Nichts und alles… die Suche hat begonnen.
#1
Die Reise war lang und beschwerlich gewesen. Die Angst während der Reise war ebenso groß gewesen wie die Angst sich mit der Keuche ebenfalls schon angesteckt zu haben. Aber sie war früh genug Weg. Ihre Eltern hatten gewusst, dass es besser war zu gehen als zu bleiben. Auch wenn es für sie längst zu spät gewesen war. Sie waren gestorben. Genauso wie der Meister.

Nun war sie mitten in der Hauptstadt. Direkt in Löwenstein.

Vor einiger Zeit hätte sie jeden verlegen angelächelt und es abgestritten der ihr gesagt hätte sie würde dorthin reisen. Und vor allem alleine. Wie hatte sie das nur Heil und in einem Stück überlegt? Sie hatte nicht den blassesten Schimmer. Aber sie war nun hier.
Und sie hatte ihr Ziel noch nicht erreicht. Und zwar ihren älteren Bruder ausfindig machen.

Allerdings gab es an dieser Sache einen Haken… sie hatte keine Ahnung ob er sich überhaupt in Löwenstein aufhielt. Oder ob er überhaupt noch am Leben war. Oder ob er nicht seinen Geburtsnamen abgelegt hatte und unter einem ganz anderen unterwegs war… es gab einfach zu viele wenn und aber.

Bei dem ein oder anderen hatte sie sich innerhalb der Stadt bereits herumgefragt. Aber keinem war er bisher ein Begriff gewesen. Hin und wieder waren Zweifel in ihr aufgekeimt. Was, wenn sie ihn niemals finden würde? Was, wenn sie für immer alleine bleiben würde?
Aber sie würde nicht alleine bleiben. Das wusste sie nach nur wenigen Stunden mit den Grauwölfen. Sie fühlte sich bereits als würde sie dazugehören. Dabei war noch nicht einmal ein Tag vergangen.

Nun saß sie mit einem kleinen Pergament vor sich in dem Quartier der Wölfe. Nur langsam füllte es sich mir Schrift. Nicht etwa, weil sie des Schreibens nicht mächtig war. Eher weil die Worte die sie schreiben wollte sich nur langsam den Weg in ihrem Kopf bahnten. Was war der richtige Text um sich sicher zu gehen, dass sich jemand bei ihr melden würde? Wie würde sie die Aufmerksamkeit auf ihren Schrieb ziehen und nicht jeden daran vorbei gehen lassen? Es dauerte eine ganze Weile, obwohl am Ende nicht wirklich viel auf dem Pergament zu lesen war:

Sehr geehrte Bewohner und Besucher der Stadt Löwenstein,

ich bin auf der Suche nach einem Herren der auf den Namen Lothar Rabenfels hört. Er dürfte bisher etwa an die 30 Jahreswenden erlebt haben.
Ich bitte euch aus ganzen Herzen, mir eine Nachricht zu hinterlassen sofern ihr glaubt, jener Person bereits einmal begegnet zu sein.

Silvaine Rabenfels


Das Pergament ließ sie auf dem Marktplatz aufhängen. Zwar konnte sie kaum etwas dafür anbieten, dass man ihr Hinweise auf ihn gab… aber wie hieß es doch meist? Die Hoffnung starb zuletzt. Und vielleicht würde man es auch hängen lassen… jetzt galt es erst einmal abzuwarten.
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#2
Die kleine Frau hatte nun endlich ihren großen Bruder getroffen. Er hatte anders ausgesehen als sie sich ihn vorgestellt hatte. Und es war auch nicht abgelaufen wie sie sich es vielleicht ausgemalt hatte. Sie war viel schüchterner gewesen als in ihrer Vorstellung. Er war ihr Bruder – und doch ein vollkommen Fremder. Das hatte sie spätestens dann wirklich realisiert, als er es ihr zuerst nicht glauben hatte wollen, dass sie tatsächlich seine Schwester war und diese nicht mehr in Hohenmarschen verweilte.

Mit der Schneiderei ging es auch langsam voran. Sie hatte ein oder zwei Schnittmuster von den Grauwölfen bekommen. Und sie hatte sich nun getraut auch auf dem Markt einen Schrieb auszuhängen, an dem sie ihre Waren feilbot. Wobei sie selbst eher glaubte, dass diesen Aushang sowieso niemand beachten würde. Sie hatte weder einen Namen, noch war ihre Arbeit irgendetwas Besonderes unter all den anderen Schneidern die in der Stadt verweilten. Letztens hatten ihr ein paar Leute in der Schneiderei sogar ziemlich deutlich gemacht das solange man keine überragenden Fähigkeiten besaß ein nichts war. Und ohne zu Fragen ob sie vielleicht sogar in der Lage gewesen wäre, entsprechendes zu fertigen. Fakt war gewesen: eigentlich hätte sie es sogar können. Aber sie waren gleich auf das Pferd aufgesprungen, nachdem sie meinte ihre Fähigkeiten seien nicht die besten sie würden dann zu Meister Greiffenwaldt gehen.

Bei Mithras, sie hatte wirklich nichts gegen Herrn Greiffenwaldt. Im Gegenteil. Irgendwie mochte sie ihn sogar. Immerhin teilte er die Leidenschaft für die Schneiderei mit ihr. Wenn sie auch bei seinem Preis für den Leinenstoff den sie sich bei ihm gekauft hatte fast umgefallen wäre. Aber gut, sie selbst konnte ihn nicht herstellen und sie hatte dem Hauptmann versprochen die Schärpen zu fertigen. Also hatte sie den Preis ohne weiteres auch akzeptiert. Und irgendwie hatte es den Vorteil gehabt, dass sie dadurch den Herren Grigori kennen gelernt hatte.

Sie würde ihn gerne öfter einmal treffen. Vielleicht auch ohne das er ihr etwas in die Hand drückte. Aber sie war glücklich über diese kleinen Freuden. Und sie wollte sich unbedingt auch nochmal dafür entschuldigen, dass sie ihn in ihrer Euphorie einen Zauberer genannt hatte. Sie hatte sich einfach nur darüber gefreut, das Glas mit Milch bekommen zu haben. Auch der Becher zu wenig gewesen war um anständig gezeigt zu bekommen wie man den Haferbrei zubereiten konnte. Aber das würde irgendwann auch noch klappen… und wenn sie Grigori nach noch mehr Milch bitten musste.

Milch war leider nicht das einzige was sie benötigte. Aber sie wollte ihre Handelsbeziehungen auch nicht auf einem einfachen ‚hier bin ich und kaufe‘ aufbauen. Nein, sie wollte sich mit den Menschen gut verstehen und sie kennenlernen, mit denen sie handelte. Bauer Hinnerk musste sie unbedingt noch in der Villa Sehblick im Armenviertel besuchen gehen. Vielleicht sollte sie ihm irgendetwas mitbringen? Zu gerne würde sie ein Stückchen Kuchen oder auch Brot zu ihm mitnehmen. Nur leider hatte sie nicht den geringsten Schimmer wie man das machen konnte – oder woher sie es bekommen würde. Im Notfall würde sie ihn einfach fragen worüber er sich freuen würde. Vielleicht wäre etwas frisch gebratenes Fleisch ja auch schon in Ordnung!

Bei den Söldnern hatte sie genau das gleiche Problem. Sie wollte eigentlich etwas anderes machen als immer nur Fleisch. Aber es war nun einmal eines der wenigen Sachen die sie anständig kochen konnte. Hinzu kam, dass die Söldner zumindest genügend Fleisch für alle mitbrachten. Immerhin hatte sie die Verpflegung der Grauwölfe nun übernommen. Auch wenn sie Mieps versprochen hatte den anderen davon nichts zu sagen. Sie kochten ab nun beide für die Grauwölfe. Oder gemeinsam. Das würde sie sagen, wenn sie jemand fragte.
Es machte ihr auch nichts aus, alleine für das Essen zu sorgen. So konnte sie sich immerhin nützlich machen. Das Schneiderhandwerk wurde von den Söldnern bisher noch nicht wirklich oft gebracht. Und die meiste Zeit fühlte sie sich eigentlich auch eher wie eine Last. Aber sie war immer noch glücklich unter ihnen zu sein. Es war wie sie es immer sagte „Sie sind Rau, aber sie sind gut!“
Einige von ihnen zauberten ein Lächeln auf ihr Gesicht. Andere ließen sie verlegen werden und vor wieder anderen hatte sie zumindest im Augenblick noch einen Heidenrespekt. Die Grauwölfe waren für sie ihre Familie geworden. Wenn es auch eine Familie war, von der ihr wirklicher Bruder kein Teil sein mochte…
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