Rote Drachen
#1
"Silendir hat keinen Platz mehr für Euch, Schwester Marianna. Lasst Euch nun zwei Schilling geben und verlasst den Tempel."
"Aber Eure Seligkeit! Der Junge war noch am Leben, als Euer Medicus seinen Leib eröffnete - ich habe es mit eigenen Augen gesehen!"
"Ihr seht zu viel, Schwester. Dieses Kind war dem Tode geweiht. Die Hexerkeuche hat es dahin gerafft, so wie viele andere auch. Das Elysium ward ihm geöffnet. Sorgt Euch nicht."
"Dieses Kind hat zuvor noch mit mir gesprochen, Eure Seligkeit! Euer Medicus..."
"Schweigt. Mein Medicus ist ein frommer Mann, der alles - alles - dafür tut, um ein Mittel gegen die Keuche zu finden. Ihr habt uns lange genug gedient. Geht. Und wagt es nicht, jemandem von dem zu erzählen, was Ihr für so grausam erachtet, Schwester. So Euch euer Leben und euer Seelenheil lieb ist."


Mit schweißnasser Stirn schreckte die ältere Frau des Nachts auf - ein Ächzen - ihr Rücken schmerzte. Der unbedeckte Holzboden des Kontors im alten Hafen war unbarmherzig zu ihrem Rückgrat. Unbarmherziger aber die Bilder und Träume, die sie des Nächtens heimsuchten und ihrem Geist Streiche spielten. Für einen Moment glaubte sie gar, eine Gestalt in einer Ecke des kleinen Vorratsturmes, in dem sie sich Ruhe legte, zu sehen - ein weißes Gesicht, das ihr zu zwinkerte und stille Angst in ihr aufkeimen ließ - Loewi?!

Die Falltür und Leiter herab erklangen noch die Geräusche von Stimmen und schien ein mildes Licht hinauf in den zum Schlaf missbrauchten Lagerraum - sie nahm es nur diffus war, als sie sich über einen Eimer, mit frischem Wasser gefüllt, beugte und ihre Hände, ihr Gesicht wusch.

Das Wasser kühlte die wunden Hände und ließ den brennenden Schmerz für einen Moment vergehen. Darum jedoch sorgte sie sich wenig. Sie hatte nie den Anspruch erhoben, zu Höherem berufen zu sein. Ihre Arbeit und ihr Dienst im Namen Mithras war stets einfach, fromm und zermürbend. Durch ihre Hände ging soviel Blut und Leid, wie Staub und Schmutz.

Auch die Vorratskammer des Tempels von Löwenstein zeugte von dieser Arbeit. Mehrere Stunden lang fegte sie mit einem alten Besen jeden Staub und Schmutz aus allen Ecken - mit bloßen Händen klaubte sie Spinnenweben selbst vom Gebälk und raffte den zusammengekehrten Dreck vom Boden auf. Die Kammer schien danach so reinlich, wie sie es wohl seit dem Verlassen der Priesterschaft nie wieder gewesen war.

Wie es wohl um die Felder und Wälder Silendirs dieser Tage stand...?
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#2
...schweigend verbrachte Marianna die kommende Nacht und den größten Teil des Tages im Tempel, auf einer Bank sitzend. Ihre Miene bis zum kommenden Abend hin leichenblass, ausgemergelt. Ein frommer Mensch, der die Nähe Gottes verspürt, lernt auch den ärgsten Schmerz und die größte Entbehrung im Gebet und der Meditation von sich zu weisen. Sagt man jedenfalls.

Es ward ihr verboten, zu Essen und zu Sprechen. Die Güte, ein Mahl der Kirche, die sie verstieß, als sie noch nicht einmal einen Fuß auf deren Stufen setzte, wurde ihr zur Strafe für das Aufbegehren in einem Disput um die gewollte Ordnung Mithras und deren Verständnis seitens der Armen, zu erhalten, wurde ihr verwehrt.
Die Güte eines Mahles? Diese ältere Frau hat seit ihrer Ankunft in Löwenstein nichts Gutes von jener Kirche erfahren, derer sie Zeit ihres Lebens eine Dienerin war.

Alles was sie besaß, stammte aus ihrem Reiseproviant und der Güte einfacher Menschen aus dem alten Hafenviertel. Selbst dies - einige Essensreste - nahm man ihr nun. Eine Sklavin aus Indharim hatte es zwar nicht besser - aber sie wurde wenigstens aus bloßer Vernunft am Leben erhalten und gefüttert.

Nun. So schnell verhungert schließlich niemand und sobald es ihr wieder gestattet wäre, etwas zu essen und ein Wort auszurichten, würde sie sich auch wieder in die Wälder bewegen und einige Beeren sammeln.

Derweil dachte sie nach - und ob der Hunger ihren Verstand eingrenzte, konnte sie nicht genau sagen, als sie einfach keinen Weg und keine Erklärung für die höhnenden Worte der Priester und baldigen Priester fand.

Seit 1000 Jahren existierten Lehren der Kirche und ein Zauberbuch, in dem jeder Diener Mithras namentlich erwähnt war - außer sie selbst. Und ihre Bemühungen und ihr Dienst um das Heilerhaus und die Armen im Armenviertel wurden ihr letztlich auch verboten - stattdessen wolle sich die Priesterschaft des Tempels aus Löwenstein sich diesem nun annehmen, so wie er bereits die Gaben, die sie von gläubigen und guten Menschen erbat an sich nahm; ohne zu registrieren, dass dies nicht sein verdienst war. Doch all das hatte keine Bedeutung. Es ging nur um das Nennen einer Anrede. Nicht mehr. Nicht weniger. Die Kirche Mithras und diejenigen, die ihren Tempel besetzten, als er verlassen wurde.
Träumte sie ... war dies hier alles ein Hirngespinst? Nahm es endlich ein schlimmes Ende mit ihrem Verstand? Wenigstens war dieser auf eine seltsame Art und Weise erschreckende Doctor Loewi nicht im Tempel zu sehen.
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#3
Des Nächtens sind neben dem üblichen Radau im Armenviertel nur ein kurzer Schrei im Heilerhaus zu hören. Daraufhin liegt eine ältere Frau in den Gewändern einer Dienerin Mithras zu Tode geschlagen inmitten einer Lache ihres eigenen Blutes.





OOC
Gebe mich geschlagen. Viel Spaß weiterhin.
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#4
Nichtsahnend hatte sich der Heilkundige auf den Weg ins oftmals erwähnte Hospiz im Armenviertel gemacht um dieses einer gründlichen Besichtigung zu unterziehen. Irgendwie hatte er ja gehofft Schwester Marianna dort anzutreffen um ihr noch einmal deutlich vor Augen zu führen, dass seine Qualifikationen die ihren bei weitem überstiegen. Was er fand war nicht nur überraschend, sondern obendrein hochgradig frustrierend.

Wenig später wird der Leichnam in ein Laken eingerollt und von zwei abgerissenen Kerlen mit Hilfe einer Trage in Richtung der Neustadt abtransportiert. "Ihr sollt euren Zweck schon noch erfüllen, Schwester.."

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#5
OOC
Bitte diese Informationen nicht Ingame verwenden.

Er sah in die Ecke der Zelle und blickte zu Freyberg, einen jungen Mann, der just dem Jungenalter entwachsen ist. Noch immer verhallen seine Worte der Enttäuschung und Trauer in seinen Ohren. Es mag zwar sein, dass Ehrwürden Weckberger oft für seine raschen emotionalen Ausfälle bekannt ist, doch saßen seine Worte, obwohl er sich auf seine Art und Weise sich dafür entschuldigte. Wenn so schnell das Gefühl der Familie schwindet in der Kirche und dies im Gegenteil entschwindet, dann sind dies doch nur Worte. Ihm tat es Leid um Carlos, Garion, Lucas, Uwe, Zerlinde, Claudius, Manesser und Viktor. Sie sind ihm ans Herz gewachsen. Aber gemäß euer Gnaden Greiffenwaldt sollte, wenn möglichst das Todesurteil über sie fallen.
Wie kann man nur so schnell über jene richten.

Es ist nachvollziehbar, dass sie man ihnen misstraut, da sie Mitglieder des Ordens sind. Doch was die Veltenbruchs für Zerlinde, Viktor und Albert, die Jehann für Adele, für Mirialay ihr lieber Bruder Kuno Greiffenwaldt ist, so ist der Orden das was für sie die Familie ist. Noch immer kann er die Worte des Großmeisters nicht verstehen.... Wieso fielen solch Worte? Sicher... Sie war stets dafür bekannt nicht diplomatisch zu sein und stets gereizt. Eventuell hatte dies auch damit zu tun, dass ihre Lustgrotte seit Ewigkeiten trocken ist, dass sie so ist wie sie ist. Ist sicherlich bestimmt lange her, dass jemand an ihr..... *er winkt ab und schüttelt sich bei dem Gedanken und blickte zu Weckberger* Hatte sie ihn wohl angelogen... Von wegen nur eine Ausbildung zum Priester um die eigenen Ordensbrüder mit den Worten Mithras zu begeistern. Er wurde wohl wie Freyberg nur als Schachfiguren, verwendet... Nicht anders sind die Worte zu verstehen, die sie Ehrwürden Claudius wohl entgegen geworfen hat. Familie im Orden. Nichts als Hohn in ihren Worten.... Ansonsten säße er nicht hier mit Freyberg, welcher nicht mal lange im Orden war. Dies wird noch ein Nachspiel haben.

Was wohl mit den anderen Brüdern war? Ob sich die Kunde schon verbreitet hat und die Verfehlungen des Großmeisters Auswirkungen auf ihr Leben hat? Sicher sind manche von ihnen sicherlich nicht ohne Makel. Therat, welcher anscheinend nicht die Finger von Frauen lassen kann, Olaf und Ulbrecht, die anscheinend sich nur einmal in einem Mond sich waschen, Ammersbach, der etwas kritische Ansichten gegenüber Juren hat. Aber sie sind Brüder... und man liebt sie auch wenn sie Schwächen haben. Wie Simona, die wie eine Schwester für sie wahr, der ehrenwerte Siegfried Andernacht, Alba, welcher von Kindertagen an, stets an seiner Seite stand und Falkner, welcher wohl nun die Liebe seines Lebens fand.

Doch erstmal abwarten mit welchen Vorwürfen Mirialay kommt, sodass man ihn des Hochverrats bezichtigt und die Hinrichtung als Folge hat. Hoffentlich wird Freyberg nicht leiden müssen.... Denkt er sich und zieht seine Robe aus und legt diese über den im Schlaf frierenden jungen Mann und legt seine Hand mit brüderliche Miene auf seiner Schulter. Anscheinend träumt er gerade schlecht. Zumindest sollte er Freybergs Familie in der Zelle sein.

Ja, Familie.....

Irgendwie konnte er nur an die Familie Veltenbruch denken.... Obwohl er nun in Eugen Rauenthal einen Vetter in Löwenstein hat.

Wie gerne würde er nun den väterlichen Janusch, der ihm sicherlich Trost spenden würde. Wäre sein Vater doch nur ansatzweise wie er gewesen. Wie froh kann er doch sein von Verwandten, wie Gwendolyn und Theresia umgeben zu sein.....
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