bemerkt hatte, waren Tränen über ihre Wangen gerollt und als sie es schließlich registrierte, unternahm sie garnicht erst den fruchtlosen Versuch sie zu bremsen oder wegzuwischen und ließ sie einfach kullern.
Sie würde nicht aufgeben, aber langsam verlor sie das Vertrauen in ihre Eignung für das Ganze. Wie hatte sie so dumm sein können?




Wer andern gar zu wenig traut, hat Angst an allen Ecken; wer gar zu viel auf andre baut, erwacht mit Schrecken.


Und dann war da noch etwas in das ihr Vertrauen erschüttert war. 
Der Blick wanderte gedankenverloren über das verschlafene Thalweide und zu dem Mann der es als seines betrachten konnte. Sie wusste wie sehr er die kleine Siedlung liebte, wie viel Kraft, Blut, Schweiß und Tränen er hineingesteckt hatte. Ein Stück weit, wie im viel kleineren Rahmen, in ihre Beziehung. In Gedanken korrigierte sie sich. Das Vertrauen war nicht in ihn erschüttert. Sie vertraute ihm immer noch blind, auch wenn ihr jeden Tag mehr bewusst wurde, wie viel er vor ihr verbarg. Sie wusste warum. Sie akzeptierte es. Verstand es sogar. Aber am Ende war es manchmal trotzdem schwer hinzunehmen. Nein, das Vertrauen in den Gedanken dass sie funktionieren könnten, war erschüttert. 

Manchmal reichen Gefühle oder der Wille zu etwas, eben nicht aus.
So wie es vermutlich nicht reichte, dass sie wirklich Druidin sein wollte, den Göttern und den Menschen dienen, sie führen, beschützen, wenn nötig zu strafen, die Geschichten und Gedanken in die Welt tragen und dafür Sorge tragen, dass Dinge nicht aus den Fugen gerieten, so reichte die Liebe und das Vertrauen das sie in ihn empfand, vermutlich ebenfalls nicht aus, dass sie gemeinsam funktionierten.

Die letzten Wochen hatten sie nie Gelegenheit gehabt wirklich gemeinsame Zeit miteinander zu verbringen. Oder genauer gesagt beschränkte sie sich darauf, dass er nachts heim kam, oder oft auch nicht, und sie im Halbschlaf an sich zog. Manchmal wurde sie wach und sie liebten sich. Meist wachte sie auf und er schlief noch und wenn sie zurück kam, war er fort.
Einmal hatten sie sich gesehen und kurz Zeit gehabt zu reden, und es hatte sie fast zerrissen. Sie war so wütend gewesen, wie er das alles so leicht nehmen konnte, wie er sie nur aufs Blut reizen konnte und ihr das was sie so vermisste, nämlich seine Zärtlichkeit, Leidenschaft und ihre gemeinsame Zeit, vorhielt, nur um es ihr zu entziehen. Sie war so unfassbar wütend und verletzt gewesen. Sie hatte ihm in der Deutlichkeit einer kalten scharfen Klinge, gesagt was sie davon hielt. Er war geknickt gewesen, verletzt, überrascht, aber am Ende... änderte es alles nichts daran wie die Dinge waren.

Zu Beginn ihrer gemeinsamen Reise, hatten sie so viel miteinander geredet. Er hatte sie fast täglich unter einem Vorwand, oder auch ohne Grund, aufgesucht und war meist die ganze Nacht geblieben. Sie hatten geredet, gemeinsam geschwiegen und waren zur Ruhe gekommen.
Nachdem die Dinge irgendwann klar und offiziell waren zwischen ihnen, hatten sie die Finger kaum voneinander lassen können. Sie hatten ihre Unterschiede geordnet und wo sie standen. Und natürlich war ihr bewusst gewesen, dass es Zeiten geben würde, in denen sie nicht so viel Zeit miteinander verbringen würden, aber sie hatte nicht vermutet, dass es so schwer werden würde.
Zumal es wenig gab gerade, und noch viel weniger gutes, womit sie sich ablenken konnte davon.
Und ein wenig erinnerte es sie an die Zeit als es begann mit ihr und Morkander schwierig zu werden. Noch lange bevor es gescheitert war.
Unweigerlich schob sich der Gedanke in ihren Kopf, dass es an ihr lag. Sie hatte es ihm von Anfang an gesagt, dass sie nicht geeignet war dafür, das es Unglück brachte sich auf sie einzulassen und dass etwas mit ihr zu gründen, auf Sand bauen war. Aber er hatte nicht aufgegeben und sie selbst hatte es sich viel zu sehr gewünscht. Einmal wieder geliebt zu werden. Einmal wieder einen Moment der Anker im Leben eines Anderen zu sein. Das Licht in der Dunkelheit des Lebens. Der Traum in der Realität da draußen. 
Sie hatte ihn gewarnt, dass wenn sie sich darauf einließen, es bedeutete für sie, ihn auf die eine oder andere Weise irgendwann zu verlieren. Und genau, das, so fühlte es sich an, geschah nun.
Noch war sie nicht bereit es los zu lassen, aber sie fühlte wie alles auseinander trieb, wie die Eisschollen im Winter, wenn die Oberfläche des Eises brach.





Alles in der Welt endet durch Zufall und Ermüdung.





Aber sie war zumindest fest überzeugt gewesen, bis vor zwei Tagen, dass sollte diese Unglück jemals eintreten, es diesen anderen Fixpunkt in ihrem Leben gab, an dem sie sich festhalten konnte. Diese Aufgabe die sie zu übernehmen begonnen hatte und die ihr so viel, oder in so vieler Hinsicht noch mehr, bedeutete als ihre Beziehung. Und auch dort fühlte sie die ersten Risse. Sie fühlte ihren Zweifel.

Sie war zu Alecs Bestrafung erschienen. Zum einen weil sie ein Stück weit dennoch seine Freundin war, ein klein wenig weil er ihr Kamerad bei den Grauwölfen war, aber vor allem anderen, und deswegen war sie im Schwarz erschienen, weil sie einen kleinen Moment dachte, es wäre sinnvoll, notwendig, dass jemand von ihnen anwesend war. Jemand der bezeugte dass alles richtig war. Nicht dass sie auch nur im Ansatz erwartet hätte dass Kordian, oder Kyron oder Alec von der ihnen zugedachten Rolle abwichen. Nein dazu waren sie zu geradlinig um da nun unvorhergesehenes zu tun. Es war mehr das Gefühl dass es richtig war, notwendig, allen Beteiligten irgendeine Sicherheit vermittelte und natürlich dass der Form damit genüge getan war. 

Einen winzigen Augenblick hatte sie tatsächlich gedacht, dass es einen Unterschied gemacht hätte ob sie da war oder nicht. Realistisch betrachtet war es absoluter Unfug. Das wurde ihr nun sehr deutlich klar. Vermutlich wäre es nicht mal weniger ... seltsam.. unangenehm gewesen, wenn sie nicht da gewesen wäre und danach allen Schnaps in die Hand gedrückt hätte. Nichtmal das...


Nein, das wo es wirklich wichtig war, dass Druiden anwesend waren und ihre Aufgabe erfüllten, waren die Dinge die sie überforderten. Und dafür ein Haus zu segnen, oder Schnaps zu verteilen, dazu brauchten sie sie nicht wirklich als Anhängsel, das solche Dinge übernahm, weil sie mit den wichtigen Dingen überfordert war.

Aber auch was das anging, hatte sie nicht die Kraft loszulassen, den Mut mit Anouk zu sprechen und sie zu bitten realistisch zu sein. Sie und Keldron waren vom gleichen Schlag, trotz ihrer Unterschiedlichkeiten. Sie waren geradlinig und klug, respektvoll und ein wenig geheimnisvoll. Sie verkörperten das Bild des Druiden nach außen hin perfekt. Sie hingegen... Wer hatte es gesagt als er oder sie von ihrer neuen Aufgabe gehört hatten "Das erstaunt mich." "Warum?" "Na ja, du wirkst irgendwie zu zugänglich und fröhlich für einen Druiden." Damals hatte sie gesagt, dass das nur das Bild ist, das viele noch von ihnen haben, aber dass das nicht ist was einen Druiden ausmacht und ein guter Druide durchaus zugänglich und warmherzig und heiter sein kann. 

Nun fragte sie sich ob sie sich irrte...


Liebe mich dann, wenn ich es am wenigsten verdient habe, denn dann brauche ich es am meisten.


Wie konnte innerhalb so kurzer Zeit ihre Welt wieder so zu zerbrechen beginnen? Und sie fand nur eine einzige Antwort. Sie war zu schwach.
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#24
Man soll die Dinge so nehmen, wie sie kommen. Aber man sollte auch dafür sorgen, dass die Dinge so kommen, wie man sie nehmen möchte.



Wieder saß sie auf dem Balkon und ließ den Blick schweifen. 

Sie war froh und dankbar über das Gespräch mit Anouk, es hatte die letzten Zweifel ausgeräumt. Fast noch mehr jedoch, hatte ihr das Gespräch mit Kordian geholfen. Auch wenn er sich dessen vielleicht nicht bewusst war. Er schien ihr nie als jemand der viel redete was nicht nötig war. Besonders nicht als jemand der oft ungefragt seine Meinung zu etwas kund tat und erst recht nicht wenn es um die Einschätzung einer Person ging. Aber in dem Fall hatte er es getan. Er hatte ihr ehrlich und deutlich gesagt, dass er glaubte sie wäre auf dem richtigen Weg, dass er auch den Eindruck hatte, dass Anouk nicht an ihr zweifelte und , und das war das was ihr ja der größte Zweifel gewesen war, dass sie jemand war an den sich die Menschen wenden würden, und sie das brauchte. Also genau das was sie hatte sein wollen und dann in Zweifel gezogen hatte.
Keine großen Offenbarungen. Einfach darauf vertrauen dass die Dinge Sinn ergeben würde wenn sie wichtig wurden und die Götter ihr dann die Erkenntnisse offenbaren würden, die sie brauchte.
Warum hatte sie gezweifelt? Die Götter hatten sich entschieden sie als ihr Werkzeug zu nutzen und hatten sie auf diesen Weg geführt. Wieso sollten sie sie also im Regen stehen lassen, wenn es wichtig wurde?
Selbst Easar der gerne Scherze trieb, war nicht boshaft und vor allem nicht dumm genug, an ihrem eigenen Einfluss auf Erden zu sägen.

Sie musste nur vertrauen.
Das Gespräch mit Anouk hatte ihr all das nur bestätigt. Sie war froh, dass jemand, der so anders war als sie selbst, an ihrer Seite war im Zirkel.

Die Ironie in all dem hatte sie schallend lachen lassen. Beim ersten Mal blieb ihr dieser Weg versperrt, weil sie nicht aus ihrer Haut konnte. Weil sie zu sehr sie selbst war und nicht sein wollte wie andere, oder andere sie haben wollten. Dieses Mal war sie drauf und dran zu scheitern daran, dass sie zu sehr versuchte NICHT wie sie selbst zu sein, dass sie zweifelte ob sie richtig war wie sie war.

Dankbar stellte sie fest, während sie zusah wie Sulis sich langsam dem Schlaf hingab, dass zumindest diese Sache in ihrem Leben wieder geregelt war.




Wer mit den Menschen auskommen will, darf nicht zu genau hinsehen.




Doch kaum hatte sie durchgeatmet wurden ihre Gedanken auch wieder trüb.
Sie hatte sich den ganzen Tag abgelenkt. Die ganze Woche um genau zu sein. Sie hatte Leys Pferde gefüttert, Hafer angebaut und Mais und war sogar bis nach Candaria geritten. Sie hatte Futter gemischt und unten eingelagert. Sie hatte sich 2 Zuchtpferde von Ley geliehen um mehr Farbe in ihre Sammlung zu bringen und sie hatte jeden verfügbaren Winkel der Wälder abgelaufen.
Doch nichts von all dem sorgte dafür, dass sobald sie damit aufhörte, das Grübeln nicht zurückkehrte.

Der Besuch von Dewain, der natürlich wie zu erwarten, Innes mitgebracht hatte, hätte so schön sein können. Auch als Alec spontan hereinsah um sicher zu gehen, dass alles in Ordnung war, hatte es sie gefreut.
Danach war der Abend den Bach hinunter gegangen. Wie zu erwarten war das Gespräch auf die Morde gekommen. 
Und wie so oft wusste sie nicht was sie dazu sagen sollte.
Sie hasste diesen Kerl aus tiefstem Herzen. Und aus so vielen Gründen. Weil er sie einschüchterte, weil er dafür verantwortlich war, dass sie sich zu Hause nicht sicher fühlte und wenn sie allein auf den Straßen untewegs war. Weil er Leute umbrachte. Aber vor allem anderen, weil er die Dinge kompliziert machte. Dass Einar irgendetwas wusste oder vermutete, war ihr schon lange klar. Spätestens seit dem Abend an dem sie ihn zu dem möglichen Zweck solcher Rituale befragt hatte und er so ausweichend geworden war. Sie sollte ihn nicht fragen, er könnte ihr diese Fragen nicht beantworten.
Generell hielt er sich von all dem fern, von all den Ermittlungen und Überlegungen. Auch dass er immer recht still und abweisen war, wenn sie darauf zu sprechen kam, war ihr nicht entgangen. Aber die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass zu bohren nichts bringen würde. Entweder er würde sich öffnen, oder er würde es nicht tun.

Aber all diese Dinge, hatten ihr in den vielen nächtlichen Stunden eine Sache bewusst gemacht. Eine Sache die er vermutlich selbst noch nicht in all dieser Deutlichkeit sah. 



Sein Leben drehte sich nicht um Thalweide, nicht um die Grauwölfe, die Götter, Ravinsthal oder seine Pflichten als Ritter und ganz sicher drehte es sich nicht um sie. Es war diese eine Sache, die der Fixpunkt in seinem Leben war. 
Sie vermutete weil er unterbewusst wusste, dass es das war, was ihm niemand nehmen konnte. Er hatte so oft, so viel verloren, und das... das konnte er nicht verlieren.
Er sagte immer, dass sie aufhören sollte zu suchen, es gäbe keinen Weg raus aus all dem und er hätte seinen Frieden damit gemacht.
Und sie musste zugeben, dass er recht hatte. Nicht weil es wirklich keinen geben würde, für alles gab es eine Lösung, nein, weil er es selbst nicht wirklich wollte.
Wann immer es sie wütend machte, kam das Argument, dass er es sich nicht ausgesucht hatte und sie ihn nicht dafür verurteilen sollte. Und das tat sie nicht.
In ihrer Welt wurden Andere nicht beurteilt danach wer, woher oder was sie waren, sondern danach was, wie und warum sie etwas taten. Und das war der Punkt, den sie so lange verdrängt hatte.
Er hatte es angenommen und zum Mittelpunkt seines Seins gemacht.

Sie hatte gesagt, dass sie sein Licht sein wollte, das ihm den Weg zurück leuchtete, wenn er drohte sich in seinem eigenen Dunkel zu verlaufen... Er war damals schon so abweisend gewesen. Sie hatte es damals nicht gesehen. Doch nun war ihr klar geworden, dass er wollte, dass es so war, aber tief drin, schon längst entschieden hatte, den Rückweg zu ihr zurück, irgendwann nicht mehr anzutreten und das Licht zu ignorieren, dass versucht ihn zurück zu bringen.

Es war wie damals mit Morkander. Im Grunde war in seinem Leben gar kein Platz für sie, aber er wollte sie dort haben und hatte versucht deswegen einen Platz zu schaffen. Nur wo letztes Mal ihr kleiner Raum in seinem Leben immer enger wurde und die ganzen Pflichten und selbstgewählten Aufgaben, diesen immer mehr verschütteten und sie nicht hinterher kamen ihn wieder freizuschaufeln, war dieses Mal einfach ein großer leerer Raum übrig geblieben. Sie hatte sehr viel Platz. Zu viel. Nur dass ganz heimlich still und leise, er so weit weggewandert war von dort, dass er dieses Zimmer seines Lebens, einfach nicht mehr betrat. Manchmal hörte sie ihn am Flur vorbei laufen und manchmal lugte er auf dem Weg wo anders hin, kurz durch den Türspalt hinein.


Als sie sich begegneten, waren Dinge geschehen, die ihn gerade mehr in ihre Wirklichkeit gezerrt hatten und dort war er nicht allein zurecht gekommen und hatte nur zu dankbar die Hand von jemandem ergriffen, der bereit war ihn zu begleiten. Und sie hatte gedacht es würde so bleiben. Was sie nicht gesehen hatte, war dass es nur ein kleiner Besuch in ihrer Realität gewesen war und er nun begann sich dort zu verkriechen, wo er sich offenbar besser auskannte. Wo er niemanden brauchte, der ihm half zu verstehen was um ihn herum geschah.


Kurz wanderte ihr Blick hinunter zu Ned, der munter mit einer der Wachen plauderte. Sie hatte die Jungs lieb gewonnen. Es war schön abends nach Hause zu kommen und jemand gab auf dich acht. Nur dass dies nicht ihr zu Hause war und sobald sie durch die Türe trat, sie allein war. 
Thalweide war ihre Heimat gewesen wenn er da war. Nun.. zweifelte sie sogar daran.





Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen





Ihre Gedanken wanderten zu der Kiste, die gepackt im Regal stand. Schon seit Tagen. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht sie fort zu schaffen. Sie wusste nicht mal wie sie ihm klar machen sollte, dass genau das geschehen war, wovor sie ihn gewarnt hatte. Das Luftschloss stürzte ein, das sie gebaut hatten. Sie hatte immer gewusst, dass es irgendwann so komme würde. Irgendwann geschah es immer. Sie war nicht wie Anouk, oder wie Cahira. Sie war ihres Bruders Schwester. Aber am Ende hatte sie so gehofft sich dieses Mal zu irren. Sie hatte so gehofft, dass es dieses mal wenigstens länger dauern würde. Dass sie ein paar schöne Jahre hatten, bis es auf die eine, oder andere Weise zerbrach. Und vielleicht hätte ihr dieses Mal das Schicksal den Gefährten weggenommen und nicht ihre eigene Schwäche.

Aber am Ende war es müßig darüber zu jammern. Es würde ja auch nichts ändern. Sie liebte ihn, kein Stück weniger als zu Beginn des ganzen. Vielleicht sogar eher noch mehr. Aber es funktionierte nicht.

Ana atmete durch und schob den Stuhl zurück ins Nebenzimmer. Es half nichts es weiter aufzuschieben. Egal wie lange sie wartete, er würde es vermutlich ohnehin nicht verstehen.
Sie hoffte inständig, dass er sie noch bis morgen bleiben lassen würde und dass es nicht endete wie mit Marie. Er hatte damals gesagt, dass wenn er Dinge beendete, er gründliche Schlußstriche zog und der Gedanke, dass er wieder ein Fremder sein würde, schmerzte mehr als sie erwartet hatte.
... Oder...eigentlich... hatte sie es doch erwartet.
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#25
Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern



Die letzten Tage waren seltsam ereignisreich gewesen. Offenbar begann sich die Trägheit die Ravinsthal fest im Griff gehalten hatte in den letzten Wochen, langsam aufzulösen. Die Taverne war in den letzten Tagen immer besucht gewesen, wenn sie geöffnet hatte und einmal war es gar so voll gewesen, dass sie einen zusätzlichen Stuhl an de Tresen rücken mussten. 

Aber gerade auch noch plötzlich Gestalten aus ihrer Vergangenheit auftauchen zu sehen, war irgendwie skurril.
Nun wusste sie wie Elda sich gefühlt haben musste als sie an ihre Tür geklopft hatte.
Es war schlicht und ergreifend skurril. Es war als würden Geschichten die man irgendwo mal gehört hatte, lebendig.

Und dass nun auch noch gerade jetzt, wo es  in ihrer Beziehung so miserabel lief, ihr Exfreund mitten in Rabenstein am Markt stand, war einfach surreal.

Und er hatte immer noch dieses hübsche flammende Haar und diese unverschämte Grinsen. Er war einige Jahre gealtert, wie auch sie, aber das änderte nichts daran, dass Welf immer noch verflucht gut aussah. Sie erinnerte sich an rotes Haar im Schein des flackernden Lagerfeuers und Fingerspitzen die über ihren nackten, schweißnassen Rücken fuhren. An ein paar grüne Augen die sie mit so viel Zärtlichkeit betrachteten.
Sie fühlte das Holz und Stroh unter sich, als sie auf dem Heuboden des Stalles übereinander hergefallen waren.

Nicht alles war schlecht gewesen. Um genau zu sein war wirklich wenig von dem was sie miteinander erlebt hatten, tatsächlich schlecht gewesen. Aber sie erinnerte sie auch nur zu gut, dass da zwischen ihnen nie viel gewesen war, außer verzehrender Leidenschaft. Zumindest was das Thema Beziehung anging. Das zwischen ihnen waren immer Flammen gewesen, Flammen die nur Asche zurückließen.

Aber irgendwie hatten sie es damals geschafft aus dieser Asche, zumindest eine kleine unscheinbare unkrauähnliche Pflanze zu ziehen, die eine etwas seltsame Art von vorsichtiger Freundschaft war.
Sie hatten sich am Ende eben zu gern gehabt um es wegzuwerfen, nur weil es nicht geklappt hatte.
Und diese Feststellung war noch heute, so viele Jahre später, irgendwie beruhigend.

Nun erinnerte es sie aber auch schmerzlich daran, dass es nie gut gegangen war. Aber eines stand fest. Wenn es dieses Mal zu Bruch ging, würde sie sich nicht mehr auf sowas einlassen. Es gab genug in ihrem Leben, das ihren Einsatz lohnte. Männer gehörten offenbar nicht dazu. Dennoch drückte sie sich seit Tagen um das Gespräch und Alec hatte sie wieder ins Wanken gebracht "Kämpft für eure Liebe. Ihr könnt es noch" "Er hat Marie für dich verlassen. Das bedeutet doch was." Und auch wenn sie ihm klarzumachen versucht hatte, dass zumindest letztes, entgegen aller Gerüchte, nicht den Tatsachen entsprach, zumindest nicht gänzlich, hatte es sie nachdenklich gemacht. Sie hatte kein gutes Gefühl. Alles sagte ihr sie sollte den von dieser Kutsche, die viel zu viel Fahrt richtung Abgrund  aufnahm, abspringen, so lange es noch ging. Dennoch war sie nicht bereit dazu. Wenn er neben ihr schlief, dann musste sie an die vielen schönen Dinge denken, die sie verband. Sie brachte es nicht übers Herz das wegzuwerfen. Nicht ohne das Gefühl zu haben, alles versucht zu haben.



Bedauern bringt im Leben nichts. Es gehört zur Vergangenheit. Alles, was wir haben, ist das Jetzt.

Die andere Begegnung aus der Vergangenheit, war noch kontroverser für sie. Ab dem Moment wo sie seinen Namen gehört hatte, hatte sie förmlich fühlen können wie sie Erinnerungen an die Oberfläche kämpfen wollten. Und es hatte sich angefühlt als wären es keine guten. Und dass er so abweisend reagiert hatte, hatte erst recht ihre Alarmglocken schrillen lassen. Es war klar, dass er wusste wovon sie sprach, sich an mehr erinnerte und es vor ihr verheimlichte. Sie war den Gesprächen gefolgt aber es kam einfach nicht zurück.

Gerade als sie bei einem Gläschen in der Taverne beschlossen hatte, es gut sein zu lassen, hatte er diese Geschichte erzählt. Und bei jedem seiner Worte kamen die Erinnerungen mehr und deutlicher zurück. Wenn sie auch abwichen von seinen Schilderungen. Corbin, der so verzweifelt in ihrer Stube stand und überzeugt war, dass seine Dienstherren ihn verschwinden lassen würden. Und alles wegen dieser elendigen rothaarigen Hexe, die die Leute gegeneinander ausspielte. Was er an ihr gefunden hatte, hatte sie nie verstanden. Aber andererseits hatte sie ihm auch immer schöne Augen gemacht. So oder so, würde die Geschichte die sie erzählt hatte, ihm noch den Hals kosten.
Sie hatte darauf bestanden ihn zu begleiten, aber er meinte er wollte sie nicht mit reinziehen und er würde schon irgendwie heil zu Alines Hof kommen.
Er hatte sich geirrt. Am nächsten Tag... war ihr Freund tot. Und sie wusste dass einer von ihnen dahinter steckte. Nicht genau wer, auch wenn sie eine Verdacht gehabt hatte, aber dass sie es waren, stand außer Frage.

Nun wo Exael es erzählt hatte, da musste sie sagen, dass das mit den Fallgruben, wirklich sehr nach ihm klang. Er war immer mehr der Typ Mensch gewesen der lieber vorbereitet war, statt sich überraschen zu lassen.
Dass er selbst hineingestürzt sein sollte, das hingegen, klang weniger nach ihm. Aber wer wusste was im Dunkel der Nacht tatsächlich geschehen war. Vermutlich nur die Götter.

Sie hatte damals geschworen seinen Mörder zu finden, aber sie hatte es nie geschafft die Beweise zusammenzutragen. Statt dessen war sie auf immer mehr Intrigen gestoßen. Nicht wenige gar innerhalb ihres Hauses. Die Greifenfelse trauten sich untereinander selbst nicht über den Weg. Gleichgewicht.. Schatten und Natur. Diese Familie war durch und durch Schatten gewesen. Man überließ nichts dem Zufall. Garnichts. Langsam, ganz langsam durchschaute sie diese Aspekte. Zumindest ein winziges bischen.
Aber sie erinnerte sich auch, dass je mehr dieser Intrigen sie fand um so klarer sah sie, dass beinahe alle auf 2 Gestalten zurückzuführen waren. Predragor, der zumindest so gänzlich keinen Hehl daraus machte, Moral und Gesetz nicht übermäßig ernst zu nehmen. Er interessierte sich nur für sich, seinen Vorteil und seinen Geldbeutel und das schrie er mit jeder seiner Taten förmlich in die Welt hinaus.
Und das zuckersüß unschuldige Gesicht von Lyanna Ennisfree. Ihr Lächeln, ihre Sommersprossen und ihre Hilfsbereitschaft, täuschten die meisten darüber hinweg, dass hinter dieser Fassade jemand lauerte, der wusste wie er Menschen und Situationen zu seinem Vorteil manipulieren konnte.
Und so sehr sie diese Fähigkeit respektierte, so sehr hasse sie sie dafür. Denn diesem war ihr Freund zum Opfer gefallen.
Außerdem erinnerte sie sich, das die Greifenfelse schon damals ihre gierigen Finger in Richtung ihrer Heimat ausgestreckt hatte. Oh natürlich nicht nur sie, aber eben auch. Und sie hatte sie immer sehr genau im Blick gehabt deswegen, um ihnen wo immer sie konnte in die Suppe zu spucken.



Viele leben zu sehr in der Vergangenheit. Die Vergangenheit soll ein Sprungbrett sein, aber kein Sofa.

Aber dann sah sie in sein Gesicht und sie kannte diese Müdigkeit. Oh nur zu gut kannte sie diese.
Und sie hatte zugehört und sie hatte in seiner Geschichte eins gesehen, dass er zwar der Täter war, aber auch das Opfer. Natürlich hatte er seine Gefährtin beschützt. Und auch wenn es dumm gewesen war nicht mit ihm zu reden, wo sie doch sowas wie Freunde waren... am Ende... wem hätte er wohl geglaubt? 
Sie selbst wäre für ihre Freunde so weit gegangen und für ihren Gefährten wohl noch weiter. Sie kannte nun beide Seiten der Geschichte und so traurig es sie stimmte, nichts was sie tun würde, würde es ungeschehen machen.

Und wenn sie ihn nun so sah, so gebrochen noch immer, nach all der Zeit. Diese Geschichte ihn wohl nie ganz losgelassen hatte, da hoffte sie statt dessen, dass er in die Zukunft würde sehen können. Dass er die Vergangenheit loslassen könnte, so wie sie es getan hatte.
Seine Familie war fort. Hatte ihn zurückgelassen und mit ihm all ihre gescheiterten Intrigen. Er allein war eine überschaubare Gefahr für sie. Sie war wieder zu Hause. Hatte wieder Wurzeln geschlagen und fühlte sich wie ein Baum der wieder Blüte trieb.
Es war Zeit auch diesen Groll loszulassen und ihm zu helfen ebenfalls Platz zu finden, Wurzeln zu schlagen, die alten Blätter abzuschütteln und neu auszutreiben.



An der Vergangenheit festzuhalten ist gefährlich. Man muss einfach weitermachen.

Sie war nicht dumm. Sie würde ihn sehr genau im Auge behalten. Aus so vielen Gründen. Aber sie hatte ihm auch gesagt, dass sie sich erinnerte, dass sie es ruhen lassen würde. Dennoch war die Warnung deutlich, dass er an diesen Dingen nicht rühren sollte, denn sonst, würde es am Ende doch noch böse für ihn enden.

Ana hoffte sehr, dass ihre Botschaft angekommen war. Sowohl die ausgestreckte Hand, als auch ihre Warnung.
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#26
Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern


Candaria neigte dazu sie trübsinnig zu machen. Jedes Mal aufs neue war es unfassbar skurril. Dieser Kontrast aus der beschaulichen Idylle eines verschlafenen Lehens, der friedlichen, blühenden Landschaft und der jederzeit perfekt warmen aber nicht zu heißen Sonne auf der einen Seite und den Ruinen eines zerstörten Landes, den stinkenden, verdorbenen, fauligen Überresten eines Krieges, die nie wirklich beseitigt wurden auf der anderen Seite, lies jedes Mal aufs neue bei ihr die unterschwellige Frage aufkommen, was von der Stille die über Candaria lag, Frieden und was Tod war, und sie war sich bewusst, dass sie auch heute auf diese Frage, wie immer keine Antwort finden würde.


Innerlich sah sie immer noch Elfie Kuchen backen, die Knechte die Felder bestellen, sie sah Misitia auf ihrem Balkon, sah ihre Nachbarn feiern, sie sah Ceras wie er am Strand schmollte weil ihr Fisch größer gewesen war und sie spürte das bittersüße Lächeln auf ihren Lippen, als sie Elda und Morkander das erste Mal zusammen sah. Sie hörte die Möwen kreischen und die Pferde wiehern und sie sah ein Städtchen in dem das einzige was es nicht perfekt sein lies, die schlichte Tatsache war, dass es nicht Ravinsthal war und sie nicht zu Hause. Die Menschen waren so anders gewesen, für sie selbst war alles zu beschaulich, aber es gab nichts was man gegen Candaria hätte sagen können. Der größte Mangel an den Candarianern war ein Mangel an Ehrgeiz und sie konnte es verstehen. Sie waren glücklich mit dem was sie hatten und alles weitere wäre in ihren Augen unnötig gewesen und eine Mühe die nur ihren Frieden störte
Doch wenn sie die Augen öffnete, lies sich nun mal nicht verleugnen, dass davon nicht mehr viel übrig war. Das erste Mal fragte sie sich, warum sie die Spuren nie beseitigt hatten. Warum gammelte das tote Rind dort immer noch in dem verlassenen Haus vor sich hin und warum fanden sich in der Sonne verdorrte Skelette an Pfählen? War es die candarische Trägheit die sie davon abgehalten hatte nach dem Krieg aufzuräumen? War es der mangelnde Ehrgeiz warum die neue Burg immer noch nur halb fertig gebaut war?
Zu gerne hätte sie mit Elfie darüber gesprochen. Aber sie wusste nicht mal wo sie hin war. Sie hatte die Fuchsenfeldes gern gemocht, allesamt.

Lieber schloss sie die Augen und erinnerte sich an die alten Bilder. Aber das machte es schwer für sie, zu sagen ob sich etwas veränderte. Waren es mehr Spinnen geworden, oder fühlte es sich nur so an weil sie nicht in ihr Bild eines friedlichen Candarias passten?
Waren diese halb vergammelten Tieropfer letztes Mal schon da gewesen? Was war mit den kleinen Steinstatuen in den Bauruinen einer unfertigen Verwaltung, die da so fehl am Platze herum standen? Hatte sie diese bisher übersehen? Oder gesehen und sie waren einfach wieder ihrem Bild von früher gewichen?
Ana vermochte es einfach nicht zu sagen.
Was sie zu sagen vermochte war, war dass es sch unbehaglich anfühlte, außer den Tagelöhnern niemandem zu begegnen.
Aber sie bemühte sich die Augen offen zu halten und sich ab sofort die Details und Gesichter genauer einzuprägen.



Überlege wohl, bevor du dich der Einsamkeit ergibst, ob du auch für dich selbst ein heilsamer Umgang bist.



Nun war sie jedenfalls wieder zu Hause und atmete das erste Mal seit längerem wieder durch. Der Tag heute war herrlich ereignislos gewesen und so kam sie endlich dazu, all das was in den letzten Wochen geschehen war, vor ihrem inneren Auge vorbeiziehen zu lassen.

Für die Ablenkungen war sie sehr dankbar, auch wenn sie sich schönere Gründe hätte vorstellen können. Feste, Einhörner die auf den Rabenfeldern grasten, unerwarteter Reichtum, Freunde die wieder auftauchten. Irgendwas in der Art. Dämonische Sternschnuppen gehörten hingegen nicht zu den Dingen die auf ihrer Wunschliste sonderlich weit oben standen.
Zugegebenermaßen gehörten aber zumindest "Vorbereitungen und Rituale um irgendetwas grauenvoll schreckliches abzuwehren" weiter oben auf diese Liste als "Nach Hause kommen und grübeln und in Depressionen verfallen".

Ana hasste nichts tun. Zumindest nichts tun zu müssen. Nichts tun zu dürfen, wenn ihr danach war, war hingegen kein Luxus sondern eine Notwendigkeit. Und so gönnte sie sich auch in den hektischsten Momenten eine Auszeit wenn sie es für nötig empfand. 


Sie wünschte es gäbe jemanden mit dem sie ihren geliebten besonderen Ort teilen könnte. Aber es gab niemanden. Er fehlte ihr so unglaublich. Ja sie hatte vorgehabt es zu beenden, aber in den stillen Momenten kam sie nicht umhin zuzugeben, dass irgendwas tief in ihr drin gehofft hatte, dass er etwas dazu zu sagen hatte was ihre Sorgen davonpustete.

Statt dessen war er verschwunden. Ganz und gar verschwunden ohne dass sie sich hätten aussprechen können. Sie hatte keine Ahnung wohin er verschwunden war. Vielleicht hatte Anjalii ihn doch überzeugt dass sie nach Laskandor mussten? Auch wenn sie eigentlich eingesehen hatte, dass es dort nichts mehr für sie gab, konnte keiner abschätzen was in ihrem Kopf doch noch vorging. Zumindest waren beide wie vom Erdboden verschluckt.
Unterm Strich war es aber auch egal. Es war wie es war und sie würde sich bemühen nicht mehr so oft und so viel darüber zu brüten. Zumindest sie würde dieses Mal nach vorne sehen. Sollte doch der Abyss ihn verschlingen... Dennoch verstand sie nicht wie er sie so verletzen konnte. Aber es war wie es war.
Schlimm war es eigentlich nur wenn sie abends nach Hause kam und das Haus war leer. Eine Weile war sie im Anwesen geblieben. Eigentlich mehr um den Wachen ihre Nutzlosigkeit zu nehmen. Ein leeres Haus zu bewachen, war sicher sehr frustrierend. Aber nun hatte sie den Großteil des Krams der bei ihm herumlag , nach Hause geschafft. Nur selten saß sie noch auf dem Balkon oder kam zu Besuch um ein wenig zu plaudern.



Ein Urteil lässt sich widerlegen, aber niemals ein Vorurteil


Ihre Gedanken schweiften zu den grünen Flammen. Wenn sie daran dachte, war es vielleicht nicht schlecht, dass er gerade nicht da war. Wer weiß zu was für Problemen das wieder geführt hätte. 
Sie dachte an das leuchtende Geschoss das über sie hinweggesaust war.
Es war verstörend gewesen und dennoch hatte sie keinen Moment gezögert nachzusehen was geschehen war.

Ein Lächeln schlich sich auf ihre Züge. Sie war schon immer mit dem Kopf voran in jedes Abenteuer gestürmt und wenn es darum ging etwas zu schützen wen oder was sie liebte, dann kannte sie keine Furcht. So oft hatten Leute sie dafür gescholten, aber sie war nun mal wie sie war. Branwens Leidenschaft zeigte sich auch in diesen Dingen. Aber Ogma raufte sich sicher oft die Haare über ihren Mangel an Weitsicht.
Kyron wäre nun nicht die Begleitung gewesen die sie sich gewünscht hätte, aber unzweifelhaft fühlte sie sich in seiner Begleitung eben doch sicherer als in Welfs. Ein gestandener Krieger war etwas anderes als ein mäßiger Schneider, der noch mäßiger mit dem Degen fuchtelte.

Und so hatte sie sich dieses Mal nicht ganz so unbehaglich gefühlt wie sonst, wenn er da war. Sie hatte das Gefühl, dass sie sich nach und nach etwas annäherten. Sicher würden sie nie Freunde sein. Dazu hatte sie viel zu oft den Wunsch ihm den Kopf von den Schultern zu reißen, aber sie respektierte ihn und sie hatte den Eindruck dass die gegenseitige Abneigung sich langsam etwas aufzulösen begann.
Als er sich gegen den laufenden Säureklumpen gestellt hatte, stand für sie außer Frage, dass sie ihn damit nicht allein lassen würde. Und sie waren beide an dem Abend wieder nach Hause gekommen.

Was seltsamer war, war wie sehr sie sich an bestimmte Dinge gewöhnt hatte. Er war sich sicher gewesen, dass es dämonisch war und wie  sehr er keinen Zweifel an der Tatsache offen lies, lies wiederum in ihr einen gewissen Verdacht aufsteigen. Einen der sie erstaunlich wenig verstörte und an den sie keinen zweiten Gedanken verschwendete. Einfach weil es ihr nicht wichtig genug erschien. Sie nahm es so hin. Und zu einer anderen Zeit, hatte der Verdacht sich bewahrheitet und immer noch entlockte es ihr inzwischen nicht mehr als ein Schulterzucken. 

Vielleicht hing es ein Stück weit damit zusammen, dass sie selbst nun von den Göttern noch auf andere Weite gerufen wurde. Sie hätte niemals damit gerechnet. Niemals. Als Kyron sie nach Weihwasser gefragt hatte, war sie absolut überfordert gewesen. Und keine zwei Wochen später, stand sie an einem fliesenden Gewässer und weihte es. Natürlich nicht einfach so und natürlich nicht allein, aber sie tat es! Das war zu verrückt!


Wenn ich nicht für mich selbst bin, wer wird dann für mich sein? Und wenn ich allein für mich bin, was bin ich dann?


So viel geschah in so kurzer Zeit. Es war kein Jahr her, dass sie mit einem Haufen heimatloser Tunichtgute in zerfallenen Häusern hauste und stahl was nicht niet- und nagelfest war und seitdem hatte sie ein wunderschönes Haus gefunden, ihre Arbeit wieder aufgenommen, alte Freunde wieder getroffen und Feinde, neue Freunde gefunden, sich als Pferdezüchterin versucht, eine Festung besetzt, einen Menschen begraben, einen Gefährten gefunden ... und wieder verloren. Kurz seufzte sie, verharrte aber nicht lange bei diesem Gedanken. Und vor allem anderen, hatte sie der Ruf der Götter wieder erreicht. Sie hatten ihr Zeit gelassen zur Ruhe zu kommen, ihr dann Menschen geschickt die ihr halfen sich zu erinnern und ihren alten Groll endgültig abzustreifen und dann hatten sie sie in die Pflicht genommen. Sie hatten ihr sogar ihre Gaben geschenkt. Nicht dass sie immer noch nicht verstand was sie da überhaupt tat, aber es fühlte sich richtig an und wenn es wichtig war, dann schien die Liebe die sie ihr gegenüber empfanden, auszureichen, dass es sich bewahrheitete. Was hatte Anouk gesagt? Instinkt. Natur. Zumindest das ergab inzwischen Sinn. In weltlichen Dingen war sie unzweifelhaft meist dem Schatten zugeneigt, Sie plante, spann Netze, zog Fäden. Zumindest tendenziell tat sie wenig ohne Hintergedanken. In diesen spirituellen oder magischen Dingen hingegen, versagte ihr Verstand gänzlich. Sie begriff nicht was sie tat, aber sie tat es. Sie verließ sich gänzlich auf ihr Bauchgefühl. Und offenbar honorierten die Götter dies. Sie hatte sehr damit zu hadern gehabt, hatte es gar als Versagen betrachtet, aber langsam ging ihr auf was ihre Lehrmeisterin ihr zu sagen versuchte. Es war in Ordnung es nicht zu begreifen. Verdammt noch mal, es waren Götter und ihr Tun, wie sollten sie es verstehen? Nicht wahr? Das was die anderen beiden so mühelos scheinbar, begriffen, war am Ende auch nur der Versuch das Unbegreifliche in Worte und Formen zu kleiden. Und so wie das ihr Weg war damit umzugehen, war es genau so in Ordnung, sich eben nur darauf zu verlassen und zu vertrauen.
Sie hatte immer einfach darauf vertraut dass die 21 sie führen würden, warum sollte sich dies nun ändern wo sie Geweihte war?

Geweihte... sie konnte es immer noch nicht fassen. Erst des nachts, als sie im Bett lag, war ihr aufgegangen welcher Tag es war. Ihr Geburtstag. vor nun mehr 27 Jahren, hatte sie ihren ersten Schrei getan. Hatten ihre Eltern ihr einen Körper und die Götter ihr eine Seele, eine Persönlichkeit geschenkt.
Doch erst vor 6 Jahren, passenderweise an ihrem 21. Geburtstag, hatte sie erfahren welche. Sie hatte nicht mehr warten können und so war man übereingekommen, dass ausnahmsweise der Geburtstag an Stelle der Sonnwende, auch ein akzeptabler Termin wäre. Und nun, auf den Tag genau 27 beziehungsweise 6, nach diesem Tag, hatte sie erfahren, dass sie nun offiziell als Geweihte gelten durfte. Das machte sie unfassbar glücklich. So glücklich, dass einen Augenblick, all die Aufregungen und Sorgen der letzten Wochen einem Moment des Friedens und der Gelassenheit Platz machten. 
Ihre Finger strichen gedankenverloren über den dunklen Stoff, die feinen schwarzen Federn darauf. Sie würde Anouk fragen ob sie in Zukunft die Roben nähen durfte, wenn keine mehr auf Vorrat da waren.



Gebete ändern die Welt nicht. Aber Gebete ändern die Menschen. Und die Menschen verändern die Welt.


Ihr Blick wanderte zum Mond, der so voll am Himmel stand. Candaria, dämonische Flammen, zu fütternde Tiere, verschwundene Idioten, dreckiges Geschirr und all diese Katastrophen und Unannehmlichkeiten und Pflichten, würden heute Nacht einfach weichen müssen. Heute Nacht war nur Platz für sie und den Mond und die Götter. Heute Nacht würde sie wach bleiben und erst zu Bett gehen wenn sie Sulis des morgens noch begrüßt hatte.
Und so konnten einige frühe Spaziergänger, aber ganz sicher Angus der sich immer noch am Rabenkreis herumtrieb, Ana entdecken, die offenbar auf dem kleinen Berg oben am Rabenhügel, eingedöst war. Der Abstieg vom höchstmöglichen Platz, war ihr so kurz nach Sonnenaufgang, dann vielleicht einfach zu anstrengend gewesen. Oder es war einfach so, dass Galates sich entschieden hatte ihr heute in den wachen Stunden Gesellschaft zu leisten und dieses Mal war es Sulis die über ihren Schlaf wachte? Wer vermochte das schon zu sagen. Sicher zu sagen war jedoch, dass sie in den nächsten Tagen ruhiger und ausgeglichener und weniger besorgt und kummervoll getrieben wirkte.
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#27
Mancher Mensch hat ein großes Feuer in seiner Seele, und niemand kommt, um sich daran zu wärmen.


Die Zeit raste vorbei. Erst gestern kamen dämonische Sternschnuppen vom Himmel und am nächsten Tag hatten sie ein Ritual durchgeführt, einen Mensch begraben, waren von Wachen gejagt worden, hatten eine Frau gerettet und ihr eigenes Leben - mehrfach, außerdem das Weinfest gefeiert, einen verdorbenen Schrein entdeckt, hatten sich Werwölfen erwehren müssen und saßen auf einer Insel fest, während ein Freund in einem dämonischen Koma lag, ein anderer verschwunden war und der Schleier zwischen ihrer Welt und dem Abyss drohte zu reißen.
Zumindest fühlte es sich an als wäre es erst ein oder zwei Tage her.
Man konnte also sagen: eine ganz normale Woche in ihrem Leben.

All das zehrte an den Kräften und doch würde sie sich kein anderes Leben wünschen als das das sie führte.
Außer in den Nächten wo sie nach Hause kam und die Wohnung war leer und die Einsamkeit schwappte über sie wie eine Woge aus schwarzem Wasser und drohte sie zu ersticken.
Früher oder später verließ jeder sie... Sie war es nicht wert geliebt zu werden. Sie war es nicht wert mehr als eine Nebenrolle am Rand eines Lebens einzunehmen. Alle waren fort oder würden es bald sein. Egal wie sehr sie sich in ihr Herz schlichen, wie sehr sie sich um sie sorgte und sie liebte, egal wie sehr sie die Welt auf den Kopf stellen würde, die Flammen des Abyss löschen, Mithras Sonne verdunkeln und alle Gefahren mit ihren eigenen Händer zerquetschen würde um sie zu retten... irgendwann waren sie wieder fort.

Egal ob es ihre Gefährten waren, oder Freunde von früher oder ihre Familie, niemand war mehr da. Carmelina, Ceras, Morkander, Eirene, Irik, Saresh, Nicolas, Lina, Welf, Janusch, Gwen, Ophelia, Garah, Elfie, Gideon, Gwaidir, Sarah, Livera, Angus, Einar sogar Rielaye und vor allen anderen Ihr Bruder... Alle hatte sie verlassen. Manche weil sie wollten, manche weil sie mussten. Und mit Jedem von ihnen fühlte es sich an als würde ein kleines Stück von ihr selbst sterben. 

Des Tags gelang es ihr meist nicht darüber nachzudenken, aber wenn sie zur Ruhe kam, überwältigte es sie und insgeheim fragte sie sich wer sie als nächstes verlassen würde. Würde Kordian wieder aufwachen und Keldron gefunden werden? Würde Kyron dem Wahnsinn anheim fallen? Würden Anouk, Alec, Cahira oder Cois bei ihrer Mission oder in der Schlacht fallen? Auf dieser Insel war der Tod und der Wahnsinn allgegenwärtig. 

War ihre Stimmung sonst schon oft gedrückt, nagte die Nähe zu dem Portal ins Verderben ganz besonders an ihr. Sie spürte wie es täglich schwerer wurde gegen ihre eigenen Dämonen anzukämpfen. Gegen Angst und Verzweiflung, gegen Schuld und besonders die Einsamkeit und das Gefühl nicht zu genügen. 

Ihr war klar, dass bevor sie irgendeinen anderen Feind besiegen konnte, sie sich selbst und ihre inneren Dämonen besiegen musste. Aber das... war wohl das schwerste von allem. Sie musste sich zusammenreißen. Wie sollte sie eine gute Druidin sein oder etwas erreichen, wenn sie über ihre metaphorischen Füße stolperte?

Aber sie war so müde... so verflucht müde. So glücklich es sie machte andere lächeln zu sehen, so neidisch war sie auf jeden der eine Schulter zum anlehnen hatte... vor allem eine die nur ihm gehörte. Ihr war das nicht mehr vergönnt und würde es vermutlich auch nie wieder sein. Aber Ana sprach nicht darüber wenn es sich vermeiden lies. Am ersten Abend auf der Insel war gegenüber Keldron alles unter Tränen herausgeplatzt und gestern hatte sie ein wenig im Suff bei Julia geklagt. Aber die meiste Zeit versuchte sie es mit sich selbst auszumachen oder es so gut es ging von sich zu schieben. Aber langsam... wurde sie zu müde dafür... langsam schwanden die Kräfte und sie suchte immer öfter ihr Heil in den Träumen. Die Träume in denen die Welt gut war und Sorgen keine Bedeutung hatten. Träume in denen wenigstens Galates bei ihr war und sie gemeinsam schwiegen und sich doch so viel sagten. Träume in denen alles unendlich klar war...
Aber letzten Endes konnte selbst er diese Leere in ihr nicht füllen...




Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.


Als sie mit dem Hexer sprach, war da ein Gefühl von Sympathie und Verständnis dass sie sich nicht erklären konnte. Es war als wäre er kalt geworden und gleichgültig. Er maß den meisten Leben auch nicht viel Bedeutung zu, wie es ihr schien. Dennoch verriet ihr sein Verhalten und seine Worte, dass da noch dieser kleine Funke Hoffnung in ihm war. Auch wenn er vermutlich andere Ziele und Wünsche hatte als sie, war sie fest überzeugt, dass jemand der noch hoffte, noch zu retten war. Jemand der nicht ganz aufgegeben hatte, wehrte sich auf irgendeine Weise gegen das Unvermeidliche. Und so jemand war es wert, dass man ihn nicht fallen lies.

Ana sah die Menschen um sich mit anderem Blick als die meisten. Sie sah die Welt durch das Augenglas des unverbesserlichen Optimisten. Natürlich hatte sie das Leben und besonders auch ihr Weg zur Bardin, gelehrt Menschen und Situationen analytisch zu betrachten, Hintergründe zu hinterfragen und Motive zu beachten, aber all das musste bevor sie daraus endgültige Urteile fällte, stets der Frage standhalten, ob noch etwas zu retten wäre. Ihr war klar, dass es da draußen und sogar in ihrer Mitte - wenn sie mit ihrem Urteil richtig lag, Leute gab die die Welt brennen sehen wollten, die bereit waren für sich selbst oder einen Rausch von Macht, den Abyss zu entfesseln. Leute die bereit waren über Leichen zu gehen und sogar die Existenz zu opfern weil sie nicht mehr weiter als über ihre eigenen überschwappenden Emotionen hinausblicken konnten oder wollten. Aber sogar da... Ana WOLLTE glaube, WOLLTE vertrauen so lange es ging. Sie weigerte sich hartnäckig aufzugeben. Sie weigerte sich den Tatsachen ins Auge zu blicken, würden Manche sagen. 

Sie hingegen klammerte sich an den Gedanken, dass sich im entscheidenden Moment viel mehr Menschen für das Richtige entschieden, als man erwarten würde. In Anas Gedanken lebte in jedem von uns ein kleiner Held, der nur darauf wartete ans Tageslicht zu kommen - Und sei es nur für einen kurzen Augenblick. Natürlich war ihr bewusst, dass das unfassbar naiv war, aber es gab so viele die Misstrauen an den Tag legten, da war es wichtig, dass einer an die Menschen glaubte, wo es kein anderer mehr tat. Meist nicht einmal die Leute selbst. 

Das Gespräch mit Kyron hatte es ihr gezeigt. Er versteckte sich hinter einer Maske aus Selbst- und Fremdhass, einem Panzer aus Gewalt und Kälte und vermutlich war das auch das was einen großen Teil seiner Existenz ausmachte, das wollte sie wahrlich nicht bestreiten. Aber manchmal glaubte sie etwas anderes zu sehen. Manchmal glaubte sie zu erkennen dass er zögerte, sich wehrte gegen seine inneren und äußeren Dämonen und dann in manchen Augenblicken etwas zu tun oder zu sagen, das ihr den Glauben daran zurück brachte, dass unter all den eigennützigen Entscheidungen, er in dem Moment wenn es auf Messers Schneide stand, das richtige Tun würde.

Natürlich war so ein Vertrauen Wahnsinn. Natürlich konnte eine falsche Einschätzung bedeuten, dass alles explodierte, aber wenn sie nicht bereit wäre zu vertrauen...
Schließlich hatten die Götter ihr vertraut. Sogar dann, wenn sie es am wenigsten verdiente. Und das musste sie zurückgeben.
Unbeirrbar gab sie also nie auf nach Lösungen zu suchen, egal worum es ging. Vielleicht ließ sich eine Innes Mithras falschem blendenden Licht entreißen oder einige Hexen dem Abyss, oder wenigstens einige Freunde ihren eigenen kleinen inneren Dämonen.

Manchmal allerdings... kostete einem dieses Vertrauen viel. Rückblickend wurde ihr klar, dass es sie vermutlich mindestens Einar gekostet hatte. Denn diese Beharrlichkeit war der Hauptgrund ihrer Auseinandersetzungen gewesen.

Aber sie war wie sie war und was das anging konnte... nein WOLLTE sie auch gar nicht aus ihrer Haut.

Dennoch war Ana... unendlich.... müde....
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#28
Der Mensch erschafft sich und sämtliche Ungleichgewichte im Universum.
Ergo - der Mensch existiert um sämtliche Ungleichgewichte im Universum zu erschaffen.

Sofern wir in die Natur eingreifen, haben wir strengstens auf die Wiederherstellung ihres Gleichgewichts zu achten.




Eigentlich sollte sie nervös sein, aber sie war es nicht. Der Tag der Tage rückte näher. Noch 2 Nächte und das Schicksal der der Existenz könnte sich entscheiden. Wenn dieser Versuch scheitern würde, war sie mit ihren Ideen am Ende. 
Im Grunde war es Wahnsinn auf die guten Ratschläge der Verursacher dieses ganzen Dilemmas zu hören. Aber es schien ihr durchaus plausibel. Zumal es wohl so nicht geplant war. Es war zumindest den meisten von ihnen, nur als Schlag gegen die Mithraskirche verkauft worden. Ob es als solche gedacht war und schief gegangen war oder eine Finte um diejenigen unter den Hexen die nichts vom Abyss auf Erden oder der Vernichtung der Existenz hielten, ruhig zu stellen, wusste sie nicht und am Ende war es auch unerheblich. Es galt dem was dort geschah Einhalt zu gebieten.
Noch 2 Nächte nach dieser und sie würden alle zusammen an dem Portal stehen. Die Diener Mithras würden für den Schutz der Kämpfer sorgen und den Kampf gegen den Dämon mit dem heiligen Schwert unterstützen. Sie würden mit dem Stab Mabons ebenfalls versuchen die Einflüsse des Abyss zurückzutreiben, so dass sie die Steine ins Portal werfen konnten. Wenn dies dann noch nicht genügt hatte, was sie insgeheim fast befürchtete, dann würden sie mit einem Ritual versuchen die Macht der Götter und Mabons Stab zu nutze um die Wunde zwischen den Welten zu heilen und alles wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückzudrängen. Der Abyss an sich war nicht das Problem. Es war nur ein Problem wenn Dinge den ihnen angestammten Platz verließen und somit das Gleichgewicht ins wanken brachten. So wenig wie sie sich in die Sphäre der Götter drängen dürften, so wenig dürfte der Abyss ihre Welt übernehmen. Vor allem nicht in diesem Ausmaß. 
Und das war das eigentliche Problem mit dem Mithrasglauben. Sie verstanden das Gleichgewicht nicht. Für sie waren alle Kräfte der Unterwelt etwas verdammenswertes das von der Wurzel an ausgerottet werden musste. Sie sahen nicht dass das Unfug war. Alles in der Existenz hatte seinen Platz und seine Aufgabe und musste diesen ausfüllen. Wenn sie sie also einfach schalten und walten ließen, dann würde das genau so zur Katastrophe führen wie bei der anderen Seite. Aber sie sollten sich ruhig austoben. Ihr ungezügelter Hass gegenüber den Dämonen, war ihnen in dem Fall nur mehr als dienlich. Sollten sie aufeinander prallen und ihre Kräfte messen. Das würde ihnen die nötige Luft verschaffen die Dinge zurecht zu rücken.



Charaktere, die sich durch eine naiv-tapfere Dummheit auszeichnen, halten das Gleichgewicht der Welt in der Waage, wenn sie sich mit Charakteren zusammen tun, die über eine raffiniert-feige Klugheit verfügen.


Und danach, wenn alles getan war, dann hatte sie sich Urlaub verdient. Nicht dass sie wirklich jemals genug loslassen würde dafür, aber verdient hatte sie es sich!
Was sollte sie mit Urlaub. Sie könnte natürlich aufbrechen und nach ihrem Bruder suchen. Aber ohne einen Anhaltspunkt wäre das Unfug. Außerdem gab es hier wirklich genug zu tun.
Dennoch... mal ein wenig raus hier, wäre schön.

Doch realistisch, musste Ana zugeben, dass sie sonst nicht viel hatte in ihrem Leben. Nicht dass das was sie hatte nicht genug wäre, aber es gab nichts was sie in die Ferne zog, nichts was sie dringend erreichen wollte und nicht schon hier daran arbeitete. Viele Aufgaben, viele Pflichten, viele Freuden, aber keine wirklichen Ziele.
Hätte man Ana vor  5 Jahren gefragt, hätte sie sehr viel nennen können.
Reich werden. Druidin werden. Das beste, schönste und wildeste Pferd der Welt besitzen. Ein großes Haus. Ein riesiger Garten. Eine Zucht von Hermelinen. Ein toller Mann. Ein Adelstitel. Eine gut laufene Schneiderei. Nach Hause nach Ravinsthal kommen. Die umfangreichste Sammlung an Schnittmustern diesseits der Grenzen. Galatien sehen. Laskandor befreien und besiedeln. Sich zu Tode saufen. Ein riesiger Keller voll Schnaps. Und noch so viel mehr.
Heute? Heute hatte sie all das entweder erreicht, arbeitet daran oder es war einfach nicht mehr wichtig oder möglich.
Irgendwie war es bedauerlich keine fernen  aber nicht all zu fernenTräume mehr zu haben. Vielleicht waren Träume dann am besten, wenn sie knapp außerhalb der Reichweite waren.

Dennoch war sie dankbar. Unendlich dankbar. Das was sie heute hatte, davon hatte sie teilweise nicht mal mehr geträumt. Sie hatte treue Freunde, die ihrem Gefühl nach nicht nur genau so viel sondern sogar mehr gaben als sie nahmen. 
Und da sah sie heute den Unterschied. Die für die sie früher durchs Feuer gegangen wäre. hatten immer weit mehr genommen als gegeben. Zumindest die meisten von ihnen. Heute waren da Menschen in deren Nähe sie sich wohl und beschützt fühlte und bei denen sie gar nicht mehr die Notwendigkeit sah, die Welt passend für sie zu machen. Nein im Gegenteil. Sie formte mit ihnen gemeinsam ihre Realität. 
Man sagt ein Freund  besucht dich im Kerker. Ein guter Freund  holt dich da raus und die besten Freunde sitzen mit dir in der Zelle und sagen zu dir "Was hatten wir für einen Spaß!"
Wenn sie da zum Fenster raus auf den Hof sah, standen da auch Leute von denen sie wusste, dass sie mit ihr durch den Abyss wandern würden. Und zwar lachend. Denn lachend war alles etwas leichter.

Und in 2 Tagen würden sie so etwas ähnliches tun. Nur was war wenn es wirklich gut ging? Dann galt es die Scherben aufzusammeln und sich für neue Dinge zu wappnen. Nur wo sollte das enden?

Und wo wollte sie zu guter Letzt hin?

Ana wünschte sich gerade brennend, mehr wie ihr Bruder zu sein, der immer in den Tag hinein gelebt hatte und dem das mehr als genug war.
Nun, sie würde gleich damit anfangen am besten. Morgen war für morgen Zeit. Erst einmal die Welt retten!
[Bild: Anabella-Signatur.png]
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